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25.01.2007 WM 2007

Kieler Nachrichten: Tunesien stürzte ab

Der heutige Gegner der Deutschen unterlag Island nach 21:17-Führung - "Ausdauer fehlte"

Aus den Kieler Nachrichten vom 25.01.2007:

Dortmund - Sie sind mit großen Hoffnungen nach Deutschland gekommen. Doch spätestens nach der klaren 30:36 (19:16)-Niederlage gegen Island gestern Nachmittag ist im Lager der Tunesier Ernüchterung eingekehrt.
Nur einige hundert Fans im leeren Rund der Westfalenhalle und eine Mannschaft, die nach einer 21:17 (32.)-Führung wie ein Klappstuhl zusammenfiel - dieses Bild erinnerte kaum an die Festwochen während der WM 2005, die Tunesien als Gastgeber mit einem sensationellen vierten Platz abschloss. "Wir hatten heute nicht die Ausdauer für 60 Minuten", meinte Trainer Sead Hasanefendic, der nach der Vorrunden-Pleite gegen Slowenien (27:34) in der Hauptrunde auf den ersten Punkt wartet. "Die Deutschen sind bei dieser Weltmeisterschaft gegen jede Mannschaft Favorit", sagte der 58-Jährige. "Aber wir müssen sie schlagen." Die bisherige Bilanz der beiden Nationen, ein Remis und vier für Siege für Deutschland, spricht eine andere Sprache.

"Sie haben sich technisch und taktisch stark entwickelt", lobt Bundestrainer Heiner Brand den heutigen Gegner. "Vor zwei Jahren haben sie ihre Defizite noch mit Härte und großer Kampfkraft wettgemacht." Spätestens beim World Cup im Oktober 2006 bewies der Afrikameister, der im Finale Kroatien (31:33) erst nach Siebenmeterwerfen unterlag, dass er keine Eintagsfliege ist. "Unseren vierten Platz bei der WM haben alle auf den Heimvorteil zurückgeführt", sagt Hasanefendic, der einst auch die Schweiz, Jugoslawien und den VfL Gummersbach betreute. "Wir haben alle Kritiker Lügen gestraft."

Der Kroate, der von den Tunesiern als "Said Hassan Afendic" verehrt wird, ist der Architekt der "sept national". Vor seiner Amtszeit mussten die Nordafrikaner noch auf eine chaotische 3:3-Abwehr zurückgreifen, auch weil sie körperlich unterlegen waren.

Mit Wissem Hmam, Herz und Arm in Personalunion, hat sich das geändert. 25 Jahre alt, 1,97 Meter groß und vor zwei Jahren noch ein Niemand, der bei Esperance des Tunis 250 Euro im Monat verdiente. Bei der damaligen WM gelang ihm der Durchbruch: Hmam warf die meisten Tore (81) und begeisterte beim 35:24-Sieg gegen Russland mit einer Zirkusnummer: Aus vollem Lauf sprang er vor dem Tor hoch, drehte sich um 360 Grad und schmetterte den Ball in den Winkel. Kein Wunder, dass ihn der französische Spitzenklub Montpellier HB sofort unter Vertrag nahm. Inzwischen verdienen 13 Tunesier ihre Brötchen in der Liga ihres ehemaligen Kolonialherrn. Auch ein Grund, warum das Team vor der WM als Geheimfavorit gehandelt wurde.

Zudem ist Handball in Tunesien Chefsache. Staatspräsident Youssef Kortobi, der die Live-Spiele alle im Fernsehen verfolgt, hatte zuletzt jedem Spieler 60 000 Euro beim Gewinn des World Cups versprochen. Nach dem verlorenen Finale ließ er sie immerhin mit der Präsidentenmaschine abholen, Staatsempfang inklusive.

An die Westfalenhalle hat Hasanefendic gute Erinnerungen. Als Teamchef der Schweizer wechselte er einst Peter Jehle als siebten Feldspieler ein, um ein sensationelles 16:16 gegen die Deutschen zu verteidigen. Ein irregulärer und unbemerkter Trick, der die Träume des Gastgebers platzen ließ. 1982, als zuletzt eine Handball-Weltmeisterschaft in Deutschland stattfand.

(Von Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 25.01.2007)


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