Aus den Kieler Nachrichten vom 04.06.2007:

Sonnabend, 14 Uhr: Irgendwie hatten sich das hier alle voller vorgestellt. Bequem lehnen die Zebra-Fans an Bier- und Wursttresen. Kein Gedränge, kein Geschubse, 1a-Blick auf die Videowall, das Wetter hält. Noch eine Stunde bis zum Anpfiff. Die Leute vertreiben sich die Zeit mit dem Kauf der Meister-Shirts. Für stattliche 15 Euro. "Heute ist das egal, aber eigentlich Wucher", sagt ein Ehepaar. Auf der Bühne sorgt die Coverband "Rockford" für gute Laune. Kurz vor drei dann Club-Animation. 10000 Kehlen schreien die Kieler Mannschaftsaufstellung in den grauen Himmel. Dann plötzlich der Hinweis aus der NDR-Schalt- und Denkzentrale: "Spiel läuft." Schwupps, aus, die Videowall ist schwarz. Kein Bild. Pfiffe werden laut. Als 15 Sekunden später das Bild zurückkehrt, versprüht der Rathausplatz die Stimmung eines Friedhofs. Es ist mucksmäuschenstill. Kiel liegt 2:3 hinten.

Die Verunsicherung bei den THW-Anhängern zieht sich durch die ganze erste Halbzeit. Nur vage erklingen die Ostseehallen-Schlachtgesänge. Die werden uns doch wohl nicht noch die Party versauen? Emotionaler Höhepunkt ist die blendende Stimmung einer chinesischen Reisegruppe aus Guangzhon, die ob der schwarz-weißen Versammlung alles fotografiert, was ihr vor die Linse kommt. Zum Beispiel Katja am Warsteiner-Stand. "Das hab ich auch noch nicht erlebt", sagt sie. Die Asiaten sprechen kein Wort Englisch, aber lächeln unentwegt. "Danke schön und gute Reise", sagt tatsächlich einer am Ende. Wie in der Werbung. Herrlich.

Es fängt an zu nieseln. "Das passt zum Spiel. Die spielen sich einen ganz schönen Mist zusammen", schimpft Ursula Heinze aus Mönkeberg, die sich mit ihren Freundinnen am Ende des Platzes postiert hat. "Hier ist auch so eine komische Stimmung. Hoffentlich geht das nicht noch schief." Geht es nicht. Mit Beginn der zweiten Halbzeit zieht der THW das Tempo an. Und die Fans die Lautstärke. Bei der ersten Führung erklingen die ersten Meister-Gesänge. Das Bier fließt jetzt im Stakkatotakt. Bei einigen so schnell, dass sie bei Nordhorn-Toren jubeln. Der NDR teilt mit, dass Holstein Kiel aus der Fußball-Regionalliga absteigt. Stille. Das interessiert hier heute niemanden. Auch das Ergebnis des HSV in Göppingen ist zweitrangig. Hier regiert der THW. Spätestens, als dieser seinen Vorsprung auf fünf Tore ausbaut und die 13. Meisterschaft in trockenen Tüchern liegt, gibt es kein Halten mehr. Erst recht nicht, als Noka Serdarusic Henning Fritz ins Tor beordert und die Mannschaft zwei Stunden später im Auto-Corso das Rathaus erreicht. Bei einigen Teenies fließen Tränen wie bei Tokio Hotel. Der Rest ist schnell erzählt: Es wird gefeiert, gefeiert, gefeiert.

(Von Frank Molter, aus den Kieler Nachrichten vom 04.06.2007)

Splitter

Spruch des Tages

"Wegen Euch habe ich meinen Vertrag vorzeitig um fünf Jahre verlängert. Und ich möchte Euch hier an dieser Stelle jedes Jahr wieder sehen." - Nikola Karabatic auf dem Rathausbalkon zu den Fans.

Abschied

Ein besonderer Abend für Carsten Prehn. "Heute ist mein letzter Auftritt", sagte der 42-Jährige. "Natürlich wird der THW gewinnen - aber Angst habe ich trotzdem." Der Fernsehjournalist wechselt vom NDR zu Radio Bremen, die Koffer sind gepackt, der Umzug fast vollzogen. Natürlich, so Prehn, verlasse er Kiel mit "zwei weinenden Augen". Allerdings: "Besser wird es nie wieder. Ich habe die alten Haudegen und die junge Garde erlebt. Freuen würde ich mich, wenn die Zebras das Niveau halten."

Ausgeladen

Eigentlich sollte Manfred Werner die Ehrung der Meister übernehmen. Werner ist Mitglied im HBL-Vorstand und Gesellschafter bei der SG Flensburg. Nach den Vorwürfen von SG-Trainer Kent-Harry Andersson, der eine Sperre für Christian Zeitz gefordert hatte (siehe Bericht), strichen die THW-Verantwortlichen Werner aus dem Ablaufplan.

Polizei

Eine ausverkaufte Ostseehalle und mehr als 10 000 Fans auf dem Rathausplatz vor einer Leinwand. Wieviele Polizisten sorgten für Recht und Ordnung? Nur 20 - das ist Handball.

Balic

"Es wird in der nächsten Woche Überraschungen geben", versprach Manager Uwe Schwenker, auf dem Balkon stehend, den THW-Fans. Bewahrheitet sich das Gerücht, dass der Kroate Ivano Balic (28) ein Zebra wird? Der Welthandballer des Jahres 2003 und Mittelmann von Portland San Antonio (Vertrag bis 2009) war nach dem Halbfinal-Aus in der Champions League tief beeindruckt von der Kieler Kulisse. Angeblich ist Ciudad Real zwar bereit, eine Million Euro Ablöse für ihn zu zahlen. Aber, Balic in Kiel, das wäre eine schöne Überraschung.

(Von Tamo Schwarz und Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 04.06.2007)