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12.06.2007 Mannschaft

Zebra-Journal: Auf dem eigenen Weg zum Sieg

Akribisch, erfolgsbesessen, autoritär: Noka Serdarusic will nicht allen gefallen

Aus dem Zebra-Journal der Kieler Nachrichten vom 09.06.2007:

"Ich freue mich innerlich" - Noka Serdarusic.
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In 14 Jahren hat der "Otto Rehhagel des Handballs" mit den "Zebras" alles erreicht, Titel gesammelt wie andere Briefmarken - und nun auch diesen einen, den wertvollsten, den Pokal der Champions League.
Dass Serdarusic nach dem Sieg abtaucht, im Stillen ein, zwei Zigaretten inhaliert, macht er immer so. "Ich freue mich innerlich", sagt er. Es klingt wie eine Entschuldigung, doch es ist keine. Es ist seine Art, sein Weg. Und den geht er geradeaus. Ob er Sponsoren gefällt oder Fan-Erwartungen entspricht - es ist ihm egal, es ist ihm nicht wichtig. Auch mit der Presse spricht er nicht gern. "Er will einfach mit der Mannschaft arbeiten, und mit allem anderen soll man ihn in Ruhe lassen", weiß Uwe Schwenker.

Der THW-Manager und Serdarusic, den alle nur "Noka" nennen ("Zvonimir nennen mich nur Menschen, die mich nicht mögen"), sind wie ein altes Ehepaar. Als die Euphorie nach dem ersten Titel verflogen war, haben sie auch gestritten, oft tagelang nicht miteinander gesprochen, "doch keiner kann ohne den anderen".

Serdarusic weiß, was er an Schwenker hat. Er hat seine letzte Vertragsverlängerung bei den Gesellschaftern, die ihm nur zwölf Monate zubilligen wollten, um drei Jahre bis 2009 durchgeboxt. Er war es auch, der ihn im Winter 1992/93 heimlich in Flensburg weggelockt hat. Als sich Serdarusic noch in der Saison bei der SG offenbarte, hat man ihm sieben Spiele vor Saisonende den Stuhl vor die Tür gesetzt. Das hat er ihnen nie verziehen und sie ihm auch nicht. "Unsere ganze Rivalität", sagt Flensburg-Präsident Frerich Eilts noch heute, "ist darin begründet, dass uns Kiel damals den Trainer abgeworben hat." Auftritte in Flensburg bringen Serdarusic, der Spiele meist stehend mit verschränkten Armen vor der Brust verfolgt, auch immer noch aus der Fassung. Vor allem, wenn ihn Zuschauer attackieren. Dann zeigt er ihnen schon mal den "Effenberg-Finger" oder tippt sich an die Stirn.

Serdarusic ist keiner, der jedem gefällt. Das will er auch nicht. Auch nicht in Kiel, wo er den THW zum Markenartikel geformt hat. Als Dank müssten sie ihn auf dem Exerzierplatz eigentlich in Bronze gießen oder ihm zumindest in der Ostseehalle zu Füßen liegen. Doch das tun sie nicht. Serdarusic polarisiert. Die einen nennen ihn Despot, Feldwebel, einen archaischen Trainer, der nicht in die moderne Handballwelt passt. Die anderen väterlichen Freund, lieben Familienmenschen, weitbesten Coach, so wie Christian Zeitz ("Ich habe keine Freunde, ich habe nur einen Trainer").

Aber in einem sind sich alle einig - Serdarusic ist ein akribischer Arbeiter, der seinen Job liebt und lebt. So hockt er stundenlang in seinem Arbeitszimmer vor zwei Videogeräten, seziert und analysiert die Gegner, schneidet seine Auswertung in einem Kurzfilm zusammen. In anderen Klubs gibt es dafür einen Videowart. Geht es um seinen Job, lässt sich Serdarusic von nichts und niemandem reinreden. Respekt und Disziplin - das sind die Eckpfeiler seiner Führungsphilosophie. "Nur dann wissen die Spieler, dass sie auf dem Feld nicht alles machen können, was sie wollen."

Dabei ist er von einem beseelt: Erfolg. Plaketten für zweite Plätze bedeuten ihm gar nichts. So ließ er vor drei Jahren die Silbermedaille für die Vizemeisterschaft nach dem letzten Spiel achtlos unter dem Stuhl liegen. Aus Medaillen und Trophäen macht er sich ohnehin nichts. "Bei mir zu Hause gibt es keine Pokale oder Schalen. Die verschenke ich an Freunde oder Kinder." Satt ist er nach all den Erfolgen aber immer noch nicht: "Wenn ich heute ausgiebig und fürstlich speise, muss ich dann am nächsten Tag nicht mehr essen?" Dieses Denken - das hat er auch in all den Jahren seinen Spielern vermittelt.

Einer war Michael Magull. Als Serdarusic, der ehemalige Weltklasse-Kreisläufer, der bis 1984 ein Jahr beim THW und drei bei den "Füchsen" in Berlin gespielt hat, 1989 nach Deutschland als Trainer zurückkehrte, war Bad Schwartau seine erste Station. "Wir hatten keine überragenden Leute, waren eine junge Truppe, aber wie er uns seinen Siegeswillen eingeimpft hat, war sensationell. Er hätte uns nachts zum Training wecken können", erinnert sich Magull. Auch an das erste Trainingslager, daran, dass er sich danach neue Jeans kaufen musste: "Ich habe mit den Oberschenkeln nicht mehr
Das sagt der Kapitän
"Noka ist nicht nur ein hervorragender Taktiker, der uns akribisch auf jedes Spiel vorbereitet. Er hat auch den Generationswechsel geschafft. Er hat mit den "Alten" erfolgreich gearbeitet und das gelingt ihm mit den "Jungen" nun auch wieder, obwohl die einen ganz anderen Trainertyp verlangen. Das finde ich richtig stark."
Stefan Lövgren (36)
reingepasst. Er hat uns da an unsere Grenzen geführt. Ich war so platt, aber noch nie so fit." Eine gute Physis - für Serdarusic ist sie noch heute die Grundlage des Erfolgs, seine Trainingsvorbereitung ist gefürchtet. Magull: "Er hat mir aber auch gezeigt, wie ich mich absetzen, bewegen muss, neue taktische Varianten vermittelt. Keiner hat mir so viel beigebracht. Er war der beste Trainer, den ich je hatte." Thomas Knorr, der ihn in Bad Schwartau und Kiel erlebt hat, Wislander, Olsson, Lövgren oder jetzt Karabatic - alle würden das unterschreiben. Knorr: "Für mich war er das Beste, was mir passieren konnte. Ohne ihn wäre ich sicher nicht Nationalspieler geworden." Dass Serdarusic auch "stur sein kann, einen, wenn man nicht so spurt wie er sich das vorstellt, dann schon mal links liegen lässt", hat aber auch er erlebt. Im September wird Serdarusic, der beim Angeln entspannt und dafür auch schon mal nach Alaska reist, 57 Jahre alt. In zwei Jahren läuft sein Vertrag aus. Und danach? "Ich habe Knieprobleme, rauche drei Schachteln Zigaretten am Tag. Was soll ich da noch planen?" Zweierlei will er aber nicht mehr: Mit 60 noch Trainer sein und in seine Heimatstadt zurückkehren. Das Thema hat er seit dem Krieg im ehemaligen Jugoslawien abgehakt. Nach seiner aktiven Zeit hatte er mit seiner Frau Mirjana in Mostar eine neue Existenz aufgebaut, 400000 Mark in ein Restaurant investiert. Ärger mit einem Verwalter und Kriegsschäden ließen es zu einem Rest schrumpfen, "für den ich gerade noch 50000 Mark bekommen habe". Serdarusic, seit Mai 1998 deutscher Staatsbürger, will in Kiel bleiben. Hier fühlt er sich wohl, trifft sich gern mit Freunden im Restaurant "Rijeka" oder bei "Toni's", seinem Lieblingsitaliener am Hafen. Hier hat er in Russee, nur einen Steinwurf von der Trainingshalle entfernt, ein Haus gebaut. Und hier ist er seiner Enkelin nahe, "die ich über alles liebe". Die Hochzeit der heute Achtjährigen mitzuerleben, das wäre für ihn das Größte. Bei solchen Gedanken ist der Handball für ihn weit weg. Aber es ist einer der seltenen Momente im Leben des "Noka" Serdarusic.

(Aus dem Zebra-Journal der Kieler Nachrichten vom 09.06.2007)


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