Aus dem Zebra-Journal der Kieler Nachrichten vom 09.06.2007:
Stefan Lövgren
ist der Kopf der THW-Mannschaft. Vor dem
Saisonfinale äußerte
sich der 36-jährige Schwede gelöst über die Vergangenheit, die aktuelle
Saison und seine Zukunft auf und abseits des Spielfeldes.
- Zebra-Journal:
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Herr Lövgren, können Sie sich noch an Ihr erstes Spiel für den THW Kiel
erinnern?
- Stefan Lövgren:
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Nein, kann ich nicht. So etwas ist nicht meine Sache. Ich kenne
kaum noch das Endergebnis vom letzten Spiel. Das muss man Thierry Omeyer
fragen, der ist unglaublich, kennt sogar Ergebnisse aus der schwedischen
Fußball-Liga.
- Zebra-Journal:
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Wie hat sich Ihre Rolle in der Mannschaft seitdem verändert?
- Stefan Lövgren:
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Als ich in Kiel anfing, war ich der Jüngste, heute versuche ich, mich in der
Mitte zwischen Mannschaft und Trainer zu halten - vielleicht eher als
Diplomat denn als Kapitän. Man muss erst einmal verstehen, wie
Noka Serdarusic Handball denkt. Dabei
kann ich jüngeren Spielen helfen. Nur manchmal muss ich Dinge direkt
ansprechen und es wird laut. Wichtig ist, dass jeder versteht, dass wir alle
in dieselbe Richtung laufen wollen. Dann muss man die jungen Spieler, die
heiß sind, auch schon 'mal von der Decke zurückholen, damit sie sich wieder
auf taktische Dinge konzentrieren.
- Zebra-Journal:
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Sie leben seit 1998 in Deutschland, seit 1999 in Kiel, haben einen Vertrag
bis 2008 beim THW. Wie sieht die Zukunft von Ihnen, Ihrer Frau Ann-Sofie
sowie Linus (7) und Thea (4) aus?
- Stefan Lövgren:
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Für uns war es damals ein Abenteuer, nach
Deutschland zu gehen, und jetzt ist mehr daraus geworden. Aber für uns ist es
nicht mehr ein Leben im Ausland. Unsere Kinder sind hier geboren, haben ihre
Freunde hier, verbringen elf Monate im Jahr in Deutschland, sind mehr deutsch
als schwedisch. In Schweden sind nur Oma, Opa und ein paar Cousinen. Das
macht es schwierig. Zuerst wollten wir zurück nach Schweden, bevor die Kinder
kommen. Dann, bevor sie in den Kindergarten kommen. Dann, bevor die Schule
anfängt...
- Zebra-Journal:
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Das klingt, als fühlten Sie sich verpflichtet, in Deutschland zu bleiben...
- Stefan Lövgren:
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Ich weiß wirklich noch nicht, was nach 2008 sein
wird. Aber irgendwann wollen wir zurück.
- Zebra-Journal:
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Können Sie sich vorstellen, als Trainer zu arbeiten?
- Stefan Lövgren:
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Ab und zu denke ich dass es nicht meine Sache wäre. Zwei Wochen später kann da; schon wieder
anders aussehen. Manchmal fühle ich dass ein Jahr ganz ohne Handball
vielleicht nicht schlecht wäre. Um herauszufinden, ob mir Handball fehlen
würde.
- Zebra-Journal:
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Haben Sie in beruflicher Hinsicht einen "Plan B" abseits des Sports?
- Stefan Lövgren:
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Ich bin ausgebildet als Bürokommunikationskaufmann. Verkäufer - das liegt
mir. Ich will noch nicht zu viel planen, denn dann habe ich schon halbwegs mit dem Handball aufgehört.
Mir ist auch wichtig, wie die Vorstellungen meiner Frau aussehen. Wir haben
uns jetzt ein Haus in Kungälv, außerhalb von Göteborg, gekauft.
- Zebra-Journal:
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Wie hat sich der Handballsport innerhalb Ihrer Profikarriere verändert?
- Stefan Lövgren:
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Der Sport ist schneller, dynamischer geworden. Die jungen Spieler kommen mit
einer unglaublich guten Physis nach oben, es wird im Jugendbereich besser trainiert.
Leider ist auch der Spielplan mehr und mehr gewachsen durch EM, WM und
Champions League. Handball ist härter geworden, aber die Spieler sind auch
besser trainiert. Es gibt aber nicht mehr so viele "Schläger" in der Abwehr,
nicht mehr so viele dumme Fouls. Dafür haben die Belastungs-Verletzungen
zugenommen.
- Zebra-Journal:
-
Heißt das, dass sich die Spieler eine kleinere Bundesliga oder weniger
Champions-League-Spiele wünschen?
- Stefan Lövgren:
-
Das ist ein kompliziertes Thema, bei dem alle an einem Strang ziehen müssten.
Zwei Mannschaften weniger in der Bundesliga wären schon besser. Und auch ein
besserer Rhythmus aus Europa- und Weltmeisterschaft.
Außerdem ist die zweite Gruppenphase in der Champions League total unnötig.
Ich verstehe das nicht: Die Champions League, wie sie jetzt ist, funktioniert
finanziell und kommt gut bei den Zuschauern an. Und trotzdem versuchen die
Verantwortlichen schon jetzt, etwas zu verändern.
- Zebra-Journal:
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Angesichts dieser Belastung: Wo sehen Sie Nikola Karabatic in zwei, drei
Jahren?
- Stefan Lövgren:
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In den nächsten Jahren sehe ich keine Gefahr, aber mit 38 wird er nicht mehr
spielen. Die Spieler von heute können, wenn sie bei einem großen Verein auch
Europapokal und zusätzlich in der Nationalmannschaft spielen, nicht mehr so
lange durchhalten. Man muss sich heute zwischen Verein,
Nationalmannschaft und eigener Gesundheit entscheiden.
- Zebra-Journal:
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Wie ist Ihre Meinung zu einer Quote für deutsche Spielerin den Bundesliga-Teams,
wie sie Bundestrainer Heiner Brand fordert?
- Stefan Lövgren:
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Es ist schwer, sich dazu
als Ausländer zu äußern. Ich finde, ein Spieler sollte in einer Mannschaft
stehen, weil er die
nötige Qualität hat und nicht eine bestimmte Staatsangehörigkeit. Stattdessen
könnte man die Kooperation mit dem Zweitligisten TSV Altenholz ausbauen. Dann
könnten sich mehr junge Spieler, die bei uns mittrainieren, dort
beweisen.
Dieses Thema muss auf jeden Fall diskutiert werden.
- Zebra-Journal:
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Wie groß waren Ihre Zweifel vor der Finalspielen in der Champions League?
- Stefan Lövgren:
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Vor dem ersten Finale gegen Flensburg habe ich gezweifelt Nach dem ersten
Finale überhaupt nicht mehr. Die Mannschaft hatte gemerkt: Wie sollen die
uns zu Hause in der Ostseehalle stoppen?
- Zebra-Journal:
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Anschließend kam die Niederlage in Kronau. Hielten Sie es dann auch noch für
möglich, dass diese Mannschaft Deutscher Meister wird?
- Stefan Lövgren:
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Mir war klar, dass wir
ein oder zwei Spiele verlieren würden. Die Frage war nur, was der HSV machen
würde. Die Niederlage kam natürlich zu früh, und uns war klar, dass es sehr
schwer werden würde. Aber an der Möglichkeit habe ich nie gezweifelt.
- Zebra-Journal:
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Welche Rolle hat Andrei Xepkin in der Mannschaft gespielt?
- Stefan Lövgren:
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Eine größere Rolle
als wir und auch Noka uns hatten vorstellen können. Wir haben einen Spieler
gefunden, der auch perfekt mit der Art und Weise von Nikola Karabatic, in der
Abwehr zu spielen, harmoniert hat. Es hat einfach gepasst. Auch als Typ war
Andrei einfach unglaublich, ein lustiger Typ. Er war Jahre lang ein großer
Gegner und kam aus dem Nichts in die Mannschaft.
(Aus dem Zebra-Journal der Kieler Nachrichten vom 09.06.2007)