Von Björn Pazen, erschienen auf ehfcl.com:
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Nikola Karabatic: "Als wir die Trophäe
in Händen hielten, war das der schönste Moment meiner
Karriere."
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Der THW Kiel war national und international der
überragende Klub der vergangenen Saison: Deutsche
Meisterschaft, deutscher Pokal und als Krönung des
Triples der erste Titel in der Champions League.
Der THW verfügt über zahlreiche Weltklasse-Spieler,
doch einer ragte über den Rest hinaus - auch wenn
er selbst das nie zugeben würde: der Franzose
Nikola Karabatic. In
Deutschland wurde er zum Spieler der Saison gewählt,
in der Champions League wurde er Torschützenkönig.
Im Interview gibt der 23-Jährige vor dem Start der
Champions League Einblicke in seine Zukunftsplanungen,
seine Bedenken angesichts des immer praller gefüllten
Spielplans, und er äußert sich auch zur Rolle des
Gejagten in drei Wettbewerben.
- ehfcl.com:
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Sie sind 23 Jahre alt und haben bereits zweimal -
mit Montpellier und Kiel - die Champions League
gewonnen. Welche Ziele hat man dann überhaupt noch?
- Nikola Karabatic:
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Die Champions League ist auf Vereinsebene immer
das höchste Ziel, das man erreichen kann. Diesen
Titel mit 23 Jahren schon zweimal gewonnen zu haben,
ist nicht schlecht. Aber dieses Ziel immer wieder
zu erreichen, ist mein Traum. Es wird immer schwerer,
die Königsklasse zu gewinnen, denn mittlerweile
spielen je vier Teams aus Spanien und Deutschland
mit, das war während meiner Zeit in Montpellier anders.
Aber wenn man die Champions League einmal gewinnt, will
man das immer wieder wiederholen. Ich habe Blut geleckt,
mein Hunger auf diesen Titel ist noch nicht gestillt.
Wir haben diesen Pokal endlich in unserem Trophäenraum,
jetzt soll dieser Raum noch größer werden. Mein
persönliches Ziel ist, Andrei Xepkin
zu überholen, der hat die Champions League bekanntlich
siebenmal gewonnen.
- ehfcl.com:
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Flensburgs Routinier Lars Christianssen hat gesagt,
es sei besser, wenn man der Jäger und nicht der Gejagte
ist. Wie gehen Sie und wie geht Kiel mit diesem Druck um?
- Nikola Karabatic:
-
Jeder sagt, wir hätten ein Team, das unschlagbar ist.
Aber das Schöne am Sport ist, das alles passieren kann.
Wir haben keinen besonderen Druck in dieser Saison, Kiel
hatte den Druck stets in den Vorjahren, weil der THW
bis dato nie die Champions League gewonnen hatte. Jetzt
haben wir es geschafft, der Druck ist weg. Wir können
diesen Titel mit dieser tollen Mannschaft wiederholen,
aber uns ist niemand böse, wenn es nächste Saison nicht
klappt. Aber wir geben natürlich alles dafür, um diesen
Erfolg zu wiederholen.
- ehfcl.com:
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Sie waren Torschützenkönig der vergangenen Saison und
hatten dadurch auch die Ehre, die Gruppenauslosung für
die neue Spielzeit vorzunehmen. Angeblich haben Sie
vorher geahnt, dass Sie Ihren Ex-Klub Montpellier als
Kieler Gegner ziehen würden...
- Nikola Karabatic:
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Ich wollte unbedingt Montpellier ziehen - und das hat
geklappt. Montpellier ist ein besonderer Verein. Ich
habe zehn Jahre dort gelebt, ich mag diese Stadt und
freue mich darauf, die Spieler wiederzutreffen. Vor der
Auslosung sagte unser Manager Uwe Schwenker:
Nikola, ziehe uns bitte Montpellier und Hammarby, wo
unser Ex-Spieler Staffan Olsson
Trainer ist. Ich sagte: O.k, das mache ich, aber nur,
wenn wir dann in Montpellier übernachten und ich bei
meiner Familie bleiben kann. Also zog ich die richtigen
Lose.
- ehfcl.com:
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Wie schätzen Sie die Gruppengegner Motpellier, Hammarby
und Constanta ein?
- Nikola Karabatic:
-
Montpellier ist sehr stark, die dürfen wir nicht
unterschätzen, vor allem wegen der großen Erfahrung,
über die die Spieler verfügen. Aber auch Hammarby hat
seine Qualitäten. Man muss allen Gegnern Respekt zollen,
sonst verliert man auch schon mal ein eigentlich
leichtes Spiel.
- ehfcl.com:
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Wo ist die Belastung größer, in der Bundesliga
oder in der Champions League?
- Nikola Karabatic:
-
Die Kombination aus beidem ist das Problem. Es werden
immer mehr Spiele, auch dadurch, dass die Champions
League nun eine zweite Gruppenphase beinhaltet. Das ist
für Handball alles zu viel. Denn es sind ja nicht nur
die Spiele mit dem Verein. In dieser Saison stehen
noch die EM, die WM-Qualifikation, die Olympia-Qualifikation
und - wenn wir es mit Frankreich schaffen - auch
Olympia an. Dieses Programm ist zu heftig.
- ehfcl.com:
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Wie lange hält Ihr Körper diese Strapazen noch aus?
- Nikola Karabatic:
-
Ich habe es zwei Jahre geschafft, und hoffe, dass ich
noch ein paar Jahre spielen kann. Die Belastung ist extrem,
die Verantwortlichen sollten auch einmal an die Spieler
denken. Wenn alle verletzt sind, wird das Spektakel weniger.
Das sind so viele Spiele, und die Belastung im Handball
ist viel höher als im Basketball oder im Fußball.
- ehfcl.com:
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Zurück zur Champions League: Sie haben mit 19 Jahren
mit Montpellier den Titel gewonnen und mit 23 Jahren
mit Kiel. Welcher Sieg hatte einen größeren Stellenwert
für Sie?
- Nikola Karabatic:
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Das waren zwei völlig unterschiedliche Gefühlswelten.
Der Titel mit Montpellier war eine Riesenüberraschung.
Niemand hatte mit uns gerechnet, spätestens nach der
deutlichen Niederlage im Finalhinspiel in Pamplona hatten
wir überhaupt keinen Druck mehr, niemand gab einen Cent
auf uns. Es war der erste Riesenerfolg in meiner Karriere.
Das war etwas Besonderes. Der zweite Titel mit Kiel war
ganz anders und hatte einen anderen Stellenwert. Es war
viel schwerer, die Champions League zu gewinnen, da die
Konkurrenz viel stärker war. Zudem hatten wir viel mehr
Druck. Trotz unserer Verletzungsmisere waren wir der
Favorit. Ich hatte in meinem ganzen Leben noch nie so
viel Druck wie vor diesen Finalspielen. Aber das Besondere
an diesem Titel war, dass wir dem Druck stand gehalten
haben und trotzdem gewonnen haben. Als wir die Trophäe
in Händen hielten, war das der schönste Moment meiner
Karriere, es war ein Gefühl, das man nicht beschreiben
kann.
- ehfcl.com:
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Zu allen Mannschaftstiteln gewannen Sie auch noch
die Torjägerkrone in der Champions League. Was bedeutet
Ihnen diese Auszeichnung?
- Nikola Karabatic:
-
Ich hatte erst vor dem Finale erfahren, dass ich vorne
lag, das war mir eigentlich auch egal, denn der Erfolg
mit der Mannschaft ist mir viel wichtiger. Ich schaue
nicht so auf meine Tore. Natürlich ist es eine große Ehre
und Auszeichnung für mich, aber im Endeffekt ist das
nicht so wichtig wie zum Beispiel ein Finaleinzug. Der
Champions-League-Titel ist mir 1000 Mal wichtiger als die
Torjägerkrone. Aber ein Gutes hatte der Titel schon
gehabt: Ich durfte in Wien die Auslosung vornehmen.
- ehfcl.com:
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Ihr Vertrag in Kiel lief aus, und trotz zahlreicher
Angebote von internationalen Topclubs haben Sie Ihren
Kontrakt gleich bis 2012 beim THW verlängert. Was
waren Ihre Gründe für diese lange Laufzeit?
- Nikola Karabatic:
-
Die Mannschaft ist perfekt, ich will hier nie weg,
der Verein ist für mich wie eine zweite Familie
geworden, denn ich habe hier nicht nur Mannschaftskollegen,
sondern echte Freunde gefunden. Ich fühle mich in Kiel
total wohl, und das ist mir sehr wichtig.
- ehfcl.com:
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Welche Bedeutung hat dabei Ihr Trainer Noka Serdarusic?
- Nikola Karabatic:
-
Eine ganz entscheidende. Noka ist superwichtig, er hat
mir so viel beigebracht. Als ich 2005 in Kiel unterschrieb,
war er der entscheidende Faktor, erst dann die Mannschaft.
Noka ist der beste Trainer der Welt, er weiß alles über
Handball, er kann mich richtig weiterbringen.
- ehfcl.com:
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In der vergangenen Saison war Kiel national und
international der Überflieger, in dieser Spielzeit
haben Sie bereits den nationalen Super-Cup gewonnen.
Wie wichtig ist es für Sie und den THW, das Triple
zu wiederholen?
- Nikola Karabatic:
-
Wir wollen es schaffen, dass wir jedes Spiel gewinnen -
das ist eben die Philosophie beim THW. Und am Ende der
Saison zählen wir unsere Trophäen.
- ehfcl.com:
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Kiel als Titelverteidiger geht wieder als großer
Favorit in die neue Champions-League-Saison. Im
vergangenen Jahr haben die deutschen Vereine die
Dominanz aus Spanien beendet. Glauben Sie, dass
überhaupt ein Club, der nicht aus Deutschland
oder Spanien kommt, die Champions League gewinnen
kann?
- Nikola Karabatic:
-
In dieser Saison gehe ich nicht davon aus, in
zwei bis drei Jahren ist diese Möglichkeit vielleicht
wieder gegeben. Möglicherweise haben dann Montpellier
oder Celje - dank der tollen Halle, der tollen Fans
und der echten Handball-Kultur dort - eine Chance, in
diese Dominanz einzudringen. Aber ich gehe davon aus,
dass der Champions-League-Sieger in dieser Saison aus
Spanien oder Deutschland kommt.
- ehfcl.com:
-
Das heißt, die Konkurrenten um die Titelverteidigung
sind die gleichen wie immer?
- Nikola Karabatic:
-
Ja, sie kommen aus Spanien und Deutschland -
insgesamt also acht Vereine.
- ehfcl.com:
-
Haben Sie - national oder international gesehen -
eigentlich einen Lieblingsgegner?
- Nikola Karabatic:
-
Nein, den Lieblingsgegner gibt es für mich
nicht. Ich spiele am liebsten gegen die besten Teams
der Welt, sei es nun Flensburg, Ciudad Real oder Barcelona.
Solche Partien haben ihren besonderen Reiz, ihren
besonderen Kick und machen besonders viel Spaß - da
ist meine Motivation besonders groß.
- ehfcl.com:
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Sie waren der erste Franzose in Kiel, mittlerweile
spielen auch Thierry Omeyer
und Igor Anic beim THW.
Wird Kiel eine französische Kolonie?
- Nikola Karabatic:
-
Die Bundesliga schaut immer mehr auf Frankreich,
siehe Spieler wie Thierry, die Gille-Brüder, Narcisse
oder Abati. Man weiß in Deutschland mittlerweile
uns Franzosen zu schätzen. Wir können viel helfen
und geben alles für unsere Vereine. Und diese Entwicklung
ist gut für alle Seiten: Die deutschen Vereine, die
Bundesliga, aber auch die französische Nationalmannschaft.
(Das Gespräch führte Björn Pazen, erschienen auf ehfcl.com)