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28.09.2007 Interview

Interview mit Nikola Karabatic: "Der THW ist meine zweite Familie"

Von Björn Pazen, erschienen auf ehfcl.com:

Nikola Karabatic: "Als wir die Trophäe  in Händen hielten, war das der schönste Moment meiner  Karriere."
Klicken Sie für weitere Infos! Nikola Karabatic: "Als wir die Trophäe in Händen hielten, war das der schönste Moment meiner Karriere."

Der THW Kiel war national und international der überragende Klub der vergangenen Saison: Deutsche Meisterschaft, deutscher Pokal und als Krönung des Triples der erste Titel in der Champions League. Der THW verfügt über zahlreiche Weltklasse-Spieler, doch einer ragte über den Rest hinaus - auch wenn er selbst das nie zugeben würde: der Franzose Nikola Karabatic. In Deutschland wurde er zum Spieler der Saison gewählt, in der Champions League wurde er Torschützenkönig. Im Interview gibt der 23-Jährige vor dem Start der Champions League Einblicke in seine Zukunftsplanungen, seine Bedenken angesichts des immer praller gefüllten Spielplans, und er äußert sich auch zur Rolle des Gejagten in drei Wettbewerben.
ehfcl.com:
Sie sind 23 Jahre alt und haben bereits zweimal - mit Montpellier und Kiel - die Champions League gewonnen. Welche Ziele hat man dann überhaupt noch?
Nikola Karabatic:
Die Champions League ist auf Vereinsebene immer das höchste Ziel, das man erreichen kann. Diesen Titel mit 23 Jahren schon zweimal gewonnen zu haben, ist nicht schlecht. Aber dieses Ziel immer wieder zu erreichen, ist mein Traum. Es wird immer schwerer, die Königsklasse zu gewinnen, denn mittlerweile spielen je vier Teams aus Spanien und Deutschland mit, das war während meiner Zeit in Montpellier anders. Aber wenn man die Champions League einmal gewinnt, will man das immer wieder wiederholen. Ich habe Blut geleckt, mein Hunger auf diesen Titel ist noch nicht gestillt. Wir haben diesen Pokal endlich in unserem Trophäenraum, jetzt soll dieser Raum noch größer werden. Mein persönliches Ziel ist, Andrei Xepkin zu überholen, der hat die Champions League bekanntlich siebenmal gewonnen.
ehfcl.com:
Flensburgs Routinier Lars Christianssen hat gesagt, es sei besser, wenn man der Jäger und nicht der Gejagte ist. Wie gehen Sie und wie geht Kiel mit diesem Druck um?
Nikola Karabatic:
Jeder sagt, wir hätten ein Team, das unschlagbar ist. Aber das Schöne am Sport ist, das alles passieren kann. Wir haben keinen besonderen Druck in dieser Saison, Kiel hatte den Druck stets in den Vorjahren, weil der THW bis dato nie die Champions League gewonnen hatte. Jetzt haben wir es geschafft, der Druck ist weg. Wir können diesen Titel mit dieser tollen Mannschaft wiederholen, aber uns ist niemand böse, wenn es nächste Saison nicht klappt. Aber wir geben natürlich alles dafür, um diesen Erfolg zu wiederholen.
ehfcl.com:
Sie waren Torschützenkönig der vergangenen Saison und hatten dadurch auch die Ehre, die Gruppenauslosung für die neue Spielzeit vorzunehmen. Angeblich haben Sie vorher geahnt, dass Sie Ihren Ex-Klub Montpellier als Kieler Gegner ziehen würden...
Nikola Karabatic:
Ich wollte unbedingt Montpellier ziehen - und das hat geklappt. Montpellier ist ein besonderer Verein. Ich habe zehn Jahre dort gelebt, ich mag diese Stadt und freue mich darauf, die Spieler wiederzutreffen. Vor der Auslosung sagte unser Manager Uwe Schwenker: Nikola, ziehe uns bitte Montpellier und Hammarby, wo unser Ex-Spieler Staffan Olsson Trainer ist. Ich sagte: O.k, das mache ich, aber nur, wenn wir dann in Montpellier übernachten und ich bei meiner Familie bleiben kann. Also zog ich die richtigen Lose.
ehfcl.com:
Wie schätzen Sie die Gruppengegner Motpellier, Hammarby und Constanta ein?
Nikola Karabatic:
Montpellier ist sehr stark, die dürfen wir nicht unterschätzen, vor allem wegen der großen Erfahrung, über die die Spieler verfügen. Aber auch Hammarby hat seine Qualitäten. Man muss allen Gegnern Respekt zollen, sonst verliert man auch schon mal ein eigentlich leichtes Spiel.
ehfcl.com:
Wo ist die Belastung größer, in der Bundesliga oder in der Champions League?
Nikola Karabatic:
Die Kombination aus beidem ist das Problem. Es werden immer mehr Spiele, auch dadurch, dass die Champions League nun eine zweite Gruppenphase beinhaltet. Das ist für Handball alles zu viel. Denn es sind ja nicht nur die Spiele mit dem Verein. In dieser Saison stehen noch die EM, die WM-Qualifikation, die Olympia-Qualifikation und - wenn wir es mit Frankreich schaffen - auch Olympia an. Dieses Programm ist zu heftig.
ehfcl.com:
Wie lange hält Ihr Körper diese Strapazen noch aus?
Nikola Karabatic:
Ich habe es zwei Jahre geschafft, und hoffe, dass ich noch ein paar Jahre spielen kann. Die Belastung ist extrem, die Verantwortlichen sollten auch einmal an die Spieler denken. Wenn alle verletzt sind, wird das Spektakel weniger. Das sind so viele Spiele, und die Belastung im Handball ist viel höher als im Basketball oder im Fußball.
ehfcl.com:
Zurück zur Champions League: Sie haben mit 19 Jahren mit Montpellier den Titel gewonnen und mit 23 Jahren mit Kiel. Welcher Sieg hatte einen größeren Stellenwert für Sie?
Nikola Karabatic:
Das waren zwei völlig unterschiedliche Gefühlswelten. Der Titel mit Montpellier war eine Riesenüberraschung. Niemand hatte mit uns gerechnet, spätestens nach der deutlichen Niederlage im Finalhinspiel in Pamplona hatten wir überhaupt keinen Druck mehr, niemand gab einen Cent auf uns. Es war der erste Riesenerfolg in meiner Karriere. Das war etwas Besonderes. Der zweite Titel mit Kiel war ganz anders und hatte einen anderen Stellenwert. Es war viel schwerer, die Champions League zu gewinnen, da die Konkurrenz viel stärker war. Zudem hatten wir viel mehr Druck. Trotz unserer Verletzungsmisere waren wir der Favorit. Ich hatte in meinem ganzen Leben noch nie so viel Druck wie vor diesen Finalspielen. Aber das Besondere an diesem Titel war, dass wir dem Druck stand gehalten haben und trotzdem gewonnen haben. Als wir die Trophäe in Händen hielten, war das der schönste Moment meiner Karriere, es war ein Gefühl, das man nicht beschreiben kann.
ehfcl.com:
Zu allen Mannschaftstiteln gewannen Sie auch noch die Torjägerkrone in der Champions League. Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung?
Nikola Karabatic:
Ich hatte erst vor dem Finale erfahren, dass ich vorne lag, das war mir eigentlich auch egal, denn der Erfolg mit der Mannschaft ist mir viel wichtiger. Ich schaue nicht so auf meine Tore. Natürlich ist es eine große Ehre und Auszeichnung für mich, aber im Endeffekt ist das nicht so wichtig wie zum Beispiel ein Finaleinzug. Der Champions-League-Titel ist mir 1000 Mal wichtiger als die Torjägerkrone. Aber ein Gutes hatte der Titel schon gehabt: Ich durfte in Wien die Auslosung vornehmen.
ehfcl.com:
Ihr Vertrag in Kiel lief aus, und trotz zahlreicher Angebote von internationalen Topclubs haben Sie Ihren Kontrakt gleich bis 2012 beim THW verlängert. Was waren Ihre Gründe für diese lange Laufzeit?
Nikola Karabatic:
Die Mannschaft ist perfekt, ich will hier nie weg, der Verein ist für mich wie eine zweite Familie geworden, denn ich habe hier nicht nur Mannschaftskollegen, sondern echte Freunde gefunden. Ich fühle mich in Kiel total wohl, und das ist mir sehr wichtig.
ehfcl.com:
Welche Bedeutung hat dabei Ihr Trainer Noka Serdarusic?
Nikola Karabatic:
Eine ganz entscheidende. Noka ist superwichtig, er hat mir so viel beigebracht. Als ich 2005 in Kiel unterschrieb, war er der entscheidende Faktor, erst dann die Mannschaft. Noka ist der beste Trainer der Welt, er weiß alles über Handball, er kann mich richtig weiterbringen.
ehfcl.com:
In der vergangenen Saison war Kiel national und international der Überflieger, in dieser Spielzeit haben Sie bereits den nationalen Super-Cup gewonnen. Wie wichtig ist es für Sie und den THW, das Triple zu wiederholen?
Nikola Karabatic:
Wir wollen es schaffen, dass wir jedes Spiel gewinnen - das ist eben die Philosophie beim THW. Und am Ende der Saison zählen wir unsere Trophäen.
ehfcl.com:
Kiel als Titelverteidiger geht wieder als großer Favorit in die neue Champions-League-Saison. Im vergangenen Jahr haben die deutschen Vereine die Dominanz aus Spanien beendet. Glauben Sie, dass überhaupt ein Club, der nicht aus Deutschland oder Spanien kommt, die Champions League gewinnen kann?
Nikola Karabatic:
In dieser Saison gehe ich nicht davon aus, in zwei bis drei Jahren ist diese Möglichkeit vielleicht wieder gegeben. Möglicherweise haben dann Montpellier oder Celje - dank der tollen Halle, der tollen Fans und der echten Handball-Kultur dort - eine Chance, in diese Dominanz einzudringen. Aber ich gehe davon aus, dass der Champions-League-Sieger in dieser Saison aus Spanien oder Deutschland kommt.
ehfcl.com:
Das heißt, die Konkurrenten um die Titelverteidigung sind die gleichen wie immer?
Nikola Karabatic:
Ja, sie kommen aus Spanien und Deutschland - insgesamt also acht Vereine.
ehfcl.com:
Haben Sie - national oder international gesehen - eigentlich einen Lieblingsgegner?
Nikola Karabatic:
Nein, den Lieblingsgegner gibt es für mich nicht. Ich spiele am liebsten gegen die besten Teams der Welt, sei es nun Flensburg, Ciudad Real oder Barcelona. Solche Partien haben ihren besonderen Reiz, ihren besonderen Kick und machen besonders viel Spaß - da ist meine Motivation besonders groß.
ehfcl.com:
Sie waren der erste Franzose in Kiel, mittlerweile spielen auch Thierry Omeyer und Igor Anic beim THW. Wird Kiel eine französische Kolonie?
Nikola Karabatic:
Die Bundesliga schaut immer mehr auf Frankreich, siehe Spieler wie Thierry, die Gille-Brüder, Narcisse oder Abati. Man weiß in Deutschland mittlerweile uns Franzosen zu schätzen. Wir können viel helfen und geben alles für unsere Vereine. Und diese Entwicklung ist gut für alle Seiten: Die deutschen Vereine, die Bundesliga, aber auch die französische Nationalmannschaft.
(Das Gespräch führte Björn Pazen, erschienen auf ehfcl.com)


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