THW-Logo
04.10.2007 Mannschaft

Kieler Nachrichten: Wo Karabatic seine Wurzeln hat

Besuch bei der Familie des verletzten THW-Stars in Südfrankreich - Handball ist nur ein Teil des Geschäfts

Aus den Kieler Nachrichten vom 04.10.2007:

Montpellier - Auch einen Tag nach dem 34:32-Sieg des Handballmeisters THW Kiel in Montpellier gab es bei Familie Karabatic nur ein Thema - die Verletzung von Nikola und das Foul des Tunesiers Issam Tej. In ihrem gemütlichen Ziegelsteinhaus in dem 2000-Seelen-Ort Vic la Gardiole, 20 Autominuten von Montpellier entfernt, lassen sie im Wohnzimmer immer wieder die aufgezeichnete Szene ablaufen.
Familie Karabatic ist nicht allein. "Das ist ein offenes Haus", sagt Nikolas Vater Branko. Diesmal ist neben der Nachbarschaft auch die Familie von Igor Anic, dem jüngsten Montpellier-Zuwachs des THW Kiel, zu Gast. Gleich wird es eine dieser ausgiebigen Mahlzeiten mit Hühnchen, geräuchertem Schinken, Käse in Blätterteig und Nudelsalat geben, die sich mit Rotwein und Plausch über Stunden hinziehen wird. Eben ein Sonntag im Hause der Familie Karabatic, die ihre Wurzeln in Kroatien und Serbien nicht vergessen haben.

Doch zuvor muss Klarheit geschaffen werden. Die Zeitlupe auf dem riesigen Plasmaschirm, ein Geschenk Nikolas, läuft und während Mutter Lala (47) auch bei der Wiederholung noch schockiert darüber ist, wie hart ihr Ältester aufprallt, gerät ihr Mann in Rage. "Das ist eine Schande", schimpft er. "Tej ist nicht Montpellier. Er schlägt im Training sogar die eigenen Kollegen", sagt der 52-Jährige, der Torwarttrainer beim neunfachen französischen Meister ist.

Seit 15 Jahre wohnt die Familie in Nähe von Montpellier, nur wenige Meter vom Mittelmeer entfernt. Branko, 47-facher Nationalspieler Jugoslawiens, trainierte nach dem Ende seiner Torwartkarriere den Vorortclub Frontignan, in dem Nikola als Siebenjähriger die ersten Bälle warf. Als Lehrer übernahm er auch den Sportunterricht seiner beiden Söhne: "Nikola war immer ganz vorne. Egal ob mit dem Ball, dem Speer oder beim Laufen."

Vater, Trainer, Lehrer - für Kiels Sportler des Jahres, der heute noch täglich mit Papa telefoniert, um den Alltag zu besprechen, war dies lange Zeit die gleiche Person. "Damit hatte er keine Probleme", sagt Bruder Luka (19), selbst ein sehr talentierter Tennisspieler. "Im Gegenteil, er hat sich sogar darüber gefreut." Im Schatten seines populären Bruders zu stehen, der als 19-Jähriger erstmals die Champions League gewann, ist für den 2,01-Meter-Schlacks kein Problem. "Ich bin stolz auf ihn. Gewinnt er, habe ich das Gefühl, wir haben es gemeinsam erreicht." Wenn Nikola seine Familie besucht, räumen sie noch immer die Matratzen in eines der rund 13 Quadratmeter großen Kinderzimmer, um sich nah zu sein."Nikola wollte immer der Beste sein", weiß Luka, der wie sein Bruder schicke Mode liebt und eine Dolce&Gabbana-Brille trägt. "Im Sport und in der Schule. Beides ist ihm gelungen. Er war sogar ein Mathe-Genie." Erinnert er sich an die Kindheit, dann sieht er seinen Bruder nur mit Ball in der Hand. Torwart wollte Nikola werden, wie sein Vater. Doch der erlaubte das nicht. "Das hätte nur Konflikte gegeben." Mit 15 ging sein Stern bei einem Turnier in St. Raphael auf, als die Jugend Frankreichs Spanien besiegte. Der damals schon 1,84 Meter große Rechtshänder warf als Benjamin im Team 15 Tore. Trotz Manndeckung. "Er war schon damals ein Top-Athlet mit einem großen Kämpferherzen", erinnert sich Branko an diesen Moment, als wäre es gestern gewesen. "An diesem Tag wurde allen klar, dass er einmal ein Großer werden wird."

Wie groß, konnte auch Branko nicht ahnen, der die Rundumversorgung für seinen Sohn auf mehrere Schultern verteilte, als der mit 17 seinen ersten Profivertrag bei Montpellier HB unterzeichnete. "Die Entwicklung hatte eine neue Stufe erreicht", meint Bhakti Ong, der sich seitdem als Berater um den 97-fachen Nationalspieler kümmert. "Jetzt begann das Geschäft." Der Mann aus Aux-en-Provence hat mittlerweile 35 Spieler unter Vertrag, unter anderem auch den zum "Bösewicht" abgestempelten Tej. "Er hat Nikola absichtlich berührt", meint Ong. "Ein Reflex. Foulen wollte er ihn nicht."

Obwohl derzeit verletzt, läuft die Welt, die Ong und Nikolas Vater inzwischen um ihn aufgebaut haben, rund. "Am Ende seiner Karriere wird er als Geschäftsmann mehr Geld verdient haben, als als Sportler", meint Ong, der zuletzt 450 000 Euro Jahresgehalt für seinen Klienten beim THW aushandelte und Kiel noch viele Jahre mit "Kara" verspricht. "Sein Traum ist, dass sein Bild eines Tages an der Decke der Ostseehalle hängen wird. Dafür muss er hier zehn Jahre spielen."

Die französische "Karakom.sports" (Geschäftsführer Branko, 51-Prozent-Teilhaber Nikola), einst mit einem kleinen 6000-Euro-Vertrag von Sponsor adidas preisgünstig gegründet, vermarktet die Werberechte für den Handballer, der sich in den Tagen der Rugby-WM in Frankreich mit anderen prominenten Athleten als Model an den Bushaltestellen abwechselt. Eine private Bank (UFF Sports) kümmert sich um Investitionen in Grundbesitz, ein Angestellter um die Homepage, Ong um die Verträge. "In dieser Galaxie ist Branko der Gott geblieben. Aber ein gütiger."

(von Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 04.10.2007)


(04.10.2007) Ihre Meinung im Fan-Forum? Zur Newsübersicht Zur Hauptseite