Der THW Kiel ist erfolgreich in die Gruppenphase der
Champions League gestartet. Bei den zuvor seit acht
Jahren in der Königsklasse zu Hause ungeschlagenen
Franzosen von Montpellier HB siegten die Zebras mit
34:32 (20:12). Nach starkem Beginn verwaltete der THW
den Vorsprung fünfzig Minuten lang, ehe die Gastgeber
mit einem furiosen Endspurt den Ausgleich schafften.
Der beste Kieler Torschütze,
Vid Kavticnik,
und ein Treffer von
Henrik Lundström
fünf Sekunden vor Schluss sicherten letztlich aber doch
die ersten beiden Punkte für den Titelverteidiger.
Überschattet wurde der Sieg des THW allerdings von der
Schulterverletzung, die sich
Nikola Karabatic
Anfang der zweiten Halbzeit bei seinem sechsten Treffer zuzog (siehe
Extra-Bericht).
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Vor dem Anpfiff in Montpellier.
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Dabei war alles angerichtet für ein großes Handballfest im
ausverkauften Palais des Sports Rene Bougnol, die Zuschauer
empfingen neben ihrer Mannschaft auch die Gäste um die
ehemaligen Spieler
Nikola Karabatic
und
Thierry Omeyer freundlich.
Diese beiden Spieler waren es auch, die die ersten Akzente
im Spiel setzten:
Karabatic
gelang gleich im ersten Angriff das 1:0,
Omeyer
parierte gegen den 2,04m-Hünen Bojinovic, der zunächst
als Spielmacher bei den Gastgebern begann. Die Zebras hatten
sich offenbar sehr gut auf die aggressive 3:2:1-Deckung
Montpelliers mit dem vorgezogenen Issam Tej gegen
Lövgren und Burdet und Hmam
gegen
Karabatic und
Kim Andersson
einegstellt, so konnten immer wieder die Außen sowie
Kreisläufer
Marcus Ahlm freigespielt
werden. Nach
Kavticniks frühen 2:0
blieb MAHB aber bis zum 4:5 (6.) dennoch gut im Spiel.
Grund dafür war der tunesische Shooter Wissem Hmam, der
drei der ersten vier Treffer für die Franzosen erzielte.
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Wissem Hmam begann stark, scheiterte in der Folge aber immer häufiger an
Omeyer.
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Im weiteren Spielverlauf jedoch wurde dem Tunesier -
insbesondere vom im ersten Durchgang überragenden
Thierry Omeyer - der
Zahn gezogen, und so konnte sich der THW langsam
absetzen:
Karabatic auf
den starken
Dominik Klein
zum 6:4,
Kavticnik im
Gegenstoß zum 7:4. Nach Hmams vorerst letzten Treffer
zum 7:5 legte die Achse
Lövgren/
Ahlm
und erneut der wieselflinke
Kavticnik
zum 9:5 (10.) nach. In der Halle war es bereits
merklich ruhiger geworden, als
Dominik Klein
mit einem Doppelpack gar auf 11:6 erhöhte. Der völlig
indisponierte Daouda Karaboue bekam nicht eine Hand
an die Würfe der spielfreudigen Kieler und wurde
ohne Parade bereits nach 13 Minuten durch Maggaiez ersetzt.
Aber auch der tunesische Nationaltorhüter konnte
nicht verhindern, dass der THW nach weiteren
Omeyer-Paraden und Treffern
durch
Karabatic und
Klein auf 14:8 (18.) davonzog.
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Der THW zeigte im "Palais de Sport Rene Bougnol" eine starke erste Halbzeit.
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MAHB-Trainer Patrice Canayer nahm nun seine Auszeit,
brachte M'Gannem auf der Spielmacherposition,
den 19-Jährigen William Accambray für Hmam und
die Wiedergenesenen Joel Abati und Michael Guigou.
Und es keimte ein wenig Hoffnung in der Halle auf, als
ebenjener Accambray auf 9:14 verkürzte und wenig später
einen Siebenmeter erkämpfte, den Bojinovic sicher
verwandelte. Währenddessen hatte auch Maggaiez die
ersten Paraden gezeigt, es wurde deutlich lauter im
Palais des Sports Rene Bougnol. Aber nicht für lange,
denn der THW konterte in der Art eines Champions:
Der nächste Wurf Accambrays wurde von
Omeyer
gehalten, auf der Gegenseite bezwang
Karabatic
Maggaiez mit einem tollen Heber und legte
wenig später aus dem Rückraum zum 16:10 nach.
Auch von zwei Hinausstellungen gegen den Franzosen
und wenig später
Börge Lund
ließ sich der THW nicht aus dem Konzept bringen,
hielt den Vorsprung durch einen tollen
Unterarmwurf
Lövgrens
konstant und baute dann die Führung gar noch auf
20:12 aus, nachdem Joel Abati seine zweite
Zeitstrafe kassierte. Der THW schien einem ungefährdeten
Erfolg entgegen zu marschieren.
Doch der Beginn des zweiten Durchgangs lief so gar nicht
gut für die Zebras: Wissem Hmam mit seinem ersten
Treffer seit der 8. Minute und zwei Treffer der Kreisläufer
Juricek und Tej brachten Montpellier in Windeseile auf
15:20 heran - auch, weil Daouda Karaboue ins Tor
zurückdurfte und sich gleich mit zwei Paraden gut
einführte. Dann die für den THW so schmerzhafte Szene:
Stefan Lövgren spielte
Nikola Karabatic frei, der
in den Kreis sprang, bei seinem erfolgreichen Torwurf zum
21:15 aber von Issam Tej in höchster Höhe etwas am rechten Bein
gehalten wurde. Der Franzose verlor sein Gleichgewicht und
verletzte sich beim Aufkommen an seiner linken Schulter.
Während diese auf der Ersatzbank gekühlt wurde, sah
Karabatic aber, wie seine
Mannschaft auch ohne ihn das Spiel wieder unter Kontrolle
bekam: Ein Doppelpack von
Dominik Klein
stellte den alten Acht-Tore-Vorsprung wieder her. Mehr bekam
"Neo" vom Spiel erstmal nicht zu
sehen, Co-Trainer
Klaus-Dieter Petersen
begleitete den ob des Fouls noch immer aufgebrachten
Franzosen in die Kabine.
Die Atmosphäre in der Halle war nun hitzig, davon profitierten
die Gastgeber in der Folge. Börge Lund
als Ersatz für Karabatic war noch
nicht richtig im Spiel, eine Zeitstrafe für den im ersten
Durchgang unauffälligen, nach Wiederanpfiff unglücklich
startenden Kim Andersson schwächte
die Zebras noch mehr - Burdet, Bojinovic und Abati verkürzten
auf 18:23 (38.). Börge Lund antwortete
postwendend, und als Omeyer gegen
Tej parierte und Kim Andersson bei
angezeigtem Zeitspiel gegen den THW von der Bank zurückkehrte
und völlig frei seinen ersten Treffer zum 25:18 markierte,
schien alles auch ohne Karabatic
seinen gewohnten Gang zu nehmen.
Bis zum 27:20 (44.) lief alles nach Plan, ehe den THW ein
weiterer Schicksalsschlag ereilte. Bei einer Abwehraktion
gegen Tej verletzte sich Kapitän Stefan Lövgren
am Oberschenkel und humpelte auf die Bank, für ihn kam
Viktor Szilagyi.
Nun war
endgültig ein Bruch im Spiel des THW zu erkennen, den Vorsprung
allerdings konnten die Kieler zunächst halten, weil endlich
Kim Andersson Verantwortung übernahm
und das 28. und 29. Gäste-Tor erzielte. Weil
Ahlm
nach einem parierten
Szilagyi-Notwurf
am schnellsten schaltete und den Nachwurf verwandelte. Weil
Daouda Karaboue bei einem Abwurf
Börge Lund
bediente und dieser
Kavticnik schickte.
31:24 für den THW nach 49 Minuten - und doch sollte es zum Ende
hin dramatisch werden.
Denn während Karaboue sich im Tor der Gastgeber immer mehr
steigerte, bekam der lange Zeit auf Weltklasse-Niveau haltende
Omeyer keinen Ball mehr. Die
Kieler Rückraumstrategen verzweifelten nun doch an der
noch aggressiver zupackenden Deckung Montpelliers. Zudem
pfiffen die slowenischen Schiedsrichter nach Herzenslust
Siebenmeter für die Gastgeber, welche der nervenstarke
Bojinovic verwandelte, sich anschließend wieder auf die
Bank setzte und das Publikum motivierte. Mit Erfolg:
Während MAHB in Riesenschritten aufholte, verwandelte sich
der Palais des Sports Rene Bougnol endlich zum seit acht
Jahren gefürchteten Hexenkessel, zur Festung.
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Daouda Karaboue machte in der 2. Halbzeit diverse Großchancen
des THW zunichte.
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Bereits in
der 56. Minute war nach einem Treffer Accambrays zum
31:32 der komfortable Vorsprung für den THW, bei dem
Stefan Lövgren nun wieder
zum Einsatz kam, fast aufgebraucht. Eine Parade
Karaboues gegen
Andersson
und ein erneut gegebener Strafwurf auf der Gegenseite
ermöglichte den Mittelmeerhandballern die Chance
zum Ausgleich - doch Bojinovic überlistete zwar
Omeyer, aber sein Wurf
prallte an die Unterkante der Latte und von dort wieder
raus. Als
Kavticnik, der
in der Schlussphase immer mehr in den Rückraum drängte,
allerdings verzog, schaffte Guigou letztlich per
Gegenstoß doch noch den Ausgleich - die Halle stand kopf.
Im nächsten Angriff machte es der Slowene aber besser:
Wieder drängte er in den Rückraum, diesmal traf er
zur erneuten THW-Führung. Nun war Montpellier im Angriff,
der starke Accombray übernahm trotz jungen Alters in
dieser Phase die Verantwortung - und warf übers Tor, die
Entscheidung.
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Mladen Bojinovic war sicherer Siebenmeterschütze - bis kurz vor Schluss.
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Denn die verbleibende Minute spielte der
THW clever herunter, ließ den verharzten Spielball
austauschen, provozierte eine Zeitstrafe gegen Cedric Burdet,
erzwang Freiwürfe und spielte letztlich
Henrik Lundström frei, der
mit seinem einzigen Treffer den Sieg sicherte.
Große Freude war den Zebras nach der Erstürmung der Mittelmeerfestung allerdings
nicht anzusehen, hatten sie doch mit Nikola Karabatic
den Abwehrchef und letzten etatmäßigen Spieler im linken
Rückraum auf unbestimmte Zeit verloren...
Die weiteren Gegner des THW in der Gruppe B,
Hammarby IF und HCM Constanta, trafen am Sonntag aufeinander. Die
Schweden um Trainer Staffan Olsson besiegten
in eigener Halle die Rumänen mit 33:25 und somit zunächst Tabellenführer
(siehe Spielbericht).
(Sascha Krokowski)
Sieg hin oder her, das ist nun völlig egal. Wir wären
lieber mit einer Niederlage und dafür komplett gesund
nach Hause gefahren.
gegenüber den KN:
Wir wussten, dass es in dieser Halle hart manchmal
sogar brutal zugehen würde. Unser Ziel war nicht in erster
Linie, hier zu gewinnen. Wir wollten ohne Verletzungen
nach Hause fahren. Das hat leider nicht geklappt. Wir
sind in Gedanken alle bei Nikola. Der Sieg ist völlig unwichtig.
Wie es weitergeht? Keine Ahnung.
Unter Handball-Profis gibt es einen Vertrauensgrundsatz:
Wir leben alle von unserer Gesundheit und verletzen
uns nicht absichtlich. Was Tej gemacht hat, hat mit
Handball nichts zu tun. Jeder weiß, dass seine Art zu spielen,
schmutzig ist. Nikola ist für uns nicht gleichwertig zu
ersetzen.
THW-Torhüter Thierry Omeyer gegenüber den KN:
Obwohl wir zur Pause mit acht Toren geführt haben,
war klar, dass Montpellier nicht aufgeben würden. Das
wollten sie sich vor ihrem Publikum nicht bieten lassen.
Ich war vor dem Spiel ganz schön nervös und musste mich
darauf konzentrieren, nicht auf die Tribüne zu sehen. Ich
kenne hier ja alles und jeden.
THW-Spieler Marcus Ahlm gegenüber den KN:
In der ersten Halbzeit haben wir gut gespielt. Durch
die Verletzungen von Nikola und Stefan
(Lövgren zog sich
Ende der zweiten Halbzeit einen Pferdekuss zu, Anm. d.
Red.) mussten wir die Abwehr völlig umstellen. Da haben
wir viele Fehler gemacht. Ich auch. Mit meiner Leistung in
der Deckung war ich nicht zufrieden.
Die Schiedsrichter haben einige komische Entscheidungen
gefällt - und gerade bei Auswärtsspielen im
Europapokal wird so ein Spiel dann völlig zerrissen. Angesichts
der Verletzung von Nikola können wir uns über diesen
Sieg nicht freuen.
Claude Onesta, Nationaltrainer Frankreichs, gegenüber den KN:
In der ersten Halbzeit hatte Montpellier
keine Chance. Mit dieser Abwehr waren
die Kieler nicht zu besiegen. Sie durften
den Ball nach Belieben zirkulieren lassen. Das
hat Montpellier erst nach der Pause unterbrechen
können. In ihren stärksten Phasen
saßen drei der vier Tunesier auf der Bank,
vielleicht hängt das eine mit dem anderen zusammen.
Knackpunkt des Spiels war die Verletzung von
Karabatic.
Tej hat ihn zwar getroffen, Absicht war es
aber nicht.
- Montpellier HB (FRA ):
-
Maggaiez (13.-30., 2 Paraden),
Karaboue (1.-13., 31.-60., 9 Paraden);
Burdet (3),
Junillon,
Tej (1),
Accombray (3),
Guigou (3),
Honrubia (1),
Juricek (4),
Abati (1),
Sobol,
M'Gannem,
Bojinovic (11/7),
Hmam (5);
Trainer: Canayer
- THW Kiel:
-
Omeyer (1.-60., 19 Paraden),
M. Andersson (bei einem Siebenmeter, keine Parade);
Lund (2),
K. Andersson (3),
Lundström (1),
Kavticnik (7),
Anic (n.e.),
Lövgren (4),
Ahlm (5),
Szilagyi,
Karabatic (6/1),
Klein (6);
Trainer: Serdarusic
- Schiedsrichter:
-
Darko Repensek / Janko Pozeznik (SLO)
- Zeitstrafen:
-
MAHB: 6 (M'Gannem (15.), 3x Abati (20.,27.,53.), Guigou (41.), Burdet (60.));
THW: 5 (Lövgren (14.), Karabatic (23.),
Lund (25.), 2x K. Andersson (38.,48.))
- Rote Karte:
-
MAHB: Abati (53.) nach dritter Zeitstrafe
- Siebenmeter:
-
MAHB: 9/7 (Bojinovic gegen Omeyer an den Pfosten (25.)
und an die Latte (58.));
THW: 1/1
- Spielfilm:
-
1. Hz.: 0:2, 2:2, 2:3, 3:3, 3:5 (5.), 4:5, 4:7 (8.), 5:7, 5:9 (10.),
6:9, 6:11, 7:11, 7:12, 8:12, 8:14 (18.), 10:14, 10:16, 11:16, 11:17, 12:17 (26.), 12:20;
2. Hz.: 15:20 (33.), 15:23 (36.), 18:23, 18:25 (40.), 19:25, 19:26, 20:26, 20:27,
21:27, 21:28 (45.), 22:28, 22:29, 23:29, 23:30, 24:30, 24:31 (50.), 28:31 (52.),
28:32, 32:32 (58.), 32:34.
- Zuschauer:
-
2700 (Palais des Sports Rene Bougnol, Montpellier (FRA))
Die Umfragen sind nicht mehr verfügbar.
Die fünf deutschen Teams im
EHF-Pokal und
Pokalsieger-Cup haben noch spielfrei und
werden erst in späteren Runden eingreifen. Die weiteren drei Champions League
Starter der TOYOTA Handball-Bundesliga haben ihre erste Partie bereits am
Donnerstag und Freitag.
Den Anfang machte der HSV Hamburg am Donnerstagabend. Im
ersten Königsklassenspiel der Vereinsgeschichte in
Gruppe E besiegte
der HSV in der Alsterdorfer Sporthalle vor nur 2350
Zuschauern den dänischen Vizemeister Viborg HK
souverän mit 35:26. Die SG Flensburg-Handewitt hingegen
verlor ihr Auftaktspiel in Gruppe G.
Nach ausgeglichener erster Halbzeit dominierte der
spanische Meister und Champions League Sieger von 2006,
Ciudad Real, den zweiten Durchgang und siegte in
der Campushalle letztlich deutlich mit 34:26 (13:14).
Am Freitag siegte der VfL Gummersbach beim isländischen Titelträger
Valur Reykjavik souverän mit 33:24. Bereits nach 17 Minuten führten
die Oberbergischen mit 13:3, der Sieg war nie in Gefahr.
Alle Ergebnisse des CL-Spieltages finden Sie hier.
Aus den Kieler Nachrichten vom 01.10.2007:
Frust statt Lust nach Karabatic-Verletzung
Kieler Pyrrhussieg in Montpellier - Serdarusic: "Issam Tej gehört in den Knast"
Montpellier - Noka Serdarusic
war nicht zu stoppen. Er saß auf einem blauen Plastikstuhl in den
Katakomben des "Palais des Sports Rene Bougnol" und fluchte
sich den Frust von der Seele. Wer den Trainer des Deutschen
Handball-Meisters THW Kiel nach dem dramatischen 34:32 (20:12)-Sieg
im ersten Gruppenspiel der Champions League bei Montpellier HB
erlebte, kam nicht auf den Gedanken, dass an diesem denkwürdigen
Sonnabend eine eindrucksvolle Serie ihr Ende gefunden hatte.
Acht Jahre lang hatte der neunfache französische Meister kein
Europapokalspiel mehr zu Hause verloren. Die SG Flensburg-Handewitt (22:36)
wurde hier wie ein Lehrling abgefertigt. Der sechsfache Champion FC
Barcelona und Portland San Antonio hatten vergeblich versucht, die Festung
zu stürmen. Direkt nach diesem historischen Triumph verspürte der
57-Jährige keine Freude. Weil er für seine Ausbrüche die kroatische
Muttersprache wählte, konnten ihn nur seine Frau Mirjana und Branko
Karabatic verstehen, der als Übersetzer aushelfen sollte.
Ausgerechnet er, der nicht nur Torwarttrainer von Montpellier
HB ist, sondern auch Vater von Nikola, der in der 36. Minute rüde gefoult
wurde und mit einer Schulterverletzung vielleicht wochenlang, im
schlimmsten Fall sechs Monate ausfallen wird.
Der ungestüme Tunesier Issam Tej hatte den 23-Jährigen zu Fall gebracht,
obwohl er keine Chance mehr besaß, den Wurf zu verhindern. Kiel
führte mit 21:15. Die Emotionen auf den Rängen hatten sich längst gelegt,
die Blaskapelle in der Fankurve den Ton verloren. Montpellier ohne Konzept,
der Titelverteidiger eiskalt. Alles schien entschieden, als
Karabatic, der wie ein Held empfangen worden
war, nach der Tej-Attacke mit einem Eisbeutel auf der linken Schulter zum
Zuschauen verdammt wurde.
"Dieser Typ gehört in den Knast", schimpfte Serdarusic,
der in seiner Wut aus dem Kreisläufer mit der Figur eines Skatspielers
einen Algerier machte. Er war verzweifelt. Erst
Christian Zeitz, dann
Filip Jicha und nun Karabatic.
Vater Branko war clever genug, nicht alles zu übersetzen,
was sein völlig aufgelöster Nebenmann sagte. "So lange Handball gespielt
wurde, konnte jeder sehen, was los war", sagte
Serdarusic, und das durften die
französischen Journalisten erfahren. Auch, dass er unter diesen
Umständen lieber verloren hätte: "Sie haben mit Gewalt versucht, alles
zu zerstören." Schuld seien nicht die Unparteiischen Janko Pozeznik und
Darko Repensek aus Slowenien gewesen, die nach 40 wackeren Minuten ihren
Mut verloren. Schuld, so Serdarusic, sei
sein Kollege Patrice Canayer. "Er schürt hier diesen Hass."
Tatsächlich hingen in der Kabine der Gastgeber Bilder von
Karabatic, dem mit 21 Paraden überragenden
Thierry Omeyer und Igor Anic.
Die Stirn der drei THW-Franzosen, die einst in Montpellier spielten, zierten
Zielscheiben. "Das war Spaß", meinte Joel Abati, der nach zehn Jahren beim
SC Magdeburg an die Mittelmeerküste zurückgekehrt war. "Wir haben
großen Respekt vor ihnen. Sie sind Kinder Montpelliers." Abati, der nach
drei harten Attacken die Rote Karte sah und auf der Tribüne erlebte, wie
der 2,04-Meter-Serbe Mladen Bojinovic (11 Tore) die "Blauen" nach einem
24:31-Rückstand (48.) zum zwischenzeitlichen Ausgleich führte (32:32/58.),
bedauerte die Verletzung von Karabatic
zutiefst. "Er ist Franzose. Wir brauchen ihn für die Europameisterschaft."
Ob der Kieler im Januar in Norwegen gemeinsam mit Abati den
Titel verteidigen kann, entscheiden heute die Röntgenbilder. Ein trauriges
Ende für einen Abend, den die "Zebras" mit Handball in Vollendung so
lange dominiert hatten.
(von Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 01.10.2007)
Aus den Kieler Nachrichten vom 01.10.2007:
Von "blauen Füchsen" und Rugby-Fieber
MABH - Montpellier HB, Kurzform MAHB. Aber woher kommt das "A"?
Es steht für Agglomeration und soll die Verbundenheit des neunfachen
Meisters mit dem Großraum Montpellier ausdrücken, der rund um die
achtgrößte Stadt Frankreichs (rund 250 000 Einwohner) 31 Kommunen
einschließt ("Agglomeration"). Angeblich überweist der Städtebund
dem sportlichen Aushängeschild die Hälfte des Vereinsbudgets und soll
auch zu einem wesentlichen Anteil die Renovierung der Arena übernehmen.
Blaue Füchse - Vor dem Spiel sah das Publikum aus wie jedes andere auch.
Doch auf den Sitzplätzen verwandelten sie sich in eine blaue Wand.
Ein Sponsor hatte Trikots für alle Fans der "Blue Fox", der blauen
Füchse, mit dem entsprechenden Maskottchen spendiert. Allerdings
nur in Größe L. Manch einer musste sich sehr quälen, um die Farbe tragen
zu können. Die Kids erinnerten an eine Schlafparty auf Abwegen.
Heimreise - Obwohl Nikola Karabatic,
Thierry Omeyer und
Igor Anic ihre Familie bzw. viele Freunde in
Montpellier haben, bekamen sie keinen Heimaturlaub. Schließlich steht
Mittwoch bereits der nächste schwere Gegner auf dem Programm. Der
Meister ist am achten Bundesliga-Spieltag beim VfL Gummersbach in
der Kölnarena zu Gast. Das Wiedersehen mit den Ex-Kielern
Roman Pungartnik und
Adrian Wagner wird live im WDR
(15 Uhr) übertragen.
Menschlich - Ein Kerl wie ein Baum: Wissem Hmam, der Torschützenkönig
der Handball-WM 2005 (81 Tore), entpuppte sich nach dem Spiel als
netter Junge von nebenan. Der 26-Jährige wurde von seinen Eltern und
einem weißen Zwerghund abgeholt, der es sich auf dem Schoß der Mutter
gemütlich gemacht hatte.
Nicht ausverkauft - Die Spiele in der Champions League sind in der Regel
ausverkauft. Ausgerechnet der Schlager gegen den Titelverteidiger
war es nicht. Der Grund: Frankreich ist Gastgeber der Rugby-WM und die
Fieberkurve erreicht in diesen Tagen Dimensionen, die Deutschland zuletzt
beim "Sommermärchen" Fußball-WM erlebte. Zeitgleich mit dem
Kiel-Spiel wurde der Sieg der Fidschi Inseln gegen Wales übertragen.
Da verzichteten viele auf Handball, zumal die meisten sich bereits für
Live-Sport gestern Abend entschieden hatten. Da trafen bei der Rugby-WM
Südafrika und die USA aufeinander - in Montpellier.
(von Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 01.10.2007)