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29.09./01.10.2007 - Letzte Aktualisierung: 01.10.2007 Champions League

Champions League: THW behält beim 34:32 in Montpellier die Nerven

CL, Gruppe B, 1. Spieltag: 29.09.2007, Sa., 19.15: Montpellier HB - THW Kiel: 32:34 (12:20)
Update #2 KN-Spielbericht, THW-Splitter der KN, weitere Stimmen, Spielbericht und Fotos ergänzt...

Thierry Omeyer konnte 19 Würfe parieren.
Klicken Sie zum Vergrößern! Thierry Omeyer konnte 19 Würfe parieren.
Der THW Kiel ist erfolgreich in die Gruppenphase der Champions League gestartet. Bei den zuvor seit acht Jahren in der Königsklasse zu Hause ungeschlagenen Franzosen von Montpellier HB siegten die Zebras mit 34:32 (20:12). Nach starkem Beginn verwaltete der THW den Vorsprung fünfzig Minuten lang, ehe die Gastgeber mit einem furiosen Endspurt den Ausgleich schafften. Der beste Kieler Torschütze, Vid Kavticnik, und ein Treffer von Henrik Lundström fünf Sekunden vor Schluss sicherten letztlich aber doch die ersten beiden Punkte für den Titelverteidiger.
Überschattet wurde der Sieg des THW allerdings von der Schulterverletzung, die sich Nikola Karabatic Anfang der zweiten Halbzeit bei seinem sechsten Treffer zuzog (siehe Extra-Bericht).

Vor dem Anpfiff in Montpellier.
Klicken Sie zum Vergrößern! Vor dem Anpfiff in Montpellier.
Dabei war alles angerichtet für ein großes Handballfest im ausverkauften Palais des Sports Rene Bougnol, die Zuschauer empfingen neben ihrer Mannschaft auch die Gäste um die ehemaligen Spieler Nikola Karabatic und Thierry Omeyer freundlich. Diese beiden Spieler waren es auch, die die ersten Akzente im Spiel setzten: Karabatic gelang gleich im ersten Angriff das 1:0, Omeyer parierte gegen den 2,04m-Hünen Bojinovic, der zunächst als Spielmacher bei den Gastgebern begann. Die Zebras hatten sich offenbar sehr gut auf die aggressive 3:2:1-Deckung Montpelliers mit dem vorgezogenen Issam Tej gegen Lövgren und Burdet und Hmam gegen Karabatic und Kim Andersson einegstellt, so konnten immer wieder die Außen sowie Kreisläufer Marcus Ahlm freigespielt werden. Nach Kavticniks frühen 2:0 blieb MAHB aber bis zum 4:5 (6.) dennoch gut im Spiel. Grund dafür war der tunesische Shooter Wissem Hmam, der drei der ersten vier Treffer für die Franzosen erzielte.

Wissem Hmam begann stark, scheiterte in der Folge aber immer häufiger an Omeyer.
Wissem Hmam begann stark, scheiterte in der Folge aber immer häufiger an Omeyer.
Im weiteren Spielverlauf jedoch wurde dem Tunesier - insbesondere vom im ersten Durchgang überragenden Thierry Omeyer - der Zahn gezogen, und so konnte sich der THW langsam absetzen: Karabatic auf den starken Dominik Klein zum 6:4, Kavticnik im Gegenstoß zum 7:4. Nach Hmams vorerst letzten Treffer zum 7:5 legte die Achse Lövgren/Ahlm und erneut der wieselflinke Kavticnik zum 9:5 (10.) nach. In der Halle war es bereits merklich ruhiger geworden, als Dominik Klein mit einem Doppelpack gar auf 11:6 erhöhte. Der völlig indisponierte Daouda Karaboue bekam nicht eine Hand an die Würfe der spielfreudigen Kieler und wurde ohne Parade bereits nach 13 Minuten durch Maggaiez ersetzt. Aber auch der tunesische Nationaltorhüter konnte nicht verhindern, dass der THW nach weiteren Omeyer-Paraden und Treffern durch Karabatic und Klein auf 14:8 (18.) davonzog.

Der THW zeigte im "Palais de Sport Rene Bougnol" eine starke erste Halbzeit.
Klicken Sie zum Vergrößern! Der THW zeigte im "Palais de Sport Rene Bougnol" eine starke erste Halbzeit.
MAHB-Trainer Patrice Canayer nahm nun seine Auszeit, brachte M'Gannem auf der Spielmacherposition, den 19-Jährigen William Accambray für Hmam und die Wiedergenesenen Joel Abati und Michael Guigou. Und es keimte ein wenig Hoffnung in der Halle auf, als ebenjener Accambray auf 9:14 verkürzte und wenig später einen Siebenmeter erkämpfte, den Bojinovic sicher verwandelte. Währenddessen hatte auch Maggaiez die ersten Paraden gezeigt, es wurde deutlich lauter im Palais des Sports Rene Bougnol. Aber nicht für lange, denn der THW konterte in der Art eines Champions: Der nächste Wurf Accambrays wurde von Omeyer gehalten, auf der Gegenseite bezwang Karabatic Maggaiez mit einem tollen Heber und legte wenig später aus dem Rückraum zum 16:10 nach. Auch von zwei Hinausstellungen gegen den Franzosen und wenig später Börge Lund ließ sich der THW nicht aus dem Konzept bringen, hielt den Vorsprung durch einen tollen Unterarmwurf Lövgrens konstant und baute dann die Führung gar noch auf 20:12 aus, nachdem Joel Abati seine zweite Zeitstrafe kassierte. Der THW schien einem ungefährdeten Erfolg entgegen zu marschieren.

Nikola Karabatic verletzte sich in der 34. Minute an der Schulter.
Klicken Sie zum Vergrößern! Nikola Karabatic verletzte sich in der 34. Minute an der Schulter.
Doch der Beginn des zweiten Durchgangs lief so gar nicht gut für die Zebras: Wissem Hmam mit seinem ersten Treffer seit der 8. Minute und zwei Treffer der Kreisläufer Juricek und Tej brachten Montpellier in Windeseile auf 15:20 heran - auch, weil Daouda Karaboue ins Tor zurückdurfte und sich gleich mit zwei Paraden gut einführte. Dann die für den THW so schmerzhafte Szene: Stefan Lövgren spielte Nikola Karabatic frei, der in den Kreis sprang, bei seinem erfolgreichen Torwurf zum 21:15 aber von Issam Tej in höchster Höhe etwas am rechten Bein gehalten wurde. Der Franzose verlor sein Gleichgewicht und verletzte sich beim Aufkommen an seiner linken Schulter. Während diese auf der Ersatzbank gekühlt wurde, sah Karabatic aber, wie seine Mannschaft auch ohne ihn das Spiel wieder unter Kontrolle bekam: Ein Doppelpack von Dominik Klein stellte den alten Acht-Tore-Vorsprung wieder her. Mehr bekam "Neo" vom Spiel erstmal nicht zu sehen, Co-Trainer Klaus-Dieter Petersen begleitete den ob des Fouls noch immer aufgebrachten Franzosen in die Kabine.
Noka Serdarusic.
Noka Serdarusic.

Die Atmosphäre in der Halle war nun hitzig, davon profitierten die Gastgeber in der Folge. Börge Lund als Ersatz für Karabatic war noch nicht richtig im Spiel, eine Zeitstrafe für den im ersten Durchgang unauffälligen, nach Wiederanpfiff unglücklich startenden Kim Andersson schwächte die Zebras noch mehr - Burdet, Bojinovic und Abati verkürzten auf 18:23 (38.). Börge Lund antwortete postwendend, und als Omeyer gegen Tej parierte und Kim Andersson bei angezeigtem Zeitspiel gegen den THW von der Bank zurückkehrte und völlig frei seinen ersten Treffer zum 25:18 markierte, schien alles auch ohne Karabatic seinen gewohnten Gang zu nehmen.

Bis zum 27:20 (44.) lief alles nach Plan, ehe den THW ein weiterer Schicksalsschlag ereilte. Bei einer Abwehraktion gegen Tej verletzte sich Kapitän Stefan Lövgren am Oberschenkel und humpelte auf die Bank, für ihn kam Viktor Szilagyi.
Nach Nikola Karabatic (hier rechts mit Eisbeutel) verletzte sich auch noch Stefan Lövgren, der durch  Viktor Szilagyi ersetzt wurde, aber später wieder eingreifen konnte.
Nach Nikola Karabatic (hier rechts mit Eisbeutel) verletzte sich auch noch Stefan Lövgren, der durch Viktor Szilagyi ersetzt wurde, aber später wieder eingreifen konnte.
Nun war endgültig ein Bruch im Spiel des THW zu erkennen, den Vorsprung allerdings konnten die Kieler zunächst halten, weil endlich Kim Andersson Verantwortung übernahm und das 28. und 29. Gäste-Tor erzielte. Weil Ahlm nach einem parierten Szilagyi-Notwurf am schnellsten schaltete und den Nachwurf verwandelte. Weil Daouda Karaboue bei einem Abwurf Börge Lund bediente und dieser Kavticnik schickte. 31:24 für den THW nach 49 Minuten - und doch sollte es zum Ende hin dramatisch werden.

Denn während Karaboue sich im Tor der Gastgeber immer mehr steigerte, bekam der lange Zeit auf Weltklasse-Niveau haltende Omeyer keinen Ball mehr. Die Kieler Rückraumstrategen verzweifelten nun doch an der noch aggressiver zupackenden Deckung Montpelliers. Zudem pfiffen die slowenischen Schiedsrichter nach Herzenslust Siebenmeter für die Gastgeber, welche der nervenstarke Bojinovic verwandelte, sich anschließend wieder auf die Bank setzte und das Publikum motivierte. Mit Erfolg: Während MAHB in Riesenschritten aufholte, verwandelte sich der Palais des Sports Rene Bougnol endlich zum seit acht Jahren gefürchteten Hexenkessel, zur Festung.
Daouda Karaboue machte in der 2. Halbzeit diverse Großchancen des THW zunichte.
Klicken Sie zum Vergrößern! Daouda Karaboue machte in der 2. Halbzeit diverse Großchancen des THW zunichte.
Bereits in der 56. Minute war nach einem Treffer Accambrays zum 31:32 der komfortable Vorsprung für den THW, bei dem Stefan Lövgren nun wieder zum Einsatz kam, fast aufgebraucht. Eine Parade Karaboues gegen Andersson und ein erneut gegebener Strafwurf auf der Gegenseite ermöglichte den Mittelmeerhandballern die Chance zum Ausgleich - doch Bojinovic überlistete zwar Omeyer, aber sein Wurf prallte an die Unterkante der Latte und von dort wieder raus. Als Kavticnik, der in der Schlussphase immer mehr in den Rückraum drängte, allerdings verzog, schaffte Guigou letztlich per Gegenstoß doch noch den Ausgleich - die Halle stand kopf.

Im nächsten Angriff machte es der Slowene aber besser: Wieder drängte er in den Rückraum, diesmal traf er zur erneuten THW-Führung. Nun war Montpellier im Angriff, der starke Accombray übernahm trotz jungen Alters in dieser Phase die Verantwortung - und warf übers Tor, die Entscheidung.
Mladen Bojinovic war sicherer Siebenmeterschütze - bis kurz vor Schluss.
Mladen Bojinovic war sicherer Siebenmeterschütze - bis kurz vor Schluss.
Denn die verbleibende Minute spielte der THW clever herunter, ließ den verharzten Spielball austauschen, provozierte eine Zeitstrafe gegen Cedric Burdet, erzwang Freiwürfe und spielte letztlich Henrik Lundström frei, der mit seinem einzigen Treffer den Sieg sicherte.

Große Freude war den Zebras nach der Erstürmung der Mittelmeerfestung allerdings nicht anzusehen, hatten sie doch mit Nikola Karabatic den Abwehrchef und letzten etatmäßigen Spieler im linken Rückraum auf unbestimmte Zeit verloren...

Die weiteren Gegner des THW in der Gruppe B, Hammarby IF und HCM Constanta, trafen am Sonntag aufeinander. Die Schweden um Trainer Staffan Olsson besiegten in eigener Halle die Rumänen mit 33:25 und somit zunächst Tabellenführer (siehe Spielbericht).

(Sascha Krokowski)

Stimmen zum Spiel:

THW-Geschäftsführer Uwe Schwenker:
Sieg hin oder her, das ist nun völlig egal. Wir wären lieber mit einer Niederlage und dafür komplett gesund nach Hause gefahren.

gegenüber den KN:
Wir wussten, dass es in dieser Halle hart manchmal sogar brutal zugehen würde. Unser Ziel war nicht in erster Linie, hier zu gewinnen. Wir wollten ohne Verletzungen nach Hause fahren. Das hat leider nicht geklappt. Wir sind in Gedanken alle bei Nikola. Der Sieg ist völlig unwichtig. Wie es weitergeht? Keine Ahnung.

THW-Spieler Viktor Szilagyi gegenüber den KN:
Unter Handball-Profis gibt es einen Vertrauensgrundsatz: Wir leben alle von unserer Gesundheit und verletzen uns nicht absichtlich. Was Tej gemacht hat, hat mit Handball nichts zu tun. Jeder weiß, dass seine Art zu spielen, schmutzig ist. Nikola ist für uns nicht gleichwertig zu ersetzen.
THW-Torhüter Thierry Omeyer gegenüber den KN:
Obwohl wir zur Pause mit acht Toren geführt haben, war klar, dass Montpellier nicht aufgeben würden. Das wollten sie sich vor ihrem Publikum nicht bieten lassen. Ich war vor dem Spiel ganz schön nervös und musste mich darauf konzentrieren, nicht auf die Tribüne zu sehen. Ich kenne hier ja alles und jeden.
THW-Spieler Marcus Ahlm gegenüber den KN:
In der ersten Halbzeit haben wir gut gespielt. Durch die Verletzungen von Nikola und Stefan (Lövgren zog sich Ende der zweiten Halbzeit einen Pferdekuss zu, Anm. d. Red.) mussten wir die Abwehr völlig umstellen. Da haben wir viele Fehler gemacht. Ich auch. Mit meiner Leistung in der Deckung war ich nicht zufrieden. Die Schiedsrichter haben einige komische Entscheidungen gefällt - und gerade bei Auswärtsspielen im Europapokal wird so ein Spiel dann völlig zerrissen. Angesichts der Verletzung von Nikola können wir uns über diesen Sieg nicht freuen.
Claude Onesta, Nationaltrainer Frankreichs, gegenüber den KN:
In der ersten Halbzeit hatte Montpellier keine Chance. Mit dieser Abwehr waren die Kieler nicht zu besiegen. Sie durften den Ball nach Belieben zirkulieren lassen. Das hat Montpellier erst nach der Pause unterbrechen können. In ihren stärksten Phasen saßen drei der vier Tunesier auf der Bank, vielleicht hängt das eine mit dem anderen zusammen. Knackpunkt des Spiels war die Verletzung von Karabatic. Tej hat ihn zwar getroffen, Absicht war es aber nicht.

 


Champions League, Gruppe B, 1. Spieltag: 29.09.07, Sa., 19.15: Montpellier HB (FRA) - THW Kiel: 32:34 (12:20)

Logo Montpellier HB (FRA Flagge FRA):
Maggaiez (13.-30., 2 Paraden), Karaboue (1.-13., 31.-60., 9 Paraden); Burdet (3), Junillon, Tej (1), Accombray (3), Guigou (3), Honrubia (1), Juricek (4), Abati (1), Sobol, M'Gannem, Bojinovic (11/7), Hmam (5); Trainer: Canayer
Logo THW Kiel:
Omeyer (1.-60., 19 Paraden), M. Andersson (bei einem Siebenmeter, keine Parade); Lund (2), K. Andersson (3), Lundström (1), Kavticnik (7), Anic (n.e.), Lövgren (4), Ahlm (5), Szilagyi, Karabatic (6/1), Klein (6); Trainer: Serdarusic
Schiedsrichter:
Darko Repensek / Janko Pozeznik (SLO)
Zeitstrafen:
MAHB: 6 (M'Gannem (15.), 3x Abati (20.,27.,53.), Guigou (41.), Burdet (60.));
THW: 5 (Lövgren (14.), Karabatic (23.), Lund (25.), 2x K. Andersson (38.,48.))
Rote Karte:
MAHB: Abati (53.) nach dritter Zeitstrafe
Siebenmeter:
MAHB: 9/7 (Bojinovic gegen Omeyer an den Pfosten (25.) und an die Latte (58.));
THW: 1/1
Spielfilm:
1. Hz.: 0:2, 2:2, 2:3, 3:3, 3:5 (5.), 4:5, 4:7 (8.), 5:7, 5:9 (10.), 6:9, 6:11, 7:11, 7:12, 8:12, 8:14 (18.), 10:14, 10:16, 11:16, 11:17, 12:17 (26.), 12:20;
2. Hz.: 15:20 (33.), 15:23 (36.), 18:23, 18:25 (40.), 19:25, 19:26, 20:26, 20:27, 21:27, 21:28 (45.), 22:28, 22:29, 23:29, 23:30, 24:30, 24:31 (50.), 28:31 (52.), 28:32, 32:32 (58.), 32:34.
Zuschauer:
2700 (Palais des Sports Rene Bougnol, Montpellier (FRA))

Kurzumfragen:

Die Umfragen sind nicht mehr verfügbar.

 


Die anderen deutschen Europapokal-Teilnehmer

Die fünf deutschen Teams im EHF-Pokal und Pokalsieger-Cup haben noch spielfrei und werden erst in späteren Runden eingreifen. Die weiteren drei Champions League Starter der TOYOTA Handball-Bundesliga haben ihre erste Partie bereits am Donnerstag und Freitag.

Den Anfang machte der HSV Hamburg am Donnerstagabend. Im ersten Königsklassenspiel der Vereinsgeschichte in Gruppe E besiegte der HSV in der Alsterdorfer Sporthalle vor nur 2350 Zuschauern den dänischen Vizemeister Viborg HK souverän mit 35:26. Die SG Flensburg-Handewitt hingegen verlor ihr Auftaktspiel in Gruppe G. Nach ausgeglichener erster Halbzeit dominierte der spanische Meister und Champions League Sieger von 2006, Ciudad Real, den zweiten Durchgang und siegte in der Campushalle letztlich deutlich mit 34:26 (13:14).

Am Freitag siegte der VfL Gummersbach beim isländischen Titelträger Valur Reykjavik souverän mit 33:24. Bereits nach 17 Minuten führten die Oberbergischen mit 13:3, der Sieg war nie in Gefahr.

Alle Ergebnisse des CL-Spieltages finden Sie hier.

 

Aus den Kieler Nachrichten vom 01.10.2007:

Frust statt Lust nach Karabatic-Verletzung

Kieler Pyrrhussieg in Montpellier - Serdarusic: "Issam Tej gehört in den Knast"
Montpellier - Noka Serdarusic war nicht zu stoppen. Er saß auf einem blauen Plastikstuhl in den Katakomben des "Palais des Sports Rene Bougnol" und fluchte sich den Frust von der Seele. Wer den Trainer des Deutschen Handball-Meisters THW Kiel nach dem dramatischen 34:32 (20:12)-Sieg im ersten Gruppenspiel der Champions League bei Montpellier HB erlebte, kam nicht auf den Gedanken, dass an diesem denkwürdigen Sonnabend eine eindrucksvolle Serie ihr Ende gefunden hatte.

Acht Jahre lang hatte der neunfache französische Meister kein Europapokalspiel mehr zu Hause verloren. Die SG Flensburg-Handewitt (22:36) wurde hier wie ein Lehrling abgefertigt. Der sechsfache Champion FC Barcelona und Portland San Antonio hatten vergeblich versucht, die Festung zu stürmen. Direkt nach diesem historischen Triumph verspürte der 57-Jährige keine Freude. Weil er für seine Ausbrüche die kroatische Muttersprache wählte, konnten ihn nur seine Frau Mirjana und Branko Karabatic verstehen, der als Übersetzer aushelfen sollte. Ausgerechnet er, der nicht nur Torwarttrainer von Montpellier HB ist, sondern auch Vater von Nikola, der in der 36. Minute rüde gefoult wurde und mit einer Schulterverletzung vielleicht wochenlang, im schlimmsten Fall sechs Monate ausfallen wird.

Der ungestüme Tunesier Issam Tej hatte den 23-Jährigen zu Fall gebracht, obwohl er keine Chance mehr besaß, den Wurf zu verhindern. Kiel führte mit 21:15. Die Emotionen auf den Rängen hatten sich längst gelegt, die Blaskapelle in der Fankurve den Ton verloren. Montpellier ohne Konzept, der Titelverteidiger eiskalt. Alles schien entschieden, als Karabatic, der wie ein Held empfangen worden war, nach der Tej-Attacke mit einem Eisbeutel auf der linken Schulter zum Zuschauen verdammt wurde.

"Dieser Typ gehört in den Knast", schimpfte Serdarusic, der in seiner Wut aus dem Kreisläufer mit der Figur eines Skatspielers einen Algerier machte. Er war verzweifelt. Erst Christian Zeitz, dann Filip Jicha und nun Karabatic. Vater Branko war clever genug, nicht alles zu übersetzen, was sein völlig aufgelöster Nebenmann sagte. "So lange Handball gespielt wurde, konnte jeder sehen, was los war", sagte Serdarusic, und das durften die französischen Journalisten erfahren. Auch, dass er unter diesen Umständen lieber verloren hätte: "Sie haben mit Gewalt versucht, alles zu zerstören." Schuld seien nicht die Unparteiischen Janko Pozeznik und Darko Repensek aus Slowenien gewesen, die nach 40 wackeren Minuten ihren Mut verloren. Schuld, so Serdarusic, sei sein Kollege Patrice Canayer. "Er schürt hier diesen Hass."

Tatsächlich hingen in der Kabine der Gastgeber Bilder von Karabatic, dem mit 21 Paraden überragenden Thierry Omeyer und Igor Anic. Die Stirn der drei THW-Franzosen, die einst in Montpellier spielten, zierten Zielscheiben. "Das war Spaß", meinte Joel Abati, der nach zehn Jahren beim SC Magdeburg an die Mittelmeerküste zurückgekehrt war. "Wir haben großen Respekt vor ihnen. Sie sind Kinder Montpelliers." Abati, der nach drei harten Attacken die Rote Karte sah und auf der Tribüne erlebte, wie der 2,04-Meter-Serbe Mladen Bojinovic (11 Tore) die "Blauen" nach einem 24:31-Rückstand (48.) zum zwischenzeitlichen Ausgleich führte (32:32/58.), bedauerte die Verletzung von Karabatic zutiefst. "Er ist Franzose. Wir brauchen ihn für die Europameisterschaft." Ob der Kieler im Januar in Norwegen gemeinsam mit Abati den Titel verteidigen kann, entscheiden heute die Röntgenbilder. Ein trauriges Ende für einen Abend, den die "Zebras" mit Handball in Vollendung so lange dominiert hatten.

(von Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 01.10.2007)

 

Aus den Kieler Nachrichten vom 01.10.2007:

Von "blauen Füchsen" und Rugby-Fieber

  • MABH - Montpellier HB, Kurzform MAHB. Aber woher kommt das "A"? Es steht für Agglomeration und soll die Verbundenheit des neunfachen Meisters mit dem Großraum Montpellier ausdrücken, der rund um die achtgrößte Stadt Frankreichs (rund 250 000 Einwohner) 31 Kommunen einschließt ("Agglomeration"). Angeblich überweist der Städtebund dem sportlichen Aushängeschild die Hälfte des Vereinsbudgets und soll auch zu einem wesentlichen Anteil die Renovierung der Arena übernehmen.

  • Blaue Füchse - Vor dem Spiel sah das Publikum aus wie jedes andere auch. Doch auf den Sitzplätzen verwandelten sie sich in eine blaue Wand. Ein Sponsor hatte Trikots für alle Fans der "Blue Fox", der blauen Füchse, mit dem entsprechenden Maskottchen spendiert. Allerdings nur in Größe L. Manch einer musste sich sehr quälen, um die Farbe tragen zu können. Die Kids erinnerten an eine Schlafparty auf Abwegen.

  • Heimreise - Obwohl Nikola Karabatic, Thierry Omeyer und Igor Anic ihre Familie bzw. viele Freunde in Montpellier haben, bekamen sie keinen Heimaturlaub. Schließlich steht Mittwoch bereits der nächste schwere Gegner auf dem Programm. Der Meister ist am achten Bundesliga-Spieltag beim VfL Gummersbach in der Kölnarena zu Gast. Das Wiedersehen mit den Ex-Kielern Roman Pungartnik und Adrian Wagner wird live im WDR (15 Uhr) übertragen.

  • Menschlich - Ein Kerl wie ein Baum: Wissem Hmam, der Torschützenkönig der Handball-WM 2005 (81 Tore), entpuppte sich nach dem Spiel als netter Junge von nebenan. Der 26-Jährige wurde von seinen Eltern und einem weißen Zwerghund abgeholt, der es sich auf dem Schoß der Mutter gemütlich gemacht hatte.

  • Nicht ausverkauft - Die Spiele in der Champions League sind in der Regel ausverkauft. Ausgerechnet der Schlager gegen den Titelverteidiger war es nicht. Der Grund: Frankreich ist Gastgeber der Rugby-WM und die Fieberkurve erreicht in diesen Tagen Dimensionen, die Deutschland zuletzt beim "Sommermärchen" Fußball-WM erlebte. Zeitgleich mit dem Kiel-Spiel wurde der Sieg der Fidschi Inseln gegen Wales übertragen. Da verzichteten viele auf Handball, zumal die meisten sich bereits für Live-Sport gestern Abend entschieden hatten. Da trafen bei der Rugby-WM Südafrika und die USA aufeinander - in Montpellier.

    (von Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 01.10.2007)


  • (29.09./01.10.2007) Ihre Meinung im Fan-Forum? Zur Newsübersicht Zur Hauptseite