18.04.2008 | Bundesliga / Mannschaft |
"Dieser Artikel ist nicht spurlos an meinen Spielern vorbei gegangen", räumte Kiels Trainer Noka Serdarusic nach Spielende ein und er wird insbesondere das zu passive Abwehrverhalten seiner Spieler in vielen Szenen gemeint haben. Marcus Ahlm, der laut des bunten Hamburger Blattes dem HSV-Spieler Bertrand Gille die Rippe gebrochen haben soll, bekam unterschwellig den Vorwurf angehängt, dies könne absichtlich geschehen sein. Ahlm schien jedenfalls seinen neuen und exklusiven Ruf als "Täter" unbedingt widerlegen zu wollen und avancierte nicht zum aus Kieler Sicht erhofften Abwehrbollwerk. Und darum fand er sich in den Defensivphasen des THW im Laufe des Spiel vermehrt auf der Bank wieder. "Hätte ich solch einen Kollegen wie Sie, liebe Journalisten, ich würde mich dafür schämen", so Serdarusic auf der Pressekonferenz abschließend. Aufstacheln ließen sich von den Berichten aber weder Fans, noch Spieler oder Offizielle. Die Intensität der Partie war der Bedeutung angemessen, beide Teams kämpften mit allen Kräften, aber nicht mit allen Mitteln. Das Ambiente sei "würdig" gewesen, die Stimmung nicht "vergiftet", so Schwalb und Serdarusic unisono und die beiden Trainer führten weiter aus: "Dafür hat man es beim Handball mit zu vielen intelligenten Leuten zu tun", als dass eine derartige Kampagne zur Eskalation eines ohnehin schon "geladenen" Duells führen könne.
Beide Teams versuchten den Gegner mit fairen Mitteln zu besiegen und schienen dabei darauf gehofft zu haben, die größeren Kraftreserven oder den größeren Willen in der Schlussphase zu haben. Denn beide Teams gingen von der ersten Minute ein immenses Tempo, im amerikanischen Basketball würde von "Run and Gun" gesprochen - Keine langwierigen Spielzüge, sondern zielstrebige Aktionen und ein schneller Abschluss. Um im Sprachgebrauch des US-Basketballs zu bleiben, es ging von "Coast zu Coast" im Duell der beiden Nordteams Hamburg und Kiel. Die Grenze von zehn Toren war beidseitig bereits nach zwölf Spielminuten erreicht, eine Hochrechnung in diesem Moment brachte auf den Presseplätzen die Erkenntnis, wenn das Tempo gehalten wird, dann fällt erstmalig die 100er-Grenze. Ein 50:50 wäre der errechnete Endstand gewesen. Doch diese Hochrechnung war natürlich nicht ernst gemeint, allen war klar, dass beide Teams dieses Tempo nach den Belastungen der Vorwochen nicht bis zum Ende gehen könnten, obwohl - wenn es Teams zuzutrauen wäre, dann eben diesen beiden.
Doch neben dem Tempo begeisterte in der Anfangsphase auch die Präzision im Spiel beider Teams und trug zu einer Partie auf höchstem Niveau bei. Die im Vorfeld als die entscheidenden Akteure gehandelten Torhüter Johannes Bitter und Thierry Omeyer waren zumeist chancenlos, wie ihre Abwehrreihen und wurden beide bereits früh gegen Per Sandström und Mattias Andersson getauscht. Diese konnten beide einige sehenswerte Paraden zeigen, auch weil die Deckungsreihen nun besser ins Spiel fanden, da die Angriffsreihen den Druck der Anfangsphase nicht mehr aufbauen konnten. Die Umstellung Kiels auf eine 5:1-Deckung mit Dominik Klein auf vorgezogener Position und im zweiten Abschnitt eine 3:2:1-Deckung der Hamburger nahmen den Angriffsaktionen ein wenig die Dynamik - der Kampf rückte in den Mittelpunkt. Beide Teams schienen dabei nach den anstrengenden letzten Wochen die letzte Kräfte zu mobilisieren, um dann am Ende festzustellen, dass es keinen Sieger gab. Zumindest nicht in diesem Spiel, mit Blick auf den weiteren Saisonverlauf ist das Unentschieden sicherlich für den THW wesentlich wertvoller als für den HSV.
"Wenn ich durch meine schwarz-weiße Brille schaue, trauere ich dem Punktverlust heute schon hinterher", analysierte Noka Serdarusic dennoch, schließlich führte sein Team bereits mit 34:31 und hatte durch Kim Andersson zwanzig Sekunden vor Spielende die erneute Chance zur Führung, die aber Sandström verhinderte. Auch der HSV konnte die Chance auf den entscheienden Treffer nicht nutzen, ein Anspiel an den Kreis fand nicht den gewünschten Adressaten. Auf der Gegenseite versuchte es Kiel mit einem letzten langen Ball, doch in den Gegenstoß von Börge Lund ertönte die Schlusssirene und besiegelte die Punkteteilung. Es schien, als hätten beide Teams noch Stunden weiter spielen können, es hätte keinen Sieger gegeben - der Grund dafür. Dieses Spiel hatte keinen Verlierer verdient.
(von Frank Schneller und Christian Ciemalla, © 2008 www.handball-world.com)
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