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Die Handball-Woche.
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Von Anja Werner, aus der "Handball-Woche" 15/2008:
Der Erfolg des THW Kiel hat einen Namen:
Noka Serdarusic.
Mit ihm als Trainer gewannen die Zebras über 24 Titel. Die
HW traf den Meistermacher zu einer exklusiven Auszeit und
entführte Serdarusic zu einem persönlichen Spaziergang
Wo ist der Trainer? Diese Frage
stellt sich seit 15 Jahren nicht
nur das Publikum des THW Kiel.
Zehn Deutsche Meisterhaften, vier
deutsche Pokalsiege, drei EHF-Pokalsiege
und vor einem Jahr sogar
der
Gewinn der Champions League
gehen auf das Konto von
Noka Serdarusic. Doch der derzeit erfolgreichste
Handball-Vereinstrainer
der Welt ist nach jedem Triumph als
erster von der Bildfläche verschwunden.
Champagner-Duschen, Ehrenrunden
und Interviews überlässt
er dann seinen geliebten "Jungs",
den Weltklasse-Spielern des THW.
"Auch mein Herz wird in solchen
Momenten ganz groß, aber das kann
und will ich der Öffentlichkeit nicht
zeigen", sagt der 57-Jährige. Eine
Zigarette, ein Bier und Ehefrau Mirjana
- das ist alles, was
Noka Serdarusic
zum Genießen eines großen
Erfolgs braucht.
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Zvonimir "Noka" Serdarusic
(1,86m/106kg) wurde am 2. September 1950 in Mostar
(Bosnien-Herzogowina) geboren. Seit 1998 ist er deutscher
Staatsbürger. Mit 18 spielte er erstmals in der jugoslawischen
Nationalmannschaft, ingesamt brachte er es auf 72
Länderspiele. Als Trainer war er in Mostar
und Metkovic tätig. In der Saison 1989/90 führte Serdarusic
den VfL Bad Schwartau in die Bundesliga, ebenso wie
danach die SG Flensburg-Handewitt, die er bis 1993 trainierte. Seit dem ist Serdarusic
Trainer beim THW Kiel. Serdarusic ist mit Mirjana verheiratet
und hat eine Tochter (Vanja). Mit Kiel wurde er 10 Mal
Deutscher Meister, 5 Mal Pokalsieger, gewann 3 Mal
den EHF-Cup und einmal die Champions League.
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Auch für die Muße danach sucht
der gebürtige Kroate die Einsamkeit
- am liebsten am Wasser, beim
Angeln. Der Schulensee bei Kiel
zählt zu seinen Revieren. Dort kann
er jederzeit in das Boot eines Freundes
steigen, um in eine ruhige Ecke
zu rudern. Im Urlaub zieht es den
ehemaligen Weltklasse-Spieler in
anspruchsvolle Angel-Reviere
Alaska oder Norwegen.
Sein Privatleben schirmt der
erfolgreichste Trainer der Handball-Bundesliga
von der Öffentlichkeit
ab. Kein Namensschild ist an der
Tür des schmucken Hauses in Russee
zu finden, seine Telefonnummer
kennen nur wenige Vertraute, Fragen
zum Privatleben sind an sich
tabu. "Weder der Presse noch den
Sponsoren gehört ein Teil von mir.
Nur meinen Werten und Prinzipien
bin ich verpflichtet, ein Mensch darf
sich nicht verbiegen", betont Noka Serdarusic.
Ein Mann mit Prinzipien
Zu diesen Prinzipien zählt Ehrlichkeit,
die
Serdarusic als Grundlage
jedes Team-Erfolgs bezeichnet.
Wer sich an diese Maxime nicht
hält, bekommt eine weitere zu spüren
- Konsequenz. So ist dem Trainer
ein Klasse-Spieler lieber als
ein Weltklasse-Spieler, der durch
Unehrlichkeit Unfrieden im Team
stiftet. "Und warum sollte ich noch
mit einem Journalisten reden, der
wissentlich etwas schreibt, was ich
nie gesagt habe?", fragt
Serdarusic
mit dem für ihn auch am Spielfeldrand
so typischen Schulterzucken.
Der Wasserstand des Schulensee
ist hoch. Der Steg zum Boot
ist überspült. Nach diversen englischen
Wochen, unzähligen Stunden
im Bus und Flugzeug tut dem
THW-Trainer der Blick über die
ruhige Wasserfläche spürbar gut.
Doch beim Durchatmen verzerrt
sich sein Gesicht. Eine wohl angebrochene
Rippe schmerzt. "Das
kommt davon, wenn ein alter Mann
seinen Jungs im Training etwas
vormachen will", sagt
Noka Serdarusic,
den zudem zwei kaputte Knie
plagen - Tribut an eine Weltklasse-Karriere als Kreisläufer.
Ziel: Tanzen mit der Enkelin
Doch bei einem Thema hellt ich
sein Gesicht sofort auf: Tochter
Vanja und die zehnjährige Enkelin,
die bei ihren Großeltern mit
aufwächst. "Meine Enkelin ist
mein größter Schatz. Mein wichtigstes
Ziel ist, auf ihrer Hochzeit
mit ihr zu tanzen", schwärmt
Serdarusic mit einem wunderbar
einnehmenden Lächeln, das nur
wenige kennen.
Die drei Frauen sind die verbliebene
Familie des 57-Jährigen. Auch
wegen ihnen fühlt er sich nun in
Kiel zuhause. "Ich gehe hier nicht
mehr weg, auch wenn ich nochmal
woanders arbeiten sollte." An seine
Heimatstadt Mostar denkt Serdarusic
mit gemischten Gefühlen.
"Ich kann bis heute nicht begreifen,
was dort passiert ist", sagt der Sohn
eines kroatischen Vaters und einer
serbischen Mutter mit Blick auf
den Bürgerkrieg, der Nachbarn zu
Todfeinden machte. Auch das Haus
seiner Schwiegereltern brannte
nieder mit ihm etliche Medaillen
und Pokale. "Seitdem weiß ich, dass
ein Stück Edelmetall nichts zählt",
sagt ein nachdenklicher Serdarusic.
Seitdem verschenkt er jede Medaille
noch in der Halle an die Fans.
"Was sportlich wirklich wichtig
ist, ist der Erfolg des Handballs. Was
nützt es Meister in einer Sportart
zu sein, die nur wenige kennen?",
fragt Serdarusic, der sich gerne als
Botschafter des Handballs sieht,
der in Deutschland den Sprung in
Metropolen wie Berlin, Hamburg
und Köln geschafft hat. Daran hat
der THW, aber auch der Erzrivale
aus Flensburg großen Anteil.
Motivations-Probleme nach 15
Jahren beim THW? "Motivieren
musst du dich nur, wenn du etwas
tust, was du nicht magst", sagt Serdarusic
beim Rückgang über den
steilen Ufer-Hang.
Und sollte der THW Kiel in dieser
Saison nach dem Titel im DHB-Pokal
auch noch weitere Erfolge
einfahren, etwa die Meisterschaft
oder gar in der Champions League -
werden sich die Fans wieder fragen:
Wo ist der Trainer?
(Von Anja Werner, aus der "Handball-Woche" 15/2008)