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24.04.2008 Presse / Mannschaft

"Handball-Woche": "Ein Mensch darf sich nicht verbiegen"

"HW-Auszeit" mit Zvonimir "Noka" Serdarusic

Die Handball-Woche.
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Von Anja Werner, aus der "Handball-Woche" 15/2008:

Der Erfolg des THW Kiel hat einen Namen: Noka Serdarusic. Mit ihm als Trainer gewannen die Zebras über 24 Titel. Die HW traf den Meistermacher zu einer exklusiven Auszeit und entführte Serdarusic zu einem persönlichen Spaziergang
Wo ist der Trainer? Diese Frage stellt sich seit 15 Jahren nicht nur das Publikum des THW Kiel. Zehn Deutsche Meisterhaften, vier deutsche Pokalsiege, drei EHF-Pokalsiege und vor einem Jahr sogar der Gewinn der Champions League gehen auf das Konto von Noka Serdarusic. Doch der derzeit erfolgreichste Handball-Vereinstrainer der Welt ist nach jedem Triumph als erster von der Bildfläche verschwunden. Champagner-Duschen, Ehrenrunden und Interviews überlässt er dann seinen geliebten "Jungs", den Weltklasse-Spielern des THW. "Auch mein Herz wird in solchen Momenten ganz groß, aber das kann und will ich der Öffentlichkeit nicht zeigen", sagt der 57-Jährige. Eine Zigarette, ein Bier und Ehefrau Mirjana - das ist alles, was Noka Serdarusic zum Genießen eines großen Erfolgs braucht.

Zvonimir "Noka" Serdarusic (1,86m/106kg) wurde am 2. September 1950 in Mostar (Bosnien-Herzogowina) geboren. Seit 1998 ist er deutscher Staatsbürger. Mit 18 spielte er erstmals in der jugoslawischen Länderspiele.Als Trainer war er in Mostar
Klicken Sie für weitere Infos! Zvonimir "Noka" Serdarusic (1,86m/106kg) wurde am 2. September 1950 in Mostar (Bosnien-Herzogowina) geboren. Seit 1998 ist er deutscher Staatsbürger. Mit 18 spielte er erstmals in der jugoslawischen Nationalmannschaft, ingesamt brachte er es auf 72 Länderspiele.
Als Trainer war er in Mostar und Metkovic tätig. In der Saison 1989/90 führte Serdarusic den VfL Bad Schwartau in die Bundesliga, ebenso wie danach die SG Flensburg-Handewitt, die er bis 1993 trainierte. Seit dem ist Serdarusic Trainer beim THW Kiel. Serdarusic ist mit Mirjana verheiratet und hat eine Tochter (Vanja).
Mit Kiel wurde er 10 Mal Deutscher Meister, 5 Mal Pokalsieger, gewann 3 Mal den EHF-Cup und einmal die Champions League.
Auch für die Muße danach sucht der gebürtige Kroate die Einsamkeit - am liebsten am Wasser, beim Angeln. Der Schulensee bei Kiel zählt zu seinen Revieren. Dort kann er jederzeit in das Boot eines Freundes steigen, um in eine ruhige Ecke zu rudern. Im Urlaub zieht es den ehemaligen Weltklasse-Spieler in anspruchsvolle Angel-Reviere Alaska oder Norwegen.

Sein Privatleben schirmt der erfolgreichste Trainer der Handball-Bundesliga von der Öffentlichkeit ab. Kein Namensschild ist an der Tür des schmucken Hauses in Russee zu finden, seine Telefonnummer kennen nur wenige Vertraute, Fragen zum Privatleben sind an sich tabu. "Weder der Presse noch den Sponsoren gehört ein Teil von mir. Nur meinen Werten und Prinzipien bin ich verpflichtet, ein Mensch darf sich nicht verbiegen", betont Noka Serdarusic.

Ein Mann mit Prinzipien

Zu diesen Prinzipien zählt Ehrlichkeit, die Serdarusic als Grundlage jedes Team-Erfolgs bezeichnet. Wer sich an diese Maxime nicht hält, bekommt eine weitere zu spüren - Konsequenz. So ist dem Trainer ein Klasse-Spieler lieber als ein Weltklasse-Spieler, der durch Unehrlichkeit Unfrieden im Team stiftet. "Und warum sollte ich noch mit einem Journalisten reden, der wissentlich etwas schreibt, was ich nie gesagt habe?", fragt Serdarusic mit dem für ihn auch am Spielfeldrand so typischen Schulterzucken. Der Wasserstand des Schulensee ist hoch. Der Steg zum Boot ist überspült. Nach diversen englischen Wochen, unzähligen Stunden im Bus und Flugzeug tut dem THW-Trainer der Blick über die ruhige Wasserfläche spürbar gut. Doch beim Durchatmen verzerrt sich sein Gesicht. Eine wohl angebrochene Rippe schmerzt. "Das kommt davon, wenn ein alter Mann seinen Jungs im Training etwas vormachen will", sagt Noka Serdarusic, den zudem zwei kaputte Knie plagen - Tribut an eine Weltklasse-Karriere als Kreisläufer.

Ziel: Tanzen mit der Enkelin

Doch bei einem Thema hellt ich sein Gesicht sofort auf: Tochter Vanja und die zehnjährige Enkelin, die bei ihren Großeltern mit aufwächst. "Meine Enkelin ist mein größter Schatz. Mein wichtigstes Ziel ist, auf ihrer Hochzeit mit ihr zu tanzen", schwärmt Serdarusic mit einem wunderbar einnehmenden Lächeln, das nur wenige kennen.

Die drei Frauen sind die verbliebene Familie des 57-Jährigen. Auch wegen ihnen fühlt er sich nun in Kiel zuhause. "Ich gehe hier nicht mehr weg, auch wenn ich nochmal woanders arbeiten sollte." An seine Heimatstadt Mostar denkt Serdarusic mit gemischten Gefühlen. "Ich kann bis heute nicht begreifen, was dort passiert ist", sagt der Sohn eines kroatischen Vaters und einer serbischen Mutter mit Blick auf den Bürgerkrieg, der Nachbarn zu Todfeinden machte. Auch das Haus seiner Schwiegereltern brannte nieder mit ihm etliche Medaillen und Pokale. "Seitdem weiß ich, dass ein Stück Edelmetall nichts zählt", sagt ein nachdenklicher Serdarusic.

Seitdem verschenkt er jede Medaille noch in der Halle an die Fans. "Was sportlich wirklich wichtig ist, ist der Erfolg des Handballs. Was nützt es Meister in einer Sportart zu sein, die nur wenige kennen?", fragt Serdarusic, der sich gerne als Botschafter des Handballs sieht, der in Deutschland den Sprung in Metropolen wie Berlin, Hamburg und Köln geschafft hat. Daran hat der THW, aber auch der Erzrivale aus Flensburg großen Anteil.

Motivations-Probleme nach 15 Jahren beim THW? "Motivieren musst du dich nur, wenn du etwas tust, was du nicht magst", sagt Serdarusic beim Rückgang über den steilen Ufer-Hang.

Und sollte der THW Kiel in dieser Saison nach dem Titel im DHB-Pokal auch noch weitere Erfolge einfahren, etwa die Meisterschaft oder gar in der Champions League - werden sich die Fans wieder fragen: Wo ist der Trainer?

(Von Anja Werner, aus der "Handball-Woche" 15/2008)


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