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23.05.2008 Schiedsrichter

Zebra-Journal: Dang & Zacharias sagen "Servus"

Eines der besten Schiedsrichter-Gespanne in der Bundesliga hört nach 16 Jahren auf

Aus dem Zebra-Journal der Kieler Nachrichten vom 23.05.2008:

16 Jahre lang bildeten die Schiedsrichter Thorsten Zacharias und Matthias Dang ein Gespann. Die Mainzer gehören zu den besten Unparteiischen in der Bundesliga und leiteten zuletzt das Pokal-Finale zwischen dem HSV Hamburg und dem THW Kiel. Mit dem Saisonende legten Dang (41) und Zacharias (42) die Pfeife endgültig in die Ecke. Das Zebra-Journal sprach mit dem zweifachen Familienvater Matthias Dang, der bereits als 17-Jähriger seine Karriere als Schiedsrichter begann.
Zebra-Journal:
Die Schiedsrichterei ist auch in der Handball-Bundesliga nur ein Hobby. Ein zu aufwendiges?
Matthias Dang:
Besonders in den letzten fünf, sechs Jahren ist es zumindest immer aufwendiger geworden. Die Sportart wird immer professioneller und das ist auch gut so. Wir pfeifen 30 bis 35 Spiele pro Jahr, reisen dabei rund 20.000 Kilometer. Dazu haben wir sechs Tage Lehrgang im Jahr, laufen zwei- bis dreimal in der Woche jeweils 45 Minuten, um fit zu bleiben. Jedes Spiel bearbeiten wir anhand einer DVD noch einmal intensiv nach und sehen uns einmal pro Monat ein Spiel im Fernsehen an, zu dem wir zu bestimmten Themen Analysen verfassen und an unseren Lehrwart schicken müssen.
Zebra-Journal:
Sollten angesichts der gestiegenen Anforderungen künftig nicht besser Profis pfeifen?
Matthias Dang:
Nein. Was soll mit ihnen passieren, wenn sie mit 50 nicht mehr pfeifen können? Auch wir haben zwar unsere Nachwuchsprobleme, in der Spitze wird es aber immer ausreichend Gespanne geben, die den Spagat zwischen Handball und Beruf schaffen werden. An der Bezahlung liegt das aber nicht. Obwohl die Sätze vor zwei Jahren verdoppelt wurden, stehen sie in keinem Verhältnis zum Aufwand.
Zebra-Journal:
Was verdient ein Schiedsrichter?
Matthias Dang:
Wir bekommen 500 Euro pro Spiel plus Fahrtkosten. Das muss natürlich versteuert werden. Mir bleiben pro Einsatz rund 350 Euro übrig. Zum Vergleich: Der Hauptschiedsrichter bei einem Spiel der Fußball-Bundesliga verdient 6000 Euro. In unserer Sportart wären 1000 Euro pro Spiel angemessen. Das ist aber nicht die Hauptsache, wegen des Geldes pfeift keiner.
Zebra-Journal:
Warum dann?
Matthias Dang:
Als Torwart habe ich es nur in die Verbandsliga geschafft. So bin ich bei Spielen dabei, für die ich mich als Sportler bei meinem Talent niemals qualifiziert hätte.
Zebra-Journal:
Welche Erlebnisse haben Sie besonders in Erinnerung behalten?
Matthias Dang:
Positiv sicher das Final Four in Hamburg. Wir durften dort viermal teilnehmen, zweimal das Endspiel leiten. Mehr kann ein Schiedsrichter auf nationaler Ebene nicht erreichen. Tiefpunkt war das Heimspiel des SC Magdeburg gegen den VfL Gummersbach in der vorvergangenen Saison. Es stand 31:31, die Magdeburger hatten fünf Sekunden vor dem Ende einen Freiwurf und ich habe die Szene abgepfiffen, weil sich drei Abwehrspieler auf den Werfer stürzten. Leider habe ich nicht gesehen, dass hinter der Mauer noch der Kreisläufer stand. Er hatte plötzlich den Ball in der Hand, stand frei vor dem Tor, durfte aber nicht werfen - ich hatte ja abgepfiffen. Diese Entscheidung hat mich wochenlang begleitet.
Zebra-Journal:
Welche Regeln hätten Sie gerne verändert? Was halten Sie beispielsweise vom Videobeweis?
Matthias Dang:
Nichts. Darunter würden nur Schnelligkeit und Emotionen leiden. Auch ein dritter Schiedsrichter ist nicht nötig. Schön wäre es, wenn das Kampfgericht sich mehr um die beiden Bänke kümmern würde. Die Unruhe, die hier ausgeübt wird, hat enorm zugenommen. Thorsten und ich hätten auch gerne ausprobiert, unsere Kommunikation über Kopfhörer zu verbessern. Pausen, in denen wir reden könnten, gibt es im Handball ja nicht mehr. Ich kann zwar an der Melodie seines Pfiffs erkennen, ob er ein Stürmerfoul oder eine falsche Sperre gesehen hat. Mit einem Headset könnten wir aber auch über Dinge sprechen, die gerade passieren - wie über einen Spieler, der am Kreis einläuft.
Zebra-Journal:
Wie wird Ihnen Kiels Trainer Noka Serdarusic in Erinnerung bleiben?
Matthias Dang:
Es gibt zwei Trainer in der Bundesliga, bei denen ich mich noch einmal persönlich bedanken möchte. Das sind Noka und Alfred Gislason aus Gummersbach. Von beiden habe ich als Schiedsrichter unheimlich viel gelernt. Gerade mit Noka haben wir nach dem Spiel immer unglaublich gute Gespräche geführt. Früher hatte ich noch große Probleme mit ihm. Oder er mit uns. Er hat Charisma und eine enorme Ausstrahlung - das lässt auch einen Schiedsrichter, gerade einen jungen, nicht unbeeindruckt. Im Gegensatz zu Martin Schwalb aus Hamburg und Velimir Petkovic aus Göppingen, die 60 Minuten lang auf uns einreden, sagt Noka zwar nicht viel an der Seitenlinie. Aber wenn, dann intensiv.
Zebra-Journal:
Wie schwer ist es, ein Spiel in Kiel zu leiten?
Matthias Dang:
Die Ostseehalle ist für einen Schiedsrichter ein besonderes Erlebnis. Vergleichbar ist diese Atmosphäre nur mit der kleinen Halle in Dutenhofen, in der die HSG Wetzlar früher gespielt hat. Trotz der Größe der Halle sitzt das Publikum in Kiel sehr dicht am Spielfeld und übt einen deutlich größeren Druck aus als in Hamburg oder in der Kölnarena mit 17.000 Zuschauern. Insgesamt ist der Druck auf uns zuletzt immer stärker geworden. Die Vereine lassen uns deutlich spüren, welche wirtschaftliche Bedeutung die Spiele für sie haben. Das Gefühl "Du bist schuld" wird oft ungefiltert an uns weitergegeben. Aber: Bei 90 Prozent der Spiele gehen alle Beteiligten im Frieden auseinander.
Zebra-Journal:
Wie "gehorsam" ist die THW-Mannschaft?
Matthias Dang:
Angenehm ist, dass sie zumindest vordergründig die meisten Entscheidungen akzeptiert. Es wird nicht wegen jedes Pfiffes diskutiert. Das hat sie bei ihrer Qualität auch nicht nötig. Kiel ist zurecht wieder Meister geworden.
Zebra-Journal:
Der Spaß an der Schiedsrichterei ist Ihnen deutlich anzumerken. Warum hören Sie also auf?
Matthias Dang:
Die Anforderungen sind in allen Bereichen gestiegen. Familie, Beruf und Handball - überall wird mehr verlangt. Wir hatten das Gefühl, nicht mehr allem gerecht werden zu können. Wir wollen Zeit gewinnen und das können wir nur so. Neben der Erleichterung wird aber auch ganz sicher eine große Portion Wehmut bleiben.

(Aus dem Zebra-Journal der Kieler Nachrichten vom 23.05.2008)


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