02.07.2008 | Mannschaft / Bundesliga |
Johann Ingi Gunnarsson |
Dieses Engagement machte in seiner Heimat derart Eindruck, dass ihm sogleich eine Erstliga-Mannschaft und die Jugend-Nationalmannschaft anvertraut wurden, nur zwei Jahre später auch die A-Nationalmannschaft. Zu diesem Zeitpunkt hatte er seine eigene Spieler-Laufbahn, in der er es bis in die Nationalmannschaft gebracht hatte, beendet. 1982 folgte dann das Engagement in Kiel. "Ein Glücksgriff", sagte der damalige Manager Heinz Jacobsen 1985 im Spiegel über den Isländer, der sechsmal wöchentlich trainieren ließ. "Wir haben früher als die Konkurrenz kapiert", fasste er damals zusammen, "dass man nur mit mannschaftsdienlichem Spiel zum Erfolg kommt."
Durch eine herausragende Rückrunde, die der THW mit 23:1 Punkten abschloss, rückten die Norddeutschen 1983 erstmals wieder auf den Rang des Vizemeisters vor. Der angehende Psychologe nahm seinem Team, dass mit einem Durchschnittsalter von 22,6 Jahren das jüngste der ersten Liga war, vor allem die Angst vor Auswärtsauftritten. Mit so manchem Geistesblitz überraschte er damals die Kieler Spieler. So stellte Gunnarsson in der Halbzeitpause eines Spiels einen Wecker auf und ließ ihn, kurz bevor die Spieler die Kabine wieder verließen, schellen. "Als wieder angepfiffen wurde waren alle Mann hellwach", so damals der beratende Psychologe Professor Grau von der Kieler Uni.
Eine weitere Vizemeisterschaft erreichte Gunnarsson mit dem THW noch, ehe er 1986 beim damaligen Meister TUSEM Essen ein schweres Erbe antrat und Nachfolger von Petre Ivanescu wurde. "Wenn wir jemals eine so starke Abwehr, wie der TUSEM gehabt hätten, dann wären wir Meister geworden", resümierte der Coach damals bei seinem Amtsantritt. Die Aufgabe im psychlogischen Bereich war im Ruhrgebiet eine andere als noch an der Förde. Der Isländer arbeitete weiter mit dem Beraterteam von der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel und diesmal ging es vor allem darum die "irrationalen Ängste" der TuSEM-Spieler, die sich als Titelverteidiger von 13 Konkurrenten gejagt fühlen, zu entkräften.
Der bildhaften Darstellung des "subjektiven Empfindens" von allen gejagt zu werden, stellten die Psychologen ihre Sicht der Dinge gegenübergestellt. Der TUSEM, so signalisiert die Zeichnung, spielt immer nur gegen einen Gegner. "Ja, klar", sagte der damalige Torwart Stefan Hecker, heute Manager des VfL Gummersbach, verdutzt, "die schießen wir alle nacheinander ab."
In Essen traf Gunnarsson dann auf einen Landsmann Alfred Gislason. Der Rückraumspieler zählte gemeinsam mit Jochen Fraatz zu den Haupttorschützen der Essener. Auf Vorschlag der Psychologen überraschte der Trainer seine Mannschaft vor dem dritten Saisonspiel gegen den TBV Lemgo mit Wilhelm Busch, denn Fraatz und Gislason wurden auf einer Folie als Max und Moritz dargestellt. Der Appell war aber an die ganze Mannschaft gerichtet: "Beim dritten Streich sind alle dran." Essen siegte 20:18 und diesmal warfen tatsächlich andere Spieler die meisten Tore.
(von Christian Stein, © 2008 www.handball-world.com)
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