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05.07.2008 Mannschaft

Kieler Nachrichten-Abpfiff: Mit der Ruhe eines Nordmannes

Aus den Kieler Nachrichten vom 05.07.2008:

Alles passte. Blauer Himmel, blaues Polo-Shirt, freundliches Lächeln: Alfred Gislason kam und hatte gewonnen. Der erste Presseauftritt des Trainer-Nachfolgers von Noka Serdarusic könnte für den notwendigen Aufbruch in neue THW-Zeiten stehen, der "Nach-Serdarusic-Ära" beim Deutschen Handball-Rekordmeister. Der Isländer wirkte gelassen, aber bestimmt, erzählte von seiner Freundschaft zu Serdarusic, deutete personelle Forderungen an, und er wandelte den zu erwartenden Druck auf seine Weise um. Die Entscheidung von Gummersbach nach Kiel zu wechseln, sei die richtige gewesen, sagte Gislason, er schmunzelte. "Wenn ich die Erfolgsliste von Noka fortsetze, habe ich alles richtig gemacht, setze ich sie nicht fort, habe ich auch alles richtig gemacht." Die Ruhe eines Nordmannes.
Auf ruhiges Fahrwasser hofft derzeit auch sein neuer Klub. Turbulenzen, die die Trennung von Meistertrainer Noka Serdarusic ein Jahr vor dem Auslaufen des Vertrages verursachten, löst der neue Kontrakt mit Gislason allein nicht auf. Die Neuverpflichtung ist die bisher einzige Antwort auf weitere, ungeklärte Fragen. Immerhin aber ein kluger Schachzug von Manager Uwe Schwenker, der schnell handelte und die wohl beste Alternative zu Serdarusic an die Förde lotste.

Warum aber lässt sich ein Verein die persönliche Fehde zweier Angestellter über eine Million Euro kosten? 700 000 soll dem THW die Ablöse für Gislason, 400 000 Ruhegehalt/Abfindung für Serdarusic wert sein. Und: Wie gleicht der Klub diese (überflüssigen) Kosten aus? Steckt also hinter der Trennung mehr als diese private Malaise? Kein Geheimnis ist, dass Schwenker schon die letzte Vertragsverlängerung gegen Widerstände in Kreisen der Gesellschafter und des Beirates durchsetzen musste. Der Grund: Zwischen Serdarusic und der Führungsetage knirschte es schon lange. Der kantige Coach hatte sich längst auf seine Insel, die Arbeit mit der Mannschaft, zurückgezogen. Der Rest war ihm egal: Pressearbeit, Auftritte in der Öffentlichkeit, Sponsorentermine. Aufgaben, die der Handballfachmann nur widerwillig anging. So entstanden Probleme, die von Schwenker als Puffer zwischen Führung und Trainer notdürftig abgefedert wurden. Gelöst wurde jedoch nichts. Als die Situation eskalierte, zögerten die Gesellschafter erneut. So kam der Männerzwist genau recht. Die THW-Führungscrew, bisher ausschließlich als "Schön-Wetter-Kapitäne" erprobt, war fein raus. Schwenker wurde in die stürmische See geschickt. Nachdem der Streit auf die Frage "Schwenker oder Serdarusic" reduziert wurde, ging die Abstimmung 13:0 für den Manager aus.

Trotzdem bleiben nur Verlierer: Serdarusic, der diesen Abgang nicht verdient hat, Schwenker, dem die breite Öffentlichkeit die alleinige Schuld zuschob, obwohl er seinen Trainer doch über all die Jahre nach eigener Aussage "geschützt hatte wie einen Polarbären." Vor allem aber trifft es den THW und seine Fans, der Imageschaden für den bisher als Leuchtturm dastehenden Vorzeigeklub ist noch gar nicht abzusehen. Erste Aufräumarbeiten haben begonnen. Den finanziellen Schaden bekäme man in den Griff, beteuert Schwenker; das traditionell solide und seriöse Geschäftsgebaren gibt ihm einen Vertrauensvorschuss. Weg ist das Geld, das man viel sinnvoller in Spieler hätte investieren können, trotzdem. So werden große Anstrengungen nötig sein, um das wichtigste Nahziel zu realisieren: Der THW muss seinen Weltklassekader halten, wenn er weiterhin die Erste Handball-Geige spielen will. Es steht viel auf dem Spiel. Gefragt sind Leute mit der Ruhe eines Nordmannes.

(von Reimer Plöhn, aus den Kieler Nachrichten vom 05.07.2008)


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