Aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra", von living sports:
Gegen Dormagen feierte
Alfred Gislason
seine Bundesliga-Premiere als Trainer des THW Kiel. Im ZEBRA-Interview
sprach der sympathische Isländer über seine ersten Wochen
in der Landeshauptstadt, seine Gefühle vor dem Saison-Start und die Ziele der Zebras.
- Zebra:
-
Wie heimisch sind Sie inzwischen geworden?
- Alfred Gislason:
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Das ist schwierig. Ich habe ja eine lange Zeit im Maritim-Hotel gewohnt,
erst vor wenigen Tagen meine neue Bleibe bezogen. Das
Hotelleben war hart, aber nun habe ich ja einen Ort, wo ich zu Hause bin.
- Zebra:
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Und wie gefällt Ihnen Kiel als Stadt?
- Alfred Gislason:
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Bisher kannte ich eigentlich nur die Anfahrt zur Sparkassen-Arena.
In meinen ersten Wochen hier habe ich festgestellt: Kiel
ist toll! Als Isländer fühle ich mich mit der Nähe zum
Wasser und den kurzen Wegen aufs Land einfach zu Hause.
Viel gesehen habe ich von Kiel allerdings noch nicht,
der Handball steht deutlich im Vordergrund.
- Zebra:
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Haben Sie gezögert, das Angebot aus Kiel anzunehmen?
- Alfred Gislason:
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Handball ist nicht nur mein Job, sondern auch mein Hobby
und meine Leidenschaft. Das Angebot, als Trainer der
besten Mannschaft der Welt zu arbeiten, bekommt
man nicht alle Tage. Das hat auch meine Frau erkannt.
Sie sagte sofort zu mir: "Alfred, das musst Du machen!"
- Zebra:
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Und Sie?
- Alfred Gislason:
-
Natürlich wollte ich unbedingt nach Kiel. Aber zuvor mussten
sich die Vereine noch einig werden. Dann ging jedoch alles sehr schnell.
- Zebra:
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Was ist in Kiel anders als bei Ihren bisherigen Stationen?
- Alfred Gislason:
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Ich habe schon in den ersten Tagen gemerkt, dass Handball ein
sehr zentrales Thema in der öffentlichen Wahrnehmung ist.
So etwas habe ich bisher vielleicht nur in Magdeburg
erlebt. In Kiel stehen alle hinter dem THW,
die Rahmenbedingungen sind besser als überall
sonst im Handball. Man merkt, dass der THW
Kiel einer der ganz großen Vereine der Welt
ist. Gummersbach hat auch eine lange Tradition,
ist aber nicht mit Kiel vergleichbar.
- Zebra:
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Wie hat Ihr "altes Team" in Gummersbach die Nachricht von Ihrem Weggang aufgenommen?
- Alfred Gislason:
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Anfangs hatte ich schon ein bisschen ein schlechtes Gewissen,
glaubte, die Jungs im Stich zu lassen. Dann habe ich aber
mit ihnen gesprochen, und alle hatten Verständnis für meine Entscheidung.
- Zebra:
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Auch Viktor Szilagyi, den Sie nach Gummersbach holten?
- Alfred Gislason:
-
Ja, auch er. Wenngleich das natürlich eine komische Konstellation
ist. Ich wollte ihn immer haben, in dem Moment, wo er
beim VfL seinen Dienst antritt, bekomme ich aus
Kiel das Angebot . Wir sind uns ja beinahe auf der Autobahn begegnet.
- Zebra:
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Wie war der Empfang in Kiel?
- Alfred Gislason:
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Natürlich war das eine komische Situation. Ich kannte die
THW-Spieler bisher ja nur als Gegner. Aber alle haben
positiv reagiert, die Jungs sind Profi-Handballer
und möchten wie ich nur Erfolg.
- Zebra:
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Ihr Eindruck von den Zebras?
- Alfred Gislason:
-
Ich habe das gesamte Team vor Olympia
nur ein paar Stunden während des offiziellen Foto-Shootings
gesehen. Aber schon in dieser kurzen Zeit habe ich gespürt:
Das ist eine homogene Truppe.
- Zebra:
-
Was macht diese aus?
- Alfred Gislason:
-
Ich wusste schon vorher, dass mich eine Super-Mannschaft
erwarten würde. Aber dies dann auch zu erleben, ist
dann noch etwas anderes. Die Jungs trainieren wie
die Besessenen. Und sie gehen miteinander um,
als wären sie beste Freunde. Das erlebt man
sonst nur in Nationalmannschaften, aber ganz
selten in einem Team, das sich aus so vielen
Nationalitäten zusammensetzt. Das liegt natürlich
auch an einer Integrationsfigur wie der eines Stefan Lövgren.
- Zebra:
-
Der Ihr Team nach dieser Saison verlassen wird .
- Alfred Gislason:
-
Dass er einmal aufhören würde, war unvermeidlich. Natürlich
ist es schade, dass Stefan
nicht noch länger ein Zebra bleibt. Aber es ist sein
Leben, da haben wir seine Entscheidung zu akzeptieren.
- Zebra:
-
Auch Lövgren
durfte Ihre neuen Methoden kennenlernen. Wie kamen Sie auf Ihre Ideen?
- Alfred Gislason:
-
Ich bin seit 17 Jahren Trainer, und ich habe in jedem dieser Jahre
etwas dazu gelernt. Wenn ich mich in einem Thema nicht auskannte,
habe ich soviel gelesen und Experten befragt, bis ich mich
in dem Thema auskannte. Und so halte ich es auch heute
noch. Für die Spieler war es ungewohnt, auch von externen
Spezialisten untersucht zu werden. Die Kraft- und
Ausdauermethoden waren ihnen neu, ebenfalls die
Leistungsdiagnostik. Aber mit diesen Methoden kann
man einfach genauer arbeiten. So musste jeder Spieler
ein Laufprogramm absolvieren, das exakt auf seine
Voraussetzungen und Bedürfnisse abgestimmt war.
- Zebra:
-
Wie kamen diese Methoden an?
- Alfred Gislason:
-
Natürlich schüttelten einige Spieler zunächst den Kopf.
Als ich ihnen aber erklärt habe, warum man dies oder
jenes so machen sollte, waren sie schnell davon
überzeugt. Schließlich ist die Leistungsdiagnostik
für sie auch so etwas wie eine Selbstkontrolle:
Werden die Werte besser, ist dies ein Erfolgserlebnis.
Werden Sie schlechter, müssen sie eben noch härter
arbeiten. Das Ziel ist, das Team möglichst fit zu bekommen.
- Zebra:
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Wie sehen die Ziele für die Saison aus?
- Alfred Gislason:
-
Ich will die Mannschaft weiter verbessern und um alle Titel
mitspielen. Natürlich braucht man dafür auch ein bisschen
Glück, vor allem müssen wir aber von Verletzungen verschont bleiben.
- Zebra:
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Verspüren Sie einen größeren Druck in Kiel als anderswo?
- Alfred Gislason:
-
Der Druck war auch in Magdeburg und Gummersbach groß.
Aber diesen Druck von Außen verspürst Du als Trainer
nicht so sehr. Die Spieler und ich selbst machen uns
den größten Druck, den man sich vorstellen kann.
Klar ist: Der THW kämpft um viel, und natürlich
muss ich als Trainer auch Erfolge vorweisen
können. Aber das ist deutlich komfortabler,
als bei anderen Vereinen, bei denen es beispielsweise
um den Klassenerhalt geht. Drinbleiben zu müssen,
um die Existenz zu sichern, ist negativer Druck.
Erfolgsdruck ist viel, viel schöner. Deshalb wollen
auch so viele Spieler unbedingt bei einem Spitzenklub
spielen, deshalb bin ich hier beim THW Kiel (lacht).
- Zebra:
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Das Startprogramm mit dem Heimspiel gegen Magdeburg, den
Auswärtspartien bei den Rhein-Neckar Löwen und dem
VfL Gummersbach sowie der Champions Trophy hat es in sich, oder?
- Alfred Gislason:
-
Ja, das ist harter Tobak. Zumal die französischen Goldmedaillengewinner
erst kurz vor dem Supercup zu uns gestoßen sind. Aber die
Vier kennen sich gut aus und werden die Neuerungen schnell
verstehen. Wir müssen überall gut spielen und uns
entsprechend auf die Gegner vorbereiten. Natürlich
ist die Champions Trophy dabei eine Mehrbelastung.
Sich mit Ciudad in dieser frühen Phase der Saison
zu messen, hat aber auch seinen Reiz.
- Zebra:
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Werden wir Sie ähnlich lebhaft wie zuletzt in Kiel an der Seitenlinie erleben?
- Alfred Gislason:
-
Ich denke ja. Ich bin total fixiert auf das Spiel, wenn
der Anpfiff ertönt, lebe ich das Spiel. Ich bekomme
dann nicht mehr viel von der Außenwelt mit. Sehe ich
mich später im TV, schäme ich mich manchmal für mich.
Aber ich kann einfach nichts dafür!
- Zebra:
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Haben Sie einen Wunsch an die Zuschauer?
- Alfred Gislason:
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Ich habe mich bei den Auswärtsspielen in der Sparkassen-Arena
oft gefragt, wie es wäre, mit diesen fantastischen Fans
im Rücken zu spielen. Ich hoffe, dass diese Stimmung
so toll bleibt und die Zuschauer das Team weiterhin
so nach vorn peitschen. Kiel und die Halle sind
etwas ganz Besonderes. Und es ist etwas ganz Besonderes,
wenn Du das beste Team der Welt trainieren darfst.
Ich bin gespannt, wie es läuft!
- Zebra:
-
Ihre persönlichen Ziele?
- Alfred Gislason:
-
Ich bin optimistisch und hoffe, dass Uwe mit seiner Aussage,
am Ende der Saison würden wir auf dem Rathausbalkon feiern,
Recht behalten wird. Ich freue mich auf die Spiele,
auf die ganze Saison! Und ich freue mich auf die Fans
und die Spieler. Kiel ist eine spannende Aufgabe!
(Das Gespräch führte Christian Robohm, aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra", von living sports)