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29.11.2008 Mannschaft

Kieler Nachrichten: Wie der Noka so der Alfred...

Was unterscheidet den neuen Trainer des THW Kiel vom alten? Nicht viel, wie eine Umfrage zeigt

Aus den Kieler Nachrichten vom 29.11.2008:

Kiel - Kiel, im November 2007. Tabellenstand der Handball-Bundesliga nach zwölf Spielen: 1. THW, 20:4 Punkte; Pokal-Achtelfinale mühelos erreicht, Vorrundengruppe in der Champions League nach sechs Partien mit sechs Siegen als Spitzenreiter abgeschlossen. Ein Jahr später, 29. November 2008, zwölfter Spieltag: 1. THW Kiel, 23:1 Punkte, Pokal: drin im Achtelfinale, Champions League: Gruppensieger nach sechs Spielen mit sechs Siegen.
Zwischen den Novembertagen liegt ein Kalenderjahr, der Gewinn der 14. deutschen Meisterschaft, des fünften DHB-Pokals, die Niederlage gegen Ciudad Real im Champions-League-Finale - und die Trennung von Trainer Noka Serdarusic nach 15 sehr erfolgreichen Jahren. Grund: schwerwiegende persönliche Differenzen mit dem Management. Aber das Vakuum ist schnell gefüllt. Alfred Gislason, 49-jähriger Isländer, für die Ablöse von 700 000 Euro aus Gummersbach geholt, tritt im Juli sein neues Amt an. Unter hohem Erfolgsdruck, aber auf Selbstvertrauen gestützte, große Zuversicht.

Was sich seither beim THW geändert hat? Sportlich - siehe oben - wenig oder gar nichts. Kiel beherrscht Rest-Handball-Deutschland weiterhin, trumpft auch in Europa auf. Und sonst? Marcus Ahlm, fünf Jahre unter Noka Serdarusic als Kreisläufer aktiv, muss lange überlegen: "Unterschiede zwischen den Trainern?", fragt der 30-Jährige und schüttelt den Kopf. Es gebe mehr Ähnlichkeiten. "Beide sind sehr professionell ausgerichtet, fordern viel von der Mannschaft und den Spielern." Ohnehin seien die Rollen klar verteilt. "Wir Spieler sind zwar Kollegen vom Trainer, aber der ist eindeutig der Chef. Das war bei Noka so, und das ist so bei Alfred."

Auch am Spiel habe sich nichts Wesentliches verändert, zu 90 Prozent würden Spielzüge aus der Noka-Zeit gespielt, und in der Abwehr stehe weiterhin die 6:0-Deckung als bevorzugtes System. "Die nicht mannbezogene 5:1-Variante ist ein wenig anders, aber auch nicht komplett neu." Alfred Gislason sei schließlich ein schlauer Mann, sagt Marcus Ahlm. "Er hat beim Amtsantritt gesagt, dass sein Vorgänger außergewöhnlich erfolgreich mit seinen Methoden gewesen sei. Warum also sollte er viel verändern."

Stefan Lövgren, 37-jähriger Kapitän und neun Jahre Serdarusic-Begleiter beim THW, bestätigt seinen Mannschaftskameraden. "Sie sind beide harte Trainer und dem Erfolg verpflichtet." Allerdings setze Gislason auf neueste sportwissenschaftliche und sportmedizinische Erkenntnisse. "Wir haben mit Ole Viken einen kompetenten Co-Trainer-Ersatz für Pitti Petersen im Fitnessbereich, und in der Kabine steht nach den Spielen eine Tonne mit Eiswasser. "Drei Minuten halte ich es darin aus", schüttelt sich der Schwede. "Es soll gut sein für die Muskulatur." Ein gravierendes Detail fällt Lövgren doch ein: "Alfred ist uns gegenüber sehr offen, nimmt uns auch bei Taktik-Besprechungen mit ins Boot." Serdarusic, so Lövgren, habe dagegen alles allein bestimmt.

Olympiasieger Nikola Karabatic, dessen Eltern mit dem Ex-Trainer befreundet sind, war nach der Trennung geschockt, hat sich mit dem "Neuen" aber längst arrangiert. Unterschiede sieht auch er kaum. "Es steht nur ein anderes Gesicht an der Linie." Und: "Alfred ist hart im Training und im Spiel", so der 24-Jährige in der Sport-Bild, "außerhalb sucht er aber die Nähe zu den Spielern".

Wie erleben die Fans den neuen Trainer? Sönke Schulz, Kieler, seit Jahrzehnten Dauerkarteninhaber mit Stehplatz im dritten Rang, bemerkt Unterschiede im menschlichen Bereich. "Alfred Gislason pflegt einen herzlicheren Umgang mit den Spielern, umarmt sie, bedankt sich. Noka ist sofort nach Spielschluss die Kabine gegangen, hat kaum Kontakt gesucht." Außerdem sei man sich im Fan-Pulk einig, dass es lockerer zugehe, "was sich vielleicht auf dem Parkett widerspiegelt", so Schulz. "Die Aktionen wirken flüssiger, geschmeidiger. Der Spaßfaktor ist größer geworden." So stark wie zuletzt habe er den THW noch nie erlebt. Eindrücke, die Stefan Lövgren relativiert. "Klar," so der THW-Kapitän, "es läuft sehr gut. Aber was passiert, wenn es anfängt zu haken? Dann erkennt man die wahre Stärke eines Teams." Auch darauf wird es eine Antwort geben.

(von Reimer Plöhn, aus den Kieler Nachrichten vom 29.11.2008)


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