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17.12.2008 Interview

Zebra-Interview mit Alfred Gislason: Antrittsbilanz

Aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra", von living sports:

Alfred Gislason.
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Seit dieser Saison schwingt Alfred Gislason an der Seitenlinie des THW Kiel das Zepter. Grund genug für den Journalisten und Buch-Autoren Frank Schneller, für den Kicker und ZEBRA ein Interview mit ihm zu führen.
Zebra:
Die gute Nachricht vorweg, Herr Gislason: Keine Fragen und Vergleiche zu Ihrem Vorgänger Noka Serdarusic ...
Alfred Gislason:
... den ich sehr schätze, wir sind ja befreundet. Aber tatsächlich ist mir das recht, denn die ständigen Fragen zu ihm nerven schon. Ich will mich nicht mit ihm vergleichen. Und ich kann auch auf diese Fragen keine Antworten geben. Er wird mit seinen Erfolgen für immer mit dem THW Kiel in Verbindung gebracht werden. Aber ich war ja nie Spieler unter ihm und kenne sein Training nicht. Er ist ein ganz Großer, aber ich habe meinen persönlichen Stil, mache mein eigenes Ding, kann und will nicht seine Kopie sein.
Zebra:
Zumal es ja auch so nahezu perfekt für den THW läuft. Der Übergang von ihm zu Ihnen scheint reibungslos ...
Alfred Gislason:
Ja, ich wäre ja auch falsch beraten gewesen, hätte ich alles umkrempeln wollen in Kiel. Man hat mich von Anfang an toll unterstützt - von Vereins- und Spielerseite. Ich habe hier eine Topmannschaft vorgefunden, perfekt zusammengestellt von - Kompliment an beide - Noka und Uwe Schwenker. Alle Jungs sind hochprofessionell. Als Trainer kann man sich solche Voraussetzungen nur wünschen. Nimmt man Umfeld und Halle samt Zuschauer dazu, muss ich schon sagen: Kiel ist einmalig!
Zebra:
Ist dieses Team noch stärker als der von Ihnen 2002 zum Champions League-Titel geführte SC Magdeburg?
Alfred Gislason:
Insgesamt ja. Individuell konnte das damalige Magdeburger Team mit meinem heutigen THW nahezu mithalten, aber Kiel hat das noch viel homogenere Mannschaftsgefüge. Der Zusammenhalt der Jungs ist fantastisch ...
Zebra:
... sicher auch ein Verdienst von Kapitän Stefan Lövgren, der auch außerhalb des Spielfelds Chef Ihres Teams ist.
Alfred Gislason:
Stimmt. Wenn er nach der Saison aufhört, wird das ein ziemlicher Einschnitt, nicht nur, weil er ein brillanter Spielmacher ist, sondern vor allem außerhalb der Halle die Leitfigur.
Zebra:
Wird es erst wenn nach Serdarusic auch Lövgren fort ist, in Kiel den großen Umbruch geben, wird vor allem auch Ihre Handschrift dann erst deutlich?
Alfred Gislason:
Die verbleibenden Spieler werden Lövgrens Rolle Stück für Stück ausfüllen. Ich will ihnen schon jetzt vermitteln, den Kopf noch mehr einzuschalten, versuche, die Spieler gedanklich mehr einzubinden. Sicher: Es wird einige Zeit dauern, aber der THW wird die Lücke schließen - wie einst nach dem Abschied Magnus Wislanders auch.
Zebra:
Denken Sie da primär an Nikola Karabatic, der Lövgren ja sein großes Vorbild nennt?
Alfred Gislason:
Auch. Er kann das Spiel durchaus leiten. Nikola begreift gerade, dass er mit seiner aufwendigen Spielweise bei der hohen Belastung zu viel Tribut zollt. Als Mittelmann kann er ökonomischer spielen, wird sich nicht ganz so aufreiben.
Zebra:
Von Kiel zur Liga: Die Finanzprobleme einiger Klubs belasten das Image des Handballs. Wie sehr?
Alfred Gislason:
Viele Vereine riskieren vor allem in Sachen Personalkosten viel. Einige zu viel. Die Topleute spielen ihr Gehalt zwar wieder ein. Vor allem die durchschnittlichen Spieler aber haben die Preise sehr in die Höhe getrieben - und die Vereine haben es leider mitgemacht. Deutsche Spieler sind dabei auch noch deutlich teurer als ausländische. Jeder, der Heiner Brand heutzutage mal die Hand geschüttelt hat, will gleich das Dreifache.
Zebra:
Also ist die Preisspirale das Hauptproblem der derzeitigen Situation, in der vom WM-Boom 2007 nicht viel bleibt ...
Alfred Gislason:
Ja. Aber ich würde die Krise nicht zu groß reden. Es gibt auch viele Klubs, die den Schub der WM 2007 genutzt haben, sich weiterzuentwickeln. Und auch die TV-Präsenz ist stärker.
Zebra:
Sie waren selbst einer der besten Bundesligaspieler in Ihrer Essener Zeit. Wären Sie bei all den Verdienstmöglichkeiten lieber heutzutage aktiv als früher?
Alfred Gislason:
(lacht:) Ich will so sagen: Ich würde mindestens ein Monatsgehalt dafür geben, noch mal 30 zu sein und noch einmal spielen zu können. Es ist noch aufregender als früher. Der Handball hat sich so toll entwickelt, in jeder Hinsicht: Tempo, Technik - und auch in punkto Internationalität. Die vielen ausländischen Spieler und Trainer haben den Handball hier schon nach vorn gebracht.
Zebra:
Wollen sie eines Tages nach Island zurück oder in Deutschland bleiben?
Alfred Gislason:
Wir wollen in Deutschland bleiben. Auch nach meiner Zeit als Vereinstrainer, die bis 60 dauern soll, dann will ich noch mal als Nationaltrainer arbeiten. Unser Lebensmittelpunkt aber wird später wieder in der Nähe von Magdeburg sein.
Zebra:
Haben Sie von Kiel eigentlich schon etwas gesehen?
Alfred Gislason:
Nein, wir sind ja dauernd unterwegs. Wenn ich da noch den Rest Freizeit hernehmen würde, um Kiel zu entdecken - da würde meine Familie ausziehen.
Zebra:
Sie sind studierter Historiker. Mit Berufserfahrung?
Alfred Gislason:
Nein. Ich wusste damals in Island nicht, was ich werden sollte außer Handballer - und da ich mich schon immer für Geschichte interessierte, habe ich das eben studiert. Ich weiß ja bis heute nicht, was ich mal werden soll (lacht), aber meine Geschichtsausbildung kommt mir als Trainer durchaus entgegen.
Zebra:
Bitte?
Alfred Gislason:
Ja, ernsthaft. Als Trainer ist es doch wichtig, dass man weiß, welche Nationen gut zusammen passen, wenn man Spieler aus dem Ausland integrieren will. Ein Bundesligateam zusammenzubauen ist für einen Trainer damit vergleichbar, nach welchen Kriterien Napoleon seine Armeen zusammengestellt hat. Wenn man so will ...
(Das Gespräch führte Frank Schneller, aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra", von living sports)


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