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25.02.2009 Presse / Mannschaft

"Handball-Woche": Abschied an Schwedens Nationalfeiertag

Auszeit mit THW-Kapitän Stefan Lövgren - An seinem Karriere-Ende gibt es nichts zu rütteln

Die Handball-Woche.
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Von Björn Pazen, aus der "Handball-Woche" 09/2009:

"Dass er aufhört, ist die größte Ressourcen-Verschwendung im internationalen Handball" schrieb die "Süddeutsche Zeitung" über Stefan Lövgren. Dass der langjährige Kapitän des THW Kiel aber nach dieser Saison seine äußerst erfolgreiche Karriere als Spieler beenden wird und dann als Handball-Trainer an einer Schule sowie als Spielerberater in Schweden arbeiten wird - an diesem Entschluss gibt es für den 38-Jährigen nichts zu rütteln. In einer Auszeit mit HW-Mitarbeiter Björn Pazen lässt der "Löwe", so sein Spitzname, seine Karriere Revue passieren. Und die ist mit zahlreichen Titeln gespickt: Vierfacher Europameister, Weltmeister, zweimal Olympia-Silber - hinzu kommen noch 16 Titel mit dem THW.
"Handball-Woche"
Mit 38 Jahren sind Sie immer noch einer der besten Spieler der Bundesliga. Warum hängen Sie nicht noch eine Saison dran?
Stefan Lövgren:
Für meinen Entschluss gibt es ja mehrere Gründe. Einer ist natürlich das Alter, die Knochen tun weh, das merkt man, Es ist jetzt Zeit, Tschüss zu sagen. Dann gibt es private Gründe, meine Kinder sollen in Schweden zur Schule gehen, und außerdem ist es mein künftiger Beruf in Schweden. Es passt gerade alles zusammen.
"Handball-Woche"
Wann stand Ihr Entschluss fest, dass Sie aufhören wollen?
Stefan Lövgren:
Eigentlich wollte ich schon 2008 aufhören, aber der Verein hat mich überredet, noch eine Saison dranzuhängen. Da war endgültig klar, dass es meine letzte Saison wird.
"Handball-Woche"
Wie oft wurden Sie schon zum Weitermachen aufgefordert?
Stefan Lövgren:
Der Verein kennt meinen Standpunkt und akzeptiert meine Entscheidung. Natürlich gab es - halb im Scherz - immer wieder mal Gespräche.
"Handball-Woche"
Zurück zum Anfang Ihrer Karriere in Schweden: Wann war Ihnen klar, dass Sie Handball-Profi werden?
Stefan Lövgren:
Es war irgendwann 1995/96, als die ersten Anfragen aus dem Ausland kamen, da wollte ich es einfach probieren, Profi zu werden. Dann hat es aber noch zwei Jahre gedauert, bis ich gewechselt bin.
"Handball-Woche"
Hatten Sie einen anderen Traumberuf?
Stefan Lövgren:
Nein, hatte ich nicht und ursprünglich war auch Handball-Profi nicht mein Traumberuf. Als kleiner Junge wollte ich - wie jeder kleiner Junge - einmal Fußballprofi werden. Ich hatte seinerzeit auch Fußball gespielt.
"Handball-Woche"
Was macht für Sie die Faszination von Handball aus?
Stefan Lövgren:
Es ist ein absolut komplexer Sport, der von Taktik, Dynamik und Schnelligkeit geprägt wird. Ein Handballspiel ist im Gegensatz zu anderen Sportarten nie langweilig, da passiert immer etwas.
"Handball-Woche"
In Göteborg waren Sie der Star, hätten Sie gedacht, dass Sie so lange im Ausland bleiben würden, als Sie gewechselt sind?
Stefan Lövgren:
Man hält sich natürlich offen, wieder nach Hause zu gehen, wenn es nicht klappt. Für ein, zwei Jahre wollte ich mein Glück im Ausland versuchen. Für mich war es damals ein kleines Abenteuer, nach Deutschland zu wechseln. Aber am Ende wurde es deutlich mehr als ein kleines, kurzes Abenteuer.
"Handball-Woche"
Wo ist der Unterschied zwischen schwedischem und deutschem Handball?
Stefan Lövgren:
In Schweden gibt es keine Profiliga, da gehen die Spieler immer noch einem anderen Job nach. Die Hallen sind kleiner, es kommen weniger Zuschauer zu den Spielen. Aber Schweden hat sehr gut ausgebildete Trainer und eine sehr gute Nachwuchsarbeit, und davon profitieren auch die Vereine in Deutschland.
"Handball-Woche"
Sie spielen jetzt seit zehn Jahren in Kiel. Was bedeutet Ihnen Kontinuität?
Stefan Lövgren:
Wenn man als Skandinavier in Kiel spielt, ist Kontinuität recht einfach. Man hat die Nähe nach Hause, man spielt beim besten Club der Welt. Als ich in Niederwürzbach spielte, wollte ich zu einem Topverein, und eine größere Chance als in Kiel zu spielen gab und gibt es nicht.
"Handball-Woche"
Kam nie ein Wechsel zu einem anderen Club infrage?
Stefan Lövgren:
Es gab Anfragen, aber es war nie ein Thema. Ich wollte immer in Kiel bleiben.
"Handball-Woche"
Sie haben viele Stars kommen und gehen sehen - wer war Ihr Lieblingsmitspieler in Kiel?
Stefan Lövgren:
Man kann Spieler wie einen Magnus Wislander damals und einen Nikola Karabatic heute nicht miteinander vergleichen. Dafür hat sich der Handball zu sehr entwickelt. Es waren eben andere Generationen. Deswegen gibt es aus sportlicher Sicht nicht den Spieler, den ich hervorheben möchte. Aus privater Sicht waren es sicherlich Staffan Olsson, Johan Pettersson und Nikolaj Jacobsen.
"Handball-Woche"
Als Wislander und Olsson ihre Karriere beendet hatten, wurden Sie zum Dreh- und Angelpunkt des THW. War das ein fließender Übergang?
Stefan Lövgren:
Ich war schon Kapitän in Kiel, als Magnus Wislander seine letzte Saison in Kiel spielte. Also war es ein fließender Übergang, das kam nicht abrupt.
"Handball-Woche"
Sehen Sie sich auf einer Stufe mit Magnus Wislander?
Stefan Lövgren:
Mit Wislander darf und kann man niemanden vergleichen, schließlich ist er der Welthandballer des Jahrhunderts. Genauso wenig kann man Mannschaften der verschiedenen Jahrgänge miteinander vergleichen.
"Handball-Woche"
Ist es für Sie Stolz oder Bürde Kapitän zu sein?
Stefan Lövgren:
Auf jeden Fall. Besonders, weil ich nun schon seit 2001 Kapitän bin. Das zeigt, dass man beim THW zufrieden mit meiner Arbeit ist. Ich bin sehr stolz darauf.
"Handball-Woche"
Was war Ihr schönster Erfolg? Was war Ihr wichtigster Titel mit Kiel?
Stefan Lövgren:
Der erste Titel, den man mit einer Mannschaft gewinnt, ist natürlich immer etwas besonderes. Aber wenn ich mir einen Titel heraussuchen muss, ist es natürlich der Champions-League-Sieg 2007. Wir haben so lange auf diesen Erfolg warten müssen, deshalb war das etwas Herausragendes.
"Handball-Woche"
Mit dem Nationalteam haben Sie außer dem Olympiasieg alles erreicht. Wurmt Sie der Fakt, zweimal das Olympia-Finale verloren zu haben noch heute?
Stefan Lövgren:
Ich wache nicht mehr nachts auf deswegen, aber natürlich denkt man immer daran, wenn wieder Olympische Spiele sind. Es ist sehr ärgerlich, dass man bei zwei Finalteilnahmen nicht einmal gewonnen hat. Aber immerhin stand ich zweimal im Finale, das können nicht viele Spieler von sich sagen.
"Handball-Woche"
2006 beendeten Sie nach der verpassten WM-Quali Ihre Karriere im Nationalteam - war der Frust so groß?
Stefan Lövgren:
Es war nicht geplant, dass ich zu diesem Zeitpunkt zurücktrete. Aber ich habe gemerkt, dass es der richtige Zeitpunkt ist. Ich bin nicht im Frust gleich nach der Niederlage zurückgetreten, sondern habe zwei Wochen überlegt, was ich mache. Mein Körper hat es mir gedankt, denn ich brauche diese Pausen, um auf hohem Niveau beim THW weiterspielen zu können. Und außerdem wurde es Zeit, dass die Jungen in die Mannschaft integriert werden.
"Handball-Woche"
Häufig gab es Gerüchte, Sie würden im jungen Team noch einmal aushelfen - war das Thema Nationalmannschaft für Sie für immer zu den Akten gelegt?
Stefan Lövgren:
Den Wunsch gab es, zudem war ich immer in Kontakt mit den Trainern. Aber ich habe eben gemerkt, wie gut mir diese Pause tun. Vor jeder EM und WM wurde es immer wieder thematisiert, aber es passt nicht zu meiner Einstellung, dass ich nur bei den großen Turnieren dabei bin. Entweder man spielt immer mit oder gar nicht.
"Handball-Woche"
Zurück nach Kiel: Außer der Sparkassen-Arena - was ist für Sie das Besondere an der Stadt Kiel?
Stefan Lövgren:
In Kiel, wo es ansonsten wenig Spitzensport gibt, wird Handball gelebt, das ist etwas ganz Besonderes. Daneben ist es natürlich die Nähe zum Meer, wie ich sie schon in Göteborg hatte. Das ist sehr ähnlich wie in Skandinavien.
"Handball-Woche"
Was macht vor allem für die vielen Schweden den Reiz aus, nach Kiel zu wechseln?
Stefan Lövgren:
Es ist die Philosophie des THW auf skandinavische Spieler zu setzen. Man weiß, dass man mit Skandinaviern, speziell Schweden, gut klar kommt, deswegen hat der THW natürlich einen sehr guten Ruf in Schweden. Und dann ist es eben die Nähe zu Skandinavien, die ein großer Vorteil ist.
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Am 30. Juni endet offiziell Ihr Vertrag in Kiel - haben Sie ein bisschen Angst vor dem letzten Spiel im THW-Trikot?
Stefan Lövgren:
Noch nicht, aber als ich beim Abschiedsspiel von Markus Baur auflief und dabei war, wie er Tschüss sagte, wurde mir klar, dass ich der Nächste bin. Ich habe aber keine Angstgefühle, denn ich konnte mich nun lange genug auf diese Situation vorbereiten.
"Handball-Woche"
Was ist für Ihren Abschied geplant?
Stefan Lövgren:
Am 6. Juni ist das letzte Bundesligaspiel, das passt vom Datum sehr gut, denn dann ist auch der schwedische Nationalfeiertag. Es wird ein Abschiedsspiel geben, aber wie das ganze genau abläuft, wird derzeit noch geplant.
"Handball-Woche"
Mit wie vielen Titeln aus dieser Saison treten Sie ab?
Stefan Lövgren:
Da fällt mir spontan keine gute Antwort ein. Wir haben noch drei Chancen, in der Bundesliga sieht es sehr gut aus, in beiden anderen Wettbewerben können wir auch weit kommen. Für mich ist es wichtig, dass wir zumindest einen Titel gewinnen, denn ich will unbedingt noch einmal auf den Rathausbalkon. Wenn es mehr werden, um so besser.
"Handball-Woche"
2007, als Kiel die Champions League gewann, konnten Sie im Finale nicht spielen. 2008 liefen Sie auf, aber Kiel verlor. Wird es für Sie nun noch eine dritte Chance geben, die Königsklasse zu gewinnen?
Stefan Lövgren:
Die Chance auf das Finale ist sicherlich gegeben, aber das hängt nicht nur von sportlichen Faktoren ab. Man braucht Glück in der Auslosung und braucht Glück, dass sich niemand verletzt. Bislang sind wir mit Ausnahme von Börge Lund von Verletzungen verschont geblieben. Wir haben das Potenzial fürs Finale, aber, wie gesagt, da spielen auch andere Faktoren eine Rolle.
"Handball-Woche"
Sie haben bereits bekannt gegeben, dass Sie an einer Schule in Schweden tätig sein werden und als Spielerberater. Wollten Sie nicht ins Trainergeschäft?
Stefan Lövgren:
Ich will erst einmal Abstand vom Handball gewinnen und raus aus diesem Rhythmus, tägliches Training, immer auf Achse zu sein. Ich muss mal sehen, wie mir das bekommt oder ob meine Frau nicht sagt, ich sei dann zu oft zuhause. Ich bleibe mit meinen Berufen dem Handball ja verbunden, aber eben auf eine andere Art.
"Handball-Woche"
Sie haben zwei Kinder. Würden Sie ihnen raten, Handball-Profi zu werden?
Stefan Lövgren:
Den Rat würde ich nicht so geben. Sport ist sehr wichtig für Kinder, aber ob sie nun Handball-Profi werden oder nicht, müssen sie selbst entscheiden. Egal, wie die Entscheidung ausfällt, wir Eltern werden unsere Kinder auf ihrem Weg unterstützen.
(Von Björn Pazen, aus der "Handball-Woche" 09/2009)


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