Aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra", von living sports:
Zwei Vereine, eine Ausbildung:
Daniel Wessig
besitzt als einer von drei THW-Spielern das Zweitspielrecht
für den TSV Altenholz und lernt den Beruf des Bankkaufmanns.
Im ZEBRA-Interview schildert der 21-Jährige seinen Sport- und
Arbeitsalltag, spricht über seine Zukunftsängste und seine Träume.
- Zebra:
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Was haben Sie anfangs vom THW Kiel erwartet?
- Daniel Wessig:
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Ich wusste, dass Kiel eine Handballhochburg ist. Diese Stadt lebt
für den Handball, und ich habe mich einfach auf diese Euphorie gefreut und
wollte ein Teil davon sein. Wie es ist, von zuhause wegzugehen, wusste ich. Ich
bin unbefangen an die Sache herangegangen und wollte die Chance, die sich
mir bot, einfach nutzen.
- Zebra:
-
Was hat sich von Ihren Erwartungen bewahrheitet?
- Daniel Wessig:
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Alles und noch viel mehr. Diese Stadt ist Handball. Selbst im Einkaufsladen um
die Ecke wird man manchmal auf Spiele angesprochen. Es ist schön, all diese Erfahrungen
zu machen.
- Zebra:
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Sind Sie Ihren eigenen Erwartungen gerecht geworden?
- Daniel Wessig:
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Ich habe einen Drei-Jahres-Vertrag unterschrieben
und sehe dies als Sprungbrett. Mein Ziel war es, in die Bundesliga
hineinzukommen und diesen Sprung zu schaffen. Viele junge Sportler scheitern
an diesem Schritt. In Kiel bekomme ich das Komplett-Paket mit 2. Bundesliga,
einer Ausbildung sowie Spiel- und Trainingserfahrungen beim THW. In dieser
Saison bin ich zufrieden mit meinen Einsatzzeiten und bin glücklich, dass
der Trainer uns Altenholzern öfter eine Chance gibt.
- Zebra:
-
Ihr Start beim THW Kiel vor anderthalb Jahren war allerdings etwas holprig ...
- Daniel Wessig:
-
Anfangs kam mir eine Knieverletzung in die Quere, die mich natürlich sehr aus
der Bahn geworfen hat. Da möchte man bei seinem neuen Verein durchstarten
und alles geben und fällt gleich nach dem ersten Training für mehrere Monate
aus. Das war ein Rückschlag. Vielleicht wäre ohne die Verletzung einiges
anders gelaufen.
- Zebra:
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Haben Sie Vertrauen in Ihr Knie?
- Daniel Wessig:
-
Ich fühle mich besser als vorher. Dr. Frank Pries
hat gute Arbeit geleistet, und ich vertraue in seine
Operationskünste. Es kann immer etwas passieren, doch diesen Gedanken
blende ich aus. Ich traue meinem Knie. Ich trage immer
die neusten und sichersten Bandagen, auch sie verleihen mir das
Gefühl von Sicherheit. Ohne Bandagen werde ich wohl nicht mehr
spielen können.
- Zebra:
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Schon heute sind Sie häufiger im Einsatz gewesen als in der vergangenen Saison ...
- Daniel Wessig:
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So sehr habe ich die Zahlen gar nicht im Kopf. Aber klar, in der
vergangenen Saison habe ich nur die zweite Hälfte wirklich mittrainieren
können. Jetzt war ich von Anfang an dabei, der Trainer setzt
auf mich, und inzwischen schickt er mich auch in den letzten Minuten
aufs Parkett. Das motiviert und spornt an.
- Zebra:
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Fühlen Sie sich wohler unter Alfred Gislason?
- Daniel Wessig:
-
Unter Noka Serdarusic habe ich
mich auch wohl gefühlt, so ist das ja nicht. Er war derjenige, der
mich nach Kiel geholt und mir das Vertrauen entgegen gebracht
hat. Damals war der Kader jedoch voll und ich hatte wenig Chancen,
in die Mannschaft zu stoßen. Alfred Gislason
gibt uns Jüngeren das Gefühl, vollwertig zum Team
zu gehören und scheut nicht davor, uns in den letzten zehn Minuten
eines Spiels aufs Parkett zu stellen. Einen großen Unterschied
möchte ich jedoch nicht machen.
- Zebra:
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Jens Häusler löste Wolfgang Schwenke in
Altenholz ab, Gislason kam für
Serdarusic - Sie haben einige
Wechsel erlebt ...
- Daniel Wessig:
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Ich habe in Kiel so viele Trainerwechsel wie nie zuvor miterlebt.
Man lernt jedoch schnell, damit umzugehen. Das ist ein Profigeschäft.
Da geht es um Wirtschaftlichkeit und Effizienz, und ich
habe gelernt, dass nahezu jeder austauschbar ist. Als Mannschaft
und als Spieler muss man sich an einen neuen Trainer ebenso gewöhnen
wie er sich an die neue Truppe.
- Zebra:
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Wie waren Ihre ersten Champions-League-Erfahrungen?
- Daniel Wessig:
-
Es ist toll, überhaupt in Schwarz-Weiß auf dem Feld zu stehen.
Aber Champions League ist noch mal ein ganz anderes Niveau. Da
misst man sich mit den Besten der Besten im internationalen
Geschäft. Da viele Spiele im Fernsehen übertragen werden, sieht
man sich zudem über den Bildschirm flimmern. Da geht schon
ein kleiner Traum in Erfüllung. Im Anschluss an das Spiel kommen
Kurzmitteilungen von Oma und Opa aus Deutschland, die einem
gratulieren, weil sie die Partie zuhause mitverfolgt haben. Das ist
einfach super.
- Zebra:
-
Sie haben in Norwegen auch Ihr erstes Tor erzielt ...
- Daniel Wessig:
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Ein sehr teures (lacht). In der Mannschaft gibt es ein paar Regelungen.
Zum Beispiel muss ein Spieler nach dem ersten Einsatz
oder dem ersten Tor eine Kiste Bier für die Mannschaft spendieren.
Da beides bei mir allerdings beim Spiel gegen Drammen HK in
Norwegen zusammen fiel, führte mich mein Weg direkt in den Supermarkt,
wo mich eine Kiste Bier umgerechnet 150 Euro kostete.
Ein wahrlich teures Vergnügen - aber natürlich auch gut investiertes
Geld.
- Zebra:
-
Ist es immer noch etwas Besonderes, für den THW zu spielen?
- Daniel Wessig:
-
Das ist immer noch unglaublich. In der Sparkassen-Arena in der
Vorhalle zu stehen, es ist dunkel, man hört das Klatschen der 10.250
Zuschauer, spürt den künstlichen Nebel und läuft in diese Atmosphäre
hinein. Es ist jedes Mal wieder etwas Besonderes.
- Zebra:
-
Mit Altenholz stecken Sie im Abstiegskampf. Wie ist die Stimmung im Team?
- Daniel Wessig:
-
Es ist eine Mischung zwischen Angespanntheit und Unsicherheit.
Wir wissen jedoch schon, wie sich das anfühlt, am Ende der
Saison in Bedrängnis zu kommen. In der vergangenen Spielzeit lief
es ja ähnlich. Wir können nicht mehr groß unser Problem diskutieren
- wir müssen nun handeln und kämpfen.
- Zebra:
-
Woran halten Sie sich fest?
- Daniel Wessig:
-
Resignieren wäre das Falsche. Aufgeben ist jetzt völlig fehl am Platz.
Wir müssen nach vorn schauen und unsere direkten Nachbarn in
der Tabelle schlagen. Wir wissen, dass wir das können. Das sollte
uns Kraft geben. Wir wissen, wo unsere Stärken liegen. Wir müssen
nur die Ruhe bewahren und diese dann auch ausspielen.
- Zebra:
-
Haben Sie Zukunftsängste?
- Daniel Wessig:
-
Es kommt schon vor, dass ich mir Gedanken darüber mache, was
wäre, wenn ... Wir befinden uns auf dem Relegationsplatz, die Situation
ist nicht leicht. Ich muss mich auf die bevorstehenden
schweren Aufgaben mit Altenholz konzentrieren und kann mir
eigentlich nicht schon Gedanken darüber machen, was danach
passieren könnte.
- Zebra:
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War der Weg, der Sie nach Kiel geführt hat, der richtige?
- Daniel Wessig:
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Im Nachhinein ist man immer schlauer, doch ich stehe hinter
all meinen Entscheidungen. Das damalige Angebot des THW Kiel
hätte ich nie ausgeschlagen. Das wäre eine Dummheit gewesen.
In jedem Team erlebt man Höhen und Tiefen, man muss Krisen meistern
und kann Erfolge feiern. Ich bedauere keine einzige Sekunde.
- Zebra:
-
Wie schaffen Sie es, zwei Trainingseinheiten pro Tag mit Ihrer
Ausbildung zu vereinbaren?
- Daniel Wessig:
-
Ich habe einen straff organisierten Alltag. Ich muss aber auch
der Kieler Volksbank danken, bei der ich meine Ausbildung absolviere.
Sie zeigt sich sehr kooperativ im Hinblick auf mein Leben als Sportler.
- Zebra:
-
Das erfordert allerdings auch von Ihnen ein großes Engagement.
- Daniel Wessig:
-
Das stimmt. Fehle ich in der Berufsschule, muss ich alles nacharbeiten,
Klausuren zu einem späteren Zeitpunkt schreiben und
darf mir nichts zu Schulden kommen lassen. In der Bank muss ich
die gleichen Stationen wie alle anderen Auszubildenden absolvieren.
Meine Mit-Azubis unterstützen mich jedoch wo sie nur können.
- Zebra:
-
Was sagt Ihre Freundin dazu, dass Sie wegen des Trainings und Ihrer
Ausbildung soviel unterwegs sind?
- Daniel Wessig:
-
Sie hat dafür eine Menge Verständnis. Sie absolviert gerade
selbst eine Ausbildung und lernt deshalb viel. Wir sind beide viel
beschäftigt und genießen die gemeinsamen ruhigen Stunden
deswegen ganz besonders.
- Zebra:
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Wieso eigentlich die Ausbildung zum Bankkaufmann?
- Daniel Wessig:
-
Ich wollte Geld verdienen und etwas Handfestes erlernen. Der
Beruf des Bankkaufmanns ist vielseitig und eben die Basis für
viele verschiedene Spezialisierungen. Jeden Tag in Anzug und
Krawatte herumzulaufen, ist natürlich das Kontrastprogramm zu
Tennissocken und Trainingshose. Mir gefällt das aber, und ich gehe
auf in diesem Beruf. Ob ich mir nach dem Sport jedoch ein Leben
als Bankkaufmann wirklich vorstellen kann, steht noch in den
Sternen. Vielleicht finde ich auch noch etwas, was ich mit dem
Sport verbinden kann.
(Das Gespräch führte Annika Stöllger, aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra", von living sports)