THW-Logo
25.03.2009 Interview

Zebra-Interview mit Daniel Wessig: Tanz auf drei Hochzeiten

Aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra", von living sports:

Daniel Wessig.
Klicken Sie für weitere Infos! Daniel Wessig.

Zwei Vereine, eine Ausbildung: Daniel Wessig besitzt als einer von drei THW-Spielern das Zweitspielrecht für den TSV Altenholz und lernt den Beruf des Bankkaufmanns. Im ZEBRA-Interview schildert der 21-Jährige seinen Sport- und Arbeitsalltag, spricht über seine Zukunftsängste und seine Träume.
Zebra:
Was haben Sie anfangs vom THW Kiel erwartet?
Daniel Wessig:
Ich wusste, dass Kiel eine Handballhochburg ist. Diese Stadt lebt für den Handball, und ich habe mich einfach auf diese Euphorie gefreut und wollte ein Teil davon sein. Wie es ist, von zuhause wegzugehen, wusste ich. Ich bin unbefangen an die Sache herangegangen und wollte die Chance, die sich mir bot, einfach nutzen.
Zebra:
Was hat sich von Ihren Erwartungen bewahrheitet?
Daniel Wessig:
Alles und noch viel mehr. Diese Stadt ist Handball. Selbst im Einkaufsladen um die Ecke wird man manchmal auf Spiele angesprochen. Es ist schön, all diese Erfahrungen zu machen.
Zebra:
Sind Sie Ihren eigenen Erwartungen gerecht geworden?
Daniel Wessig:
Ich habe einen Drei-Jahres-Vertrag unterschrieben und sehe dies als Sprungbrett. Mein Ziel war es, in die Bundesliga hineinzukommen und diesen Sprung zu schaffen. Viele junge Sportler scheitern an diesem Schritt. In Kiel bekomme ich das Komplett-Paket mit 2. Bundesliga, einer Ausbildung sowie Spiel- und Trainingserfahrungen beim THW. In dieser Saison bin ich zufrieden mit meinen Einsatzzeiten und bin glücklich, dass der Trainer uns Altenholzern öfter eine Chance gibt.
Zebra:
Ihr Start beim THW Kiel vor anderthalb Jahren war allerdings etwas holprig ...
Daniel Wessig:
Anfangs kam mir eine Knieverletzung in die Quere, die mich natürlich sehr aus der Bahn geworfen hat. Da möchte man bei seinem neuen Verein durchstarten und alles geben und fällt gleich nach dem ersten Training für mehrere Monate aus. Das war ein Rückschlag. Vielleicht wäre ohne die Verletzung einiges anders gelaufen.
Zebra:
Haben Sie Vertrauen in Ihr Knie?
Daniel Wessig:
Ich fühle mich besser als vorher. Dr. Frank Pries hat gute Arbeit geleistet, und ich vertraue in seine Operationskünste. Es kann immer etwas passieren, doch diesen Gedanken blende ich aus. Ich traue meinem Knie. Ich trage immer die neusten und sichersten Bandagen, auch sie verleihen mir das Gefühl von Sicherheit. Ohne Bandagen werde ich wohl nicht mehr spielen können.
Zebra:
Schon heute sind Sie häufiger im Einsatz gewesen als in der vergangenen Saison ...
Daniel Wessig:
So sehr habe ich die Zahlen gar nicht im Kopf. Aber klar, in der vergangenen Saison habe ich nur die zweite Hälfte wirklich mittrainieren können. Jetzt war ich von Anfang an dabei, der Trainer setzt auf mich, und inzwischen schickt er mich auch in den letzten Minuten aufs Parkett. Das motiviert und spornt an.
Zebra:
Fühlen Sie sich wohler unter Alfred Gislason?
Daniel Wessig:
Unter Noka Serdarusic habe ich mich auch wohl gefühlt, so ist das ja nicht. Er war derjenige, der mich nach Kiel geholt und mir das Vertrauen entgegen gebracht hat. Damals war der Kader jedoch voll und ich hatte wenig Chancen, in die Mannschaft zu stoßen. Alfred Gislason gibt uns Jüngeren das Gefühl, vollwertig zum Team zu gehören und scheut nicht davor, uns in den letzten zehn Minuten eines Spiels aufs Parkett zu stellen. Einen großen Unterschied möchte ich jedoch nicht machen.
Zebra:
Jens Häusler löste Wolfgang Schwenke in Altenholz ab, Gislason kam für Serdarusic - Sie haben einige Wechsel erlebt ...
Daniel Wessig:
Ich habe in Kiel so viele Trainerwechsel wie nie zuvor miterlebt. Man lernt jedoch schnell, damit umzugehen. Das ist ein Profigeschäft. Da geht es um Wirtschaftlichkeit und Effizienz, und ich habe gelernt, dass nahezu jeder austauschbar ist. Als Mannschaft und als Spieler muss man sich an einen neuen Trainer ebenso gewöhnen wie er sich an die neue Truppe.
Zebra:
Wie waren Ihre ersten Champions-League-Erfahrungen?
Daniel Wessig:
Es ist toll, überhaupt in Schwarz-Weiß auf dem Feld zu stehen. Aber Champions League ist noch mal ein ganz anderes Niveau. Da misst man sich mit den Besten der Besten im internationalen Geschäft. Da viele Spiele im Fernsehen übertragen werden, sieht man sich zudem über den Bildschirm flimmern. Da geht schon ein kleiner Traum in Erfüllung. Im Anschluss an das Spiel kommen Kurzmitteilungen von Oma und Opa aus Deutschland, die einem gratulieren, weil sie die Partie zuhause mitverfolgt haben. Das ist einfach super.
Zebra:
Sie haben in Norwegen auch Ihr erstes Tor erzielt ...
Daniel Wessig:
Ein sehr teures (lacht). In der Mannschaft gibt es ein paar Regelungen. Zum Beispiel muss ein Spieler nach dem ersten Einsatz oder dem ersten Tor eine Kiste Bier für die Mannschaft spendieren. Da beides bei mir allerdings beim Spiel gegen Drammen HK in Norwegen zusammen fiel, führte mich mein Weg direkt in den Supermarkt, wo mich eine Kiste Bier umgerechnet 150 Euro kostete. Ein wahrlich teures Vergnügen - aber natürlich auch gut investiertes Geld.
Zebra:
Ist es immer noch etwas Besonderes, für den THW zu spielen?
Daniel Wessig:
Das ist immer noch unglaublich. In der Sparkassen-Arena in der Vorhalle zu stehen, es ist dunkel, man hört das Klatschen der 10.250 Zuschauer, spürt den künstlichen Nebel und läuft in diese Atmosphäre hinein. Es ist jedes Mal wieder etwas Besonderes.
Zebra:
Mit Altenholz stecken Sie im Abstiegskampf. Wie ist die Stimmung im Team?
Daniel Wessig:
Es ist eine Mischung zwischen Angespanntheit und Unsicherheit. Wir wissen jedoch schon, wie sich das anfühlt, am Ende der Saison in Bedrängnis zu kommen. In der vergangenen Spielzeit lief es ja ähnlich. Wir können nicht mehr groß unser Problem diskutieren - wir müssen nun handeln und kämpfen.
Zebra:
Woran halten Sie sich fest?
Daniel Wessig:
Resignieren wäre das Falsche. Aufgeben ist jetzt völlig fehl am Platz. Wir müssen nach vorn schauen und unsere direkten Nachbarn in der Tabelle schlagen. Wir wissen, dass wir das können. Das sollte uns Kraft geben. Wir wissen, wo unsere Stärken liegen. Wir müssen nur die Ruhe bewahren und diese dann auch ausspielen.
Zebra:
Haben Sie Zukunftsängste?
Daniel Wessig:
Es kommt schon vor, dass ich mir Gedanken darüber mache, was wäre, wenn ... Wir befinden uns auf dem Relegationsplatz, die Situation ist nicht leicht. Ich muss mich auf die bevorstehenden schweren Aufgaben mit Altenholz konzentrieren und kann mir eigentlich nicht schon Gedanken darüber machen, was danach passieren könnte.
Zebra:
War der Weg, der Sie nach Kiel geführt hat, der richtige?
Daniel Wessig:
Im Nachhinein ist man immer schlauer, doch ich stehe hinter all meinen Entscheidungen. Das damalige Angebot des THW Kiel hätte ich nie ausgeschlagen. Das wäre eine Dummheit gewesen. In jedem Team erlebt man Höhen und Tiefen, man muss Krisen meistern und kann Erfolge feiern. Ich bedauere keine einzige Sekunde.
Zebra:
Wie schaffen Sie es, zwei Trainingseinheiten pro Tag mit Ihrer Ausbildung zu vereinbaren?
Daniel Wessig:
Ich habe einen straff organisierten Alltag. Ich muss aber auch der Kieler Volksbank danken, bei der ich meine Ausbildung absolviere. Sie zeigt sich sehr kooperativ im Hinblick auf mein Leben als Sportler.
Zebra:
Das erfordert allerdings auch von Ihnen ein großes Engagement.
Daniel Wessig:
Das stimmt. Fehle ich in der Berufsschule, muss ich alles nacharbeiten, Klausuren zu einem späteren Zeitpunkt schreiben und darf mir nichts zu Schulden kommen lassen. In der Bank muss ich die gleichen Stationen wie alle anderen Auszubildenden absolvieren. Meine Mit-Azubis unterstützen mich jedoch wo sie nur können.
Zebra:
Was sagt Ihre Freundin dazu, dass Sie wegen des Trainings und Ihrer Ausbildung soviel unterwegs sind?
Daniel Wessig:
Sie hat dafür eine Menge Verständnis. Sie absolviert gerade selbst eine Ausbildung und lernt deshalb viel. Wir sind beide viel beschäftigt und genießen die gemeinsamen ruhigen Stunden deswegen ganz besonders.
Zebra:
Wieso eigentlich die Ausbildung zum Bankkaufmann?
Daniel Wessig:
Ich wollte Geld verdienen und etwas Handfestes erlernen. Der Beruf des Bankkaufmanns ist vielseitig und eben die Basis für viele verschiedene Spezialisierungen. Jeden Tag in Anzug und Krawatte herumzulaufen, ist natürlich das Kontrastprogramm zu Tennissocken und Trainingshose. Mir gefällt das aber, und ich gehe auf in diesem Beruf. Ob ich mir nach dem Sport jedoch ein Leben als Bankkaufmann wirklich vorstellen kann, steht noch in den Sternen. Vielleicht finde ich auch noch etwas, was ich mit dem Sport verbinden kann.
(Das Gespräch führte Annika Stöllger, aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra", von living sports)


(25.03.2009) Ihre Meinung im Fan-Forum? Zur Newsübersicht Zur Hauptseite