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26.05.2009 Mannschaft

Kieler Nachrichten: "Man wird im Rückspiel sehen, was noch passiert"

THW liegt fünf Tore vor, aber die Entscheidung gegen Ciudad Real bleibt offen

Aus den Kieler Nachrichten vom 26.05.2009:

Kiel - Es ist Halbzeit im Finale der Handball-Champions-League. Nach dem Hinspiel führt der THW Kiel 39:34 gegen BM Ciudad Real. Aufgelöst wird die Spannung Pfingstsonntag (18 Uhr, Eurosport) in der spanischen Provinz La Mancha. Dort, wo einst die Romanfigur von Miguel de Cervantes, Don Quijote, in seinem Wahn glaubte, gegen Riesen zu kämpfen, in Wahrheit aber vergeblich gegen Windmühlen anrannte.
Die Kieler beurteilen ihre Chancen auf den zweiten CL-Titel nach 2007 eher realistisch. "Auch wenn wir mit dem Ergebnis gut leben können", sagt Trainer Alfred Gislason, "die Entscheidung fällt in Ciudad, höchstwahrscheinlich erst in den letzten Sekunden." Tatsächlich deutete sich in Kiel an, dass beim Rückspiel alles möglich ist. Die Partie vor 10 250 völlig begeisterten Fans hätte nach zweimaliger deutlicher Kieler Führung auch unentschieden oder mit einem knappen Erfolg für die Spanier enden können. Sechs Minuten vor Schluss stand es 32:32. Doch dann patzten die Gäste, bei den "Zebras" passte alles. Da sei sicher auch Glück dabei gewesen, erklärte Kapitän Stefan Lövgren. Alfred Gislason kündigte für die Woche "Psychoarbeit" an, damit die Einstellung fürs Rückspiel stimmt. Seine Spieler hatten aber schnell verinnerlicht, dass nichts gewonnen ist. "Fünf Tore Vorsprung", mahnte der neunfache Torschütze Filip Jicha, der die Champions-League-Scorer-Liste mit 98 Toren anführt, "halten im Handball nur vier Minuten."

Glücksache war der Sieg am Sonntag eher nicht. Sicher, die individuelle Klasse von Spielern wie Olafur Stefansson, Jerome Fernandez oder Jonas Källman hielt die Spanier im Spiel. Beteiligt aber waren auch Verzögerungspraktiken mit vorgetäuschten Verletzungen, die das Tempo aus dem Spiel und den THW aus dem Rhythmus bringen sollten. Das klappte phasenweise, aber irgendein Schalter, der eine weitere volle Batterie im THW-Team anzapfte, fand sich immer wieder. So auch am Ende. "Wir haben zum Schluss noch einmal richtig hart gearbeitet", sagte Lövgren.

Jetzt zahlt sich wohl aus, dass Gislason Verantwortung und Kräfteverschleiß, anders als sein Vorgänger Noka Serdarusic, über die gesamte Saison hinweg auf die ganze Breite des Kaders verteilt hat. Das erhält die Frische und zementiert Selbstvertrauen bei allen Spielern. Bestes Beispiel war der junge Igor Anic, in der 40. Minute für "Rotsünder" Marcus Ahlm ins Feuer geworfen. Keine Sekunde schien der Franzose zu zweifeln, ob er mit den Weltstars mithalten könne. Rotzfrech schnappte er sich die Bälle, ließ alte Haudegen wie Fahnenstangen stehen und trug mit vier sehenswerten und wichtigen Toren zum Gesamterfolg bei. Mit Anic sei er seit Wochen sehr zufrieden, lobte Gislason seinen 21-jährigen Youngster. "Er ist mit seiner Beweglichkeit vor allem gegen eine offensive Abwehr gut einsetzbar, außerdem fängt er inzwischen jeden Ball."

Gäste-Trainer Talant Duschebajew war noch lange bockig. "Fünf Tore Differenz sind viel zu viel", meckerte der ehemalige Welthandballer, der wie einige seiner Spieler die Schuld bei den aufmerksamen dänischen WM-Final-Schiedsrichtern Olesen/Pedersen suchte. "Bevor ich lüge, sage ich kein Wort zu den Referees", maulte der gebürtige Kirgise. Dabei ließ Duschebajew fiese Ellbogenchecks und theatralische Fallübungen seines Stars Siarhei Rutenka unerwähnt. Dessen Schlag ins Gesicht von Börge Lund hätte "Rot" zur Folge haben müssen. Die Stimmung für das Rückspiel heizte Duschebajew indes vieldeutig und geheimnisvoll an: "Man wird im Rückspiel sehen, was noch passiert."

(von Reimer Plöhn, aus den Kieler Nachrichten vom 26.05.2009)


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