Aus den Kieler Nachrichten vom 03.06.2009):
Mit THW-Trainer
Alfred Gislason sprach Reimer Plöhn.
- Kieler Nachrichten:
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Herr Gislason, wenn es geklappt
hätte mit dem Champions-League-Sieg, wären sie gleich in Ihrem
ersten THW-Jahr mit dem Gewinn des Triples zur Legende
geworden. Sind sie jetzt sehr enttäuscht?
- Alfred Gislason:
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Natürlich ist es bitter, so zu verlieren. Die Enttäuschung
ist groß, aber es war kein Versagen. Sportlich haben wir
trotzdem eine erfolgreiche Saison gespielt, stellen vermutlich
einen neuen Punkte-Rekord auf. Trotzdem, das
Triple hätte mir ganz sicher noch viel besser gefallen.
- Kieler Nachrichten:
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Wie kam es zu diesem eklatanten Einbruch nach der 20:16-Führung?
- Alfred Gislason:
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Omeyer hat in der ersten
Halbzeit großartig gehalten, dann haben wir den Vorsprung
zu schnell aus der Hand gegeben. Wir haben einfach
nicht die Chancen genutzt, haben auch keine doppelte
Besetzung wie Ciudad Real. Es kam kein Druck mehr
aus dem Rückraum. Man muss aber auch besser spielen.
Hinzu kamen die unsportlichen Dinge, die Verzögerungen, Konfettiwürfe, Provokationen.
Das alles war kein Zufall. Ich will Talant Duschebajew
nicht für seine Ausfälle kritisieren. Aber wenn man
das zulässt, passiert
es eben.
- Kieler Nachrichten:
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Die Niederlage ist für
den THW nicht leicht, aber fällt der Weggang
des Trios Stefan Lövgren, Nikola Karabatic
und Vid Kavticnik
nicht noch schwerer ins Gewicht?
- Alfred Gislason:
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Richtig, alle drei sind Weltklasseleute,
nicht zu ersetzen. Wir erleben in Kiel
eine echte Zäsur. Mit Ilic, Sprenger und
Palmarsson kommen aber neue Leute. Es
geht weiter. Ich kann keine Prognose abgeben,
aber es wird eine gewisse Zeit dauern, um die Standards
zu erhalten. Wichtig wird auch
sein, dass unsere erfahrenen Spieler deutlich mehr Verantwortung übernehmen.
Leute wie Filip Jicha oder Kim Andersson
zum Beispiel. Es hätte übrigens keinen Zweck
gehabt, Nikola mit Gewalt in Kiel zu halten, hätte er bleiben
müssen, wäre er künftig nicht mit 100 Prozent bei der
Sache gewesen. Wir haben alles versucht, aber er wollte
unbedingt weg. So war es besser, sich zu trennen.
- Kieler Nachrichten:
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Welcher Weggang trifft den
THW am schwersten?
- Alfred Gislason:
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Alle drei sind hart. Aber aus meiner Sicht trifft es den
THW am stärksten, dass Uwe Schwenker nicht mehr Manager
sein wird. Das hat ausdrücklich nichts mit Uli Derad
zu tun, der am 1. Juli das
Amt übernimmt.
- Kieler Nachrichten:
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Wer wird Karabatic oder
Lövgren auf der Mittelposition
ersetzen?
- Alfred Gislason:
-
Drei Spieler kommen in Frage.
Börge Lund, Filip Jicha
und Aron Palmarsson, unser 18-jähriger Neuzugang aus Island.
Er gilt als eines der weltbesten Talente. Allerdings
wird auch Aron seine Zeit benötigen, um sich an die Bundesliga
zu gewöhnen. Er hat tolle Spiele in der Nationalmannschaft
gemacht, aber es ist ein großer Schritt.
- Kieler Nachrichten:
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Hat es bei Ihnen Momente gegeben, in denen Sie nach dem
Personalwechsel über Ihre eigene Zukunft beim THW nachgedacht
haben?
- Alfred Gislason:
-
Nein, überhaupt nicht. Ich habe zwar unter anderen Voraussetzungen
in Kiel angefangen, aber mir noch keine Gedanken über meine Zukunft
gemacht. Ich bin und bleib' Trainer in Kiel.
- Kieler Nachrichten:
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Heute spielt der THW in der Bundesliga bei TuSEM Essen.
Ihre Spieler kommen direkt von einem Kurzurlaub aus Mallorca.
Wie fit erwarten Sie die Jungs?
- Alfred Gislason:
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Frisch werden sie wohl nicht
sein, aber ich rechne damit, dass sie sich Mühe geben und
gewinnen werden. Dann ist der neue Punkterekord der
Liga perfekt. Ich selbst komme alleine aus Köln. Dort habe
ich noch eine Wohnung aus Gummersbacher Zeiten. Ich
zahle noch bis zum August Miete und will schauen, ob da
nicht schon ein anderer wohnt (Gislason schmunzelt).
- Kieler Nachrichten:
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Wie sieht Ihr Saisonfazit aus?
- Alfred Gislason:
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Natürlich bin ich im Moment noch sehr enttäuscht. Aber
hätte mir jemand im August 2008 gesagt, dass wir das
Double und den Supercup gewinnen, außerdem ins
Finale der Champions League einziehen: Ich wäre sehr zufrieden gewesen.
(Das Gespräch führte Reimer Plöhn, aus den Kieler Nachrichten vom 03.06.2009)