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24.09.2010 Mannschaft

Kieler Nachrichten: "Vier ganz schlechte Tage"

Daniel Narcisse fiel nach Kreuzbandriss in ein tiefes Loch - THW-Star wieder ohne Krücken

Aus den Kieler Nachrichten vom 24.09.2010:

Daniel Narcisse, Ehrenbürger von Saint-Denis.
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Kiel. Die Krücken, die Daniel Narcisse heute, 45 Tage nach seiner Knieoperation, endlich in die Ecke stellen darf, nannte er bereits ironisch "Ersatzbeine". Das Mare-Klinikum in Kronshagen, in dem der Rückraumstar des Handballmeisters THW Kiel sich täglich durch die Reha quält, ist für ihn sein "zweites Zuhause".
Am 6. August rutschte er in Lüneburg in einem Testspiel gegen den spanischen Erstligisten Aragon aus (siehe Bericht). Eine harmlose Szene, die, so der Franzose, in jedem Spiel "hundertfach" stattfindet. "Ich hatte sofort starke Schmerzen und wusste, dass es eine schlimme Verletzung ist." Das linke Kreuzband war gerissen, ein Comeback des Olympiasiegers wird erst im März erwartet. Blickt Narcisse, bekannt für seine gute Laune und großen Optimismus, zurück, erinnert er "vier ganz schlechte Tage". Erst danach hätte er es geschafft, die "CD im Kopf auszuwechseln".

Er hatte sich gerade für diese Saison so viel vorgenommen, war doch bereits sein erstes Jahr in Kiel von Rückschlägen geprägt gewesen. Anfangs warfen den Modellathleten muskuläre Probleme zurück, später brach der kleine Finger der rechten Hand. Beides war ihm noch nie passiert. Obwohl er auf der Zielgeraden der vergangenen Saison maßgeblichen Anteil daran hatte, dass der THW die Meisterschaft und die Champions League gewann, war er mit sich unzufrieden gewesen. Seinen Zenit hätte er als "Zebra" noch nicht erreicht. Entsprechend motiviert startete er in sein zweites Jahr, lief in der Vorbereitung zu bestechender Form auf. Dann kam Lüneburg und der 6. August.

Narcisse wollte auch mit dem Vorurteil aufräumen, aufgrund seiner überragenden Fähigkeiten auf dem Feld oft nur das Nötigste abzuleisten. Als Schüler hätte diese Kritik seine Berechtigung gehabt, meint er, der in bescheidenen Verhältnissen mit vier Geschwistern und viel Sport aufwuchs. "Meine Eltern haben mir den Sport nur erlaubt, wenn die Noten stimmten." Sie stimmten, gerade so. Auf der Skala von null bis 20 benötigte der Abiturient mindestens eine Zehn. "Ich hatte immer genau eine Zehn."

Von Saint-Denis, der Hauptstadt seiner Heimat La Reunion, ist der 210-malige Nationalspieler inzwischen Ehrenbürger. Ein Titel ohne irdische Vorteile, geehrt fühlt er sich trotzdem. "Ich möchte der Jugend ein Vorbild sein." Ihnen wolle er zeigen, was mit harter Arbeit möglich ist.

Auf der kleinen Insel im Indischen Ozean ist der zweimalige Weltmeister spätestens nach der Meisterfeier auf dem Kieler Rathausplatz ein Held. "Ich werde immer wieder auf mein Lied angesprochen", sagt der 29-Jährige, der an diesem 5. Juni mit den 25 000 Fans einen kreolischen Text von Gramoun Lele sang. "So nervös bin ich noch nie gewesen", sagt Narcisse, der sich erst mit zwei Gläsern Reunion-Rum enthemmen musste. Über YouTube wurde der Liederabend weltweit verbreitet, in der Heimat heben noch heute alle den Daumen. "Sie meinen, ich hätte gut gesungen", sagt er nicht ohne Stolz. Bei dem vor sechs Jahren verstorbenen Lele hat er sich in einem Zeitungsinterview längst entschuldigt, so gut fand Narcisse sich als Sänger nicht.

Der zweifache Familienvater, der an einer Fernuni in Grenoble Betriebswirtschaft studiert, versuchte sich in seiner Jugend neben dem Handball ("meine Berufung") als Leichtathlet, Basketballer und Boxer. Er glaubt, dass ihm diese Vielfalt geholfen hat, ein Spieler zu werden, der aufgrund seiner enormen Sprungkraft als "Air France" geadelt wurde.

Nach Kiel war er im August 2009 gekommen, um mit einer Vereinsmannschaft Titel zu gewinnen. Mit Chambery war er 2001 zwar französischer Meister geworden, mehr war ihm, der mit dem Nationalteam fünf Goldmedaillen gewann, aber verwehrt geblieben. "Ich wollte unbedingt die Champions League gewinnen. Und es gibt nur vier, fünf Mannschaften, mit denen das geht."

Ob sein Hunger nun gestillt ist? Narcisse lacht. Wer ihn, seine Frau Emmanuelle und die Kinder Noa und Aimy in Melsdorf besucht, wird keine Meilensteine seiner außergewöhnlichen Karriere finden. Die zahlreichen Medaillen hat er gut verstaut. "Die hänge ich erst auf, wenn ich fertig bin. Aber das dauert noch."

(von Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 24.09.2010)


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