Meisterschaft futsch, Champions-League-Sieg passe: Der THW schrammt
gegenwärtig an seinen Saisonzielen vorbei. Am Wochenende
bietet sich für den Spitzenklub aus dem Norden die wohl
letzte Möglichkeit, in dieser Saison noch einen Titel
zu gewinnen.
Die TOYOTA Handball-Bundesliga sprachen mit THW-Manager
Ulrich Derad.
- HBL:
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Der THW Kiel hat das Final Four der Champions
League verpasst und muss nun zusehen, wie der
HSV Hamburg die Schale gewinnen wird. Wie groß
ist die Unruhe?
- Uli Derad:
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Unzufriedenheit ist immer, wenn der Erfolg nicht da ist. Mit unserer
Mannschaft muss man um Titel spielen. Wir haben bislang
eine harte Saison gehabt, und die Mannschaft muss erstmals
damit umgehen, nicht ganz vorne dabei zu sein. Das
ist nicht leicht, aber das gehört im Profisport
dazu. Es kann sich niemand verstecken, wir brauchen
Charakter und Kampf um diese Saison noch gut
zu Ende zu bringen und die direkte Qualifikation
für die Champions League zu erreichen. Das sind
wir nicht zuletzt unseren Fans schuldig. Im Sport
kann man immer verlieren, gerade auch wenn
Barcelona und Kiel aufeinandertreffen. Das wird,
wenn jeder bis zum Ende alles gegeben hat,
auch akzeptiert und verstanden.
- HBL:
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Wie viel Geld verliert der THW, weil er in Köln nicht dabei sein wird?
- Uli Derad:
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Vorrangig geht es ja nicht um das Geld, sondern um das Image.
Im Final Four dabei zu sein, ist für die Mannschaft, den
Verein und die Fans ein Erlebnis der besonderen Art.
Sicher kann man bei der Endrunde um den Sieg in der
Champions League Geld verdienen. Aber Einnahmen dieser
Art kann man nicht einplanen - das gilt im übrigen für alle Klubs.
- HBL:
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Hat man in Kiel bereits damit begonnen, ein wenig
Ursachenforschung für diesen Saisonverlauf zu betreiben?
- Uli Derad:
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Natürlich wird die bisherige Leistung auch in der laufenden
Saison hinterfragt. Die Mannschaft wird das ebenso
wie der Trainerstab und die Vereinsführung machen,
wir wollen ja aus dem Tief heraus. Am Ende der
Saison wird man dann auch abschließend analysieren können,
wo es gehakt hat. Wir wollen die Saison ordentlich zu
Ende spielen und mit weiteren Erfolgen die erneute
Qualifikation für die Champions League sichern.
Zudem haben wir am Wochenende beim Lufthansa Final Four
die Chance, einen Titel zu gewinnen. Das wird alles andere
als ein Selbstgänger. Die Mannschaft wird sich aber
zerreißen, um den Pokal nach Kiel zu holen.
- HBL:
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Demnach hat der nationale Pokalwettbewerb in Ihren Augen
nun einen besonderen Stellenwert.
- Uli Derad:
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Das Lufthansa Final Four ist der
weltweit populärste nationale Vereinswettbewerb. Die Stimmung
in der Halle ist einmalig. Wir waren im vergangenen Jahr
in Hamburg nicht dabei, das hat wehgetan. Deshalb wollen
wir dieses Jahr nicht nur dabei sein, wir wollen gewinnen
und zeigen, dass wir da sind.
- HBL:
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Einer Ihrer Spieler wird definitiv dann nicht mit
dabei sein. Jerome Fernandez
wechselte kurzfristig in seine französische Heimat und
ist nun in Toulouse heimisch. Wie kam der plötzliche
Transfer zustande?
- Uli Derad:
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Jerome hat uns um die Auflösung seines Vertrages
gebeten, um sofort nach Toulouse zu wechseln. Wir hatten
Jerome Fernandez seinerzeit verpflichtet,
weil wir aufgrund zahlreicher Verletzungen Handlungsbedarf
sahen und er uns unkompliziert und zeitnah zur Verfügung
stand. Jetzt, da unser Kader wieder komplett ist, haben
wir der Anfrage zugestimmt, zumal Fernandez
damit seine sportliche und berufliche Karriere in Frankreich
weiter und rascher vorantreiben kann. Hinzu kommen auch
noch persönliche Gründe.
- HBL:
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Bedeutet das für die Konkurrenz bei der Pokalendrunde in Hamburg,
dass der THW mit vollem Orchester anreisen wird?
- Uli Derad:
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Das ist noch nicht sicher. Daniel Narcisse, der schon
gegen Barcelona und in Magdeburg
nicht spielte, laboriert noch immer an den Folgen einer Zerrung.
- HBL:
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Ihre Fans jedenfalls lassen sich die Laune durch den
bisherigen Saisonverlauf nicht ruinieren. Darf
man wieder mit einer schwarz-weißen Völkerwanderung
Richtung Hamburg rechnen?
- Uli Derad:
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Die Fans des THW Kiel kommen nicht nur aus Kiel. Wir haben
Kartenanfragen aus ganz Europa. Unser Kartenkontingent
war binnen Stunden vergriffen. Zudem sind unsere sensationellen
Fans sehr kreativ, wenn es darum geht, Tickets zu ergattern.
Insofern ist es schwer einzuschätzen, wie viele THW-Fans
am Ende tatsächlich in der Halle sein werden. Wir wollen
alles geben, um diese großartigen Fans, die auch in nicht
ganz so erfolgreichen Spielen zu uns stehen, nicht zu enttäuschen.
Die Mannschaft wird ganz sicher ebenso Vollgas geben wie die
THW-Fans, um die O2 World kurzfristig zu unserer Heimspielstätte zu machen.
(Das Interview führte die HBL)