THW-Logo
20.12.2011 EM 2012

ZEBRA: Zurück zu alter Strahlkraft

Aus dem offiziellen THW-Magazin "ZEBRA", von Björn Pazen:

Vom 15. bis 29. Januar 2012 findet die EM 2012 in Serbien statt.
Klicken Sie für weitere Infos! Vom 15. bis 29. Januar 2012 findet die EM 2012 in Serbien statt.

Im ehemals erfolgsverwöhnten Serbien soll die EM 2012 den Handball wieder ins Rampenlicht führen. Da es den Clubs an Geld mangelt, spielen alle Nationalspieler im Ausland.
Die sportliche Konkurrenz in Serbien ist schier übermächtig. Die Wasserballer zählen zur Weltspitze, im Basketball sind die Spitzenclubs aus Belgrad in Europa eine große Nummer, im Volleyball spielen Weltstars in Serbien, und auch der Fußball ist wieder in aller Munde. Und die einst so erfolgreichen Handballer? Sie fristen in der nationalen Sicht gerade noch ein Schattendasein. Nun soll die Europameisterschaft 2012 dem "Rukometna Savez Serbia", dem serbischen Handballverband, wieder zu alter Strahlkraft verhelfen.

Denn es ist nicht mehr viel geblieben von den guten alten Zeiten, den Zeiten, als der Vielvölkerstaat noch Jugoslawien hieß, als noch nicht von Serben angezettelte Kriege das Land geteilt hatten. Zweimal Olympiagold 1972 und 1984, einmal Weltmeister 1986, dazu 1985 und 1986 der Europapokal der Landesmeister durch die Übermannschaft von Metaloplastika Sabac. Alles Schall und Rauch. Sabac spielt in der ohnehin schon schwachen serbischen Liga nur noch im Mittelfeld, den Titel machen die Belgrader Teams Partizan und Roter Stern unter sich aus.

Aus Sabac und der goldenen Generation kommt aber der Mann, der Serbien nun wieder zu einer Handball-Macht machen soll: Veselin Vukovic. Seit der blamablen Vorstellung bei der EM in Österreich (Platz 13) trainiert der ehemalige Weltklasse-Kreisläufer die Auswahl Serbiens. "Wir wollen Serbien mittelfristig wieder zu einer Handball-Großmacht aufbauen", sagt der Nationaltrainer vollmundig: "Wir wissen, dass die Menschen hier handball-verrückt sind. Ich hoffe nur, dass sie Geduld mit uns haben."

Der Druck, die Erwartungshaltung ist bereits jetzt überall in Serbien spürbar. Befeuert wurde dieser zuletzt zusätzlich durch den 22:20-Erfolg beim Vier-Nationen-Cup gegen den Erzrivalen Kroatien. Immer wieder wurde Vukovic in den vergangenen zwei Jahren gefragt, ob seine Mannschaft bei der Heim-EM auch eine Medaille gewinnt. "Seit zehn Jahren gab es kein Edelmetall für eine Mannschaft aus Serbien, es wäre also an der Zeit", sagt Vukovic.

2001 hatte ein gewisser Arpad Sterbik, der mittlerweile seine Staatsangehörigkeit gegen die spanische getauscht hat, mit seinen Paraden für WM-Bronze in Frankreich (wie schon zwei Jahre zuvor in Ägypten) gesorgt, nachdem das Balkan-Team, das damals noch als Serbien-Montenegro firmierte, hauchdünn mit 24:25 im Halbfinale an Schweden gescheitert war. Doch schon damals zeichnete sich ab, dass die übrigen Verbände aus Ex-Jugoslawien erfolgreicher waren, allen voran die Kroaten mit WM- und Olympia-Gold. Aber auch die Slowenen (Vize-Europameister 2004) und Mazedonier waren stärker als die Serben und Montenegriner. Diese Verbände hatten sich kurz nach den Kriegen Anfang der 90er Jahre wie ihre Länder neu gegründet. Als sich das kleine Partnerland Montenegro 2006 auch noch abspaltete, war es um die serbische Herrlichkeit vorbei. "In Kroatien hat der Handball einen ganz anderen Stellenwert als hier", bemerkt Vukovic, "dort ist Handball Sportart Nummer eins, wird von der Wirtschaft, aber auch dem Staat ganz anders gefördert."

Denn das liebe Geld ist das Problem Nummer eins in Serbien - im Alltag, im Sport, im Handball im speziellen. Vukovic hat nachgerechnet: "Die Etats der europäischen Topclubs sind rund 20 Mal so hoch wie die Budgets unserer Spitzenvereine Partizan und Roter Stern. Kein Wunder also, dass wir nicht mithalten können." Und weil es nichts zu verdienen gibt, verlassen bereits die jüngsten Talente ihre Heimat. Vukovic hat längst eingesehen, dass man gute Spieler nicht in der Heimat halten kann. Allerdings gleicht der serbische Verband vor jedem Lehrgang, jedem Länderspiel eher einem Reisebüro, wenn die Flugpläne für alle Legionäre koordiniert werden müssen. "Ja ich sehe meine Spieler schon sehr selten, häufig nur auf Videos", sagt Vukovic. Und doch scheint es ihm gelungen, aus der Masse an Spitzenspielern wieder eine Mannschaft zu formen. Eine, die bei der Europameisterschaft für Furore sorgen möchte. Und für die Zukunft nach der EM? Da sieht Vukovic Potenzial, dass sein Sport wieder aus dem Dornröschenschlaf geweckt wird. "Leider ist Sabac kein EM-Spielort. Aber auch dort bauen wir eine neue Halle und eine neue Mannschaft. Dort soll die Tradition wieder aufleben." Und damit auch die Chance, der schier übermächtigen Sport-Konkurrenz in dem kleinen Balkanstaat wieder erfolgreich die Stirn zu bieten.

(Aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "ZEBRA", von Björn Pazen)


(20.12.2011) Ihre Meinung im Fan-Forum? Zur Newsübersicht Zur Hauptseite