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09.02.2012 Interview

ZEBRA-Interview mit Alfred Gislason: "EM nur alle vier Jahre"

Aus dem offiziellen THW-Magazin "ZEBRA", von living sports:

Alfred Gislason.
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Viel Zeit nahm sich THW-Trainer Alfred Gislason für das Gespräch mit ZEBRA. Im ersten Teil des Interviews erzählt Gislason von den Zielen in der Königsklasse, von "Typen" und seine Ansicht zu den Plänen Quatars für die WM 2015.
ZEBRA:
Herr Gislason, heute beginnt für den THW Kiel der Endspurt in der Gruppenphase der Köngisklasse. Welches sind Ihre Ziele in der Champions League?
Alfred Gislason:
Das Ziel ist Köln. Da wollen wir wieder dabei sein. Überrascht hat mich bisher, dass Montpellier so viele Punkte abgegeben hat. Für uns ist es gut, dass wir eine so starke Gruppe haben. So spielen wir immer vor einer nahezu ausverkauften Halle. Es wäre schön, wenn wir am Ende die Gruppe gewinnen würden - aber nicht ausschlaggebend. Der Auftakt heute wird ein schwieriges Spiel, Kopenhagen wird eine harte Partie, noch schwieriger wird meiner Meinung nach aber das Heimspiel gegen Leon.
ZEBRA:
Welches Gefühl haben Sie vor dem Beginn der Rückserie?
Alfred Gislason:
Keines - bevor ich nicht den Kader im ersten Spiel gesehen habe. Mal sehen, wer von meinen Jungs spielen kann.
ZEBRA:
Entscheidet ein Trainer aus dem Bauch heraus, wer das Spiel beginnen darf?
Alfred Gislason:
Nein. Natürlich will jeder beginnen. Wer beim THW Kiel spielt und eigentlich lieber auf der Bank sitzen möchte, ist auch beim falschen Verein. Wer von Beginn an spielt, das hängt erstens von der Spielweise des Gegners ab. Außerdem setze ich bei uns fast alle Spieler in jeder Partie ein. Ich vertraue jedem meiner Jungs. Auch das ist ein Grund, warum wir in der Hinserie dieses ausgeglichene Niveau halten konnten. Jeder ist mit eingebunden und muss sein Können für die Mannschaft einbringen - ob er dann zehn oder vierzig Minuten spielt. Es geht um die Mannschaft, den Verein sowie den Erfolg und nicht um das persönliche Empfinden der Spieler, das ist zweitrangig. Das akzeptieren die Spieler jetzt eher als vorher. Das "Rotationsprinzip" ist ein Lieblingswort der Journalisten. Ich sage: Es geht im modernen Handball mit seinen außergewöhnlichen Belastungen nicht anders. Es geht darum die Last auf alle zu verteilen. Auf lange Sicht sollte das sich auszahlen.
ZEBRA:
Wie konnten Sie Ihre Mannschaft auf die Rückserie vorbereiten?
Alfred Gislason:
Fast gar nicht. Ich hatte während der Europameisterschaft nur vier Spieler im Training - so eine Situation habe ich als Trainer noch nicht erlebt. Aber dagegen kann ich nichts unternehmen. Meine Aufgabe ist es, die Spieler, die in Kiel geblieben sind, topfit zu bekommen. Sie sind viel gelaufen und haben noch mehr Zeit im Kraftraum zugebracht. Nebenbei wurde Squash gespielt und mit der zweiten Mannschaft ein wenig mit dem Ball trainiert.
ZEBRA:
Schaut man als Vereinstrainer eigentlich entspannt eine Europameisterschaft?
Alfred Gislason:
Es ist eine komische Situation. Man guckt Schweden gegen Tschechien im Fernsehen, und es ist einem egal, wer gewinnt. Man hofft nur, dass sich keiner von den eigenen Spielern verletzt.
ZEBRA:
Was halten Sie von den jährlichen Großturnieren für Nationalmannschaften?
Alfred Gislason:
Wir müssen zu einem Vier-Jahres-Rhythmus für Welt- und Europameisterschaften kommen. Die Belastung der Spieler ist einfach zu hoch, die Verletzungen sprechen Bände. Vielleicht sollten die Funktionäre einmal darüber nachdenken, wie es war, als sie jung waren. Fast alle haben ja wirklich Handball gespielt.
ZEBRA:
Und die Pläne Quatars, sich eine Mannschaft für die WM 2015 aus internationalen Topstars zusammenzustellen?
Alfred Gislason:
Wenn man es zulässt, dass Spieler ihre Nationalität wie Trikots wechseln können, dann ist das das Ende von Welt- und Europameisterschaften. Dann haben Nationalmannschaften nur noch Clubcharakter, und wir lassen sie höchstens noch bei Olympia spielen.
ZEBRA:
Wäre das nicht der Startschuss für die Euroleague, in der die besten Vereinsmannschaften eine Punktrunde spielen sollen?
Alfred Gislason:
Ich denke, früher oder später wird eine Art Euroleague kommen. Das ist ein guter Gedanke. Allerdings stellt sich die Frage, wie man das mit den Ligen vereinbart.
ZEBRA:
Ist die Bundesliga inzwischen so langweilig, dass man eine Euroleague braucht?
Alfred Gislason:
Nein. Die Bundesliga ist nicht das Problem. Wenn wir gegen Hüttenberg schlecht spielen, verlieren wir. Das ist in jedem Spiel so, du kannst nirgendwo locker gewinnen. Aber in anderen Ligen ist das anders. In Ungarn spielt immer die gleiche Mannschaft um den Titel, Zagreb ist der einzige Topclub in Kroatien, in Spanien machen vier Mannschaften jeden Titel unter sich aus, und Kopenhagen wird in den nächsten Jahren alles in Dänemark gewinnen, obwohl gute Mannschaften dahinter stehen. Eine Euroleague könnte durch die Bündelung von Top-Vereinen und das dadurch größere Sponsoreninteresse ein großer Schritt für den Handball sein.
ZEBRA:
Sie haben Stars wie Olafur Stefansson, Oleg Kuleschow, Stefan Lövgren oder aktuell Filip Jicha und Thierry Omeyer trainiert. Gehen Sie auf die besonderen Charaktere dieser Spieler ein oder sind Sie immer Alfred Gislason?
Alfred Gislason:
Natürlich. Der Spieler muss sich mir auch nicht anpassen. Er muss für die Mannschaft und den Verein die Leistung bringen, die man von ihm erwartet. Was er für einen Charakter hat, wissen wir meist vorher schon. Die meisten dieser Charaktere sind richtig gute Sportler, weil sie eben so sind wie sie sind. Wir brauchen die bestmöglichen Sportler. Was wir nicht brauchen, ist ein so genanntes Aushängeschild mit grünen Haaren oder einem halben Kilo Gel in den Haaren. Das macht keinen guten Handballerspieler aus. Erstmal muss ein Spieler über einen langen Zeitraum Leistung bringen über einen langen Zeitraum. Die grünen Haare bringen vielleicht Aufmerksamkeit, aber keine Punkte. Ich finde es gruselig, wenn ich lesen muss, dass der Handball "Typen" braucht, und damit das Aussehen gemeint ist. Ein Stefan Kretzschmar ist nicht nur bekannt geworden, weil er so schrill aussah. Erst war er ein sehr guter Handballer.
ZEBRA:
Im Sommer wird sich einiges in Ihrem Kader bewegen. Unter anderem kommen zwei Kreisläufer ...
Alfred Gislason:
Daniel Kubes hat hier einen guten Job gemacht und wird auch bis zum Saisonende alles geben. Aber Patrick Wiencek und Rene Toft Hansen sind beides gute Abwehrspieler. Und wir haben auch noch Marcus Ahlm. Da im Sommer die Pause sehr kurz ist und die Kreisläufer eine zentrale Rolle in unserem Spiel spielen, wollte ich Marcus unbedingt halten, damit er die beiden Neuen "einarbeiten" kann. Verlassen wird uns auch Henrik Lundström, den es nach Hause zieht. Bei Tobias Reichmann ist das etwas anderes: Er will unbedingt mehr Spielanteile und in einem Verein spielen, in dem er gesetzt ist. Das hat er sich bei uns nicht herausarbeiten können. Damit war er unzufrieden - und dann muss man sich eben trennen.
(aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "ZEBRA", von living sports)


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