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14.02.2012 Bundesliga

Kieler Nachrichten: Der freiwillig unfreiwillige Übergangstrainer

Jens Häusler pendelt täglich zwischen Kindergarten und dem deutschen Handball-Meister HSV Hamburg

Aus den Kieler Nachrichten vom 14.02.2012:

Kiel/Hamburg. Warum ist der kleine Linus im Kieler Stadtteil Suchsdorf an der Au in letzter Zeit irritiert? Und warum bleibt ein 1969er Porsche 912 in diesem Jahr ein paar Monate länger eingemottet sonst? Der Grund ist 44 Jahre alt, heißt Jens Häusler, ist in Kiel kein Unbekannter und wurde über Nacht zum Cheftrainer des deutschen Handball-Meisters HSV. Und das irgendwie freiwillig unfreiwillig.
Der gelernte Werbetechniker spielte in der Ersten Bundesliga für Wuppertal, Wallau und Kronau-Östringen, stellte sich dann noch einmal für den TSV Altenholz an den Kreis und übernahm den Zweitligisten von September 2008 bis November 2009 als Trainer. Nach einem Intermezzo bei der SG Kropp-Tetenhusen-Dithmarschen wurde Zwei-Meter-Mann Häusler im Juli 2011 beim HSV U23-Coach und Co-Trainer von Per Carlen. Der Rest ist Geschichte: Kurz vor Silvester wurde Carlen gefeuert, und Häusler übernahm als Interims-Trainer das Ruder beim Star-Ensemble. Ein Job mit Verfallsdatum: Spätestens zur neuen Saison wird Häusler wieder ins zweite Glied zurücktreten.

Doch bis dahin widmet sich der Familienvater der neuen Aufgabe mit ganzer Kraft und Hingabe. Morgens bringt er Linus (5), Jasper (3) und Rasmus (1) in den Kindergarten, setzt sich ins Auto nach Hamburg, widmet sich tagsüber und abends Igor Vori, Johannes Bitter, den Gille-Brüdern und Co. und kehrt erst spät zu den Kindern und Ehefrau Iris zurück. "Eine schöne Aufgabe, die Spaß macht", nennt Häusler das im Gespräch zwischen Training, Video-Studium und Autobahn. So groß, sagt der 44-Jährige, sei der Unterschied zwischen dem HSV und dem TSV Altenholz übrigens nicht. Die individuellen Fähigkeiten seien anders, sicher. Doch gehe es doch immer um Menschen und Befindlichkeiten.

Sein Debüt endete mit einem 24:23-Sieg gegen die Füchse Berlin. Ein Spiel mit viel Adrenalin. Zuerst setzte Häusler Europameister Hans Lindberg auf die Bank und gab Stefan Schröder den Vorzug. Dann musste er auch vor den Fernseh-Kameras Rede und Antwort stehen. Papa im Fernsehen? Das hat Linus irritiert. Und Hans Lindberg? "Der hat nur gesagt, dass ich Bescheid sagen soll, wenn er aufs Feld soll", sagt Häusler. Profis eben. Eine "demokratische Laberrunde" gebe es nicht bei Häusler. "Aber meine Vorstellungen bespreche ich natürlich mit den Spielern." Und mit HSV-Präsident Martin Schwalb. "Wir haben einen intensiven Austausch, aber er schaut mir nicht permanent über die Schulter."

Damit haben sich die Gerüchte, Häusler sei nur Schwalbs Marionette, auch erledigt. Er "bastelt" alleinverantwortlich am HSV-Erfolg, stellt sich selbst in den Hintergrund ("Es geht um den Verein, nicht um mich"), will auf allen Hochzeiten (Champions League, Pokal, Bundesliga) so viel wie möglich erreichen. "Wir wollen alles gewinnen, was wir gewinnen können, und wieder die Champions League erreichen."

Dafür muss die "Bastelei" an seinen Oldtimern, darunter ein 1969er Porsche 912, warten. Gut schlafen kann Häusler trotzdem, analysiert zu Hause bis spät Videos von kommenden Gegnern und eigenen Auftritten. Morgens bringt er wieder die Kinder in den Kindergarten, fährt dann nach Hamburg und steht plötzlich im Rampenlicht. Bis Sommer. Freiwillig unfreiwillig irgendwie.

(Von Tamo Schwarz, aus den Kieler Nachrichten vom 14.02.2012)


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