Die perfekte Saison des THW mit dem Titel-Dreiklang
Meisterschaft-Pokal-Champions League ist seit Monaten vorüber.
Die Ehrungen für den THW Kiel nehmen dennoch kein Ende. Jetzt
wurde der Vorzeigeklub von der Ostsee für die Wahl zur
Mannschaft des Jahres nominiert. Die Konkurrenz ist gewaltig:
Schließlich stehen mit dem Deutschland-Achter, den Hockey-Herren
oder dem Beach-Volleyball Duo Brink/Reckermann aktuelle
Goldmedaillengewinner der Olympischen Spiele von London zur
Wahl. Allerdings ist der THW Kiel als seit Jahren dominierendes
Team - sowohl national als auch international - keineswegs
chancenlos und hätte es sicher auch verdient zu gewinnen. Die
anstehende Wahl und wie
Alfred Gislason
Gegenwart und Zukunft der Erfolgsmannschaft gestaltet, sind die
Themen eines großen Interviews mit dem Trainer des THW Kiel.
- HBL:
-
Nach der perfekten Saison 2011/2012 scheinen die Dinge rund
um den THW Kiel ja dramatisch schlecht zu stehen. Sie haben
in der Liga bereits einen Minuspunkt.
- Alfred Gislason:
-
(lacht) Das ist ja das, was alle gehofft haben. Aber es war
uns vor der Saison klar, dass es nicht immer so weiter gehen
wird wie im Vorjahr. Das haben wir oft genug gesagt, und das
ist auch kein Problem. Wir haben diverse neue Leute einbinden
müssen. Und dass dann die Dinge nicht immer wie geschmiert
laufen, liegt doch auf der Hand.
- HBL:
-
Wie haben sich denn die Neuzugänge
Patrick Wiencek, Rene Toft Hansen,
Gudjon Valur Sigurdsson und
Marko Vujin bisher eingefügt?
- Alfred Gislason:
-
Das war bei Sigurdsson sicher ein bisschen
einfacher als bei den anderen. Die brauchten ihre Zeit, da wir
aufgrund der Olympischen Spiele überhaupt
keine richtige Vorbereitung hatten. Ich hatte hier zeitweise
gerade mal sechs Spieler zur Verfügung.
- HBL:
-
Erklärt das auch die beiden Niederlagen in der
Champions League?
- Alfred Gislason:
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Das ist sicher eine Erklärung. Aber an den beiden verlorenen
Spielen ärgert mich weniger, dass wir sie verloren haben, sondern
wie diese Niederlagen zustande kamen. Wir haben unwahrscheinlich
schlecht gespielt. Und das macht mich richtig sauer.
- HBL:
-
Mit Ausnahme der Rhein-Neckar Löwen scheint auch in dieser Saison
in der Liga kein Team mit dem THW mithalten zu können. Wie stark
schätzen Sie die Mannheimer ein?
- Alfred Gislason:
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Schwer zu sagen! Die Löwen haben in dieser Saison überhaupt keinen
Druck, da sie keinerlei Erwartungen erfüllen müssen. Sie haben auch
nicht die Belastungen wie die Champions-League-Teilnehmer. Und dann
haben sie auch ein wenig Glück gehabt, weil sie sowohl gegen
Flensburg als auch gegen Berlin antreten mussten, als diese Klubs
von beschwerlichen Europacupreisen zurückkehrten. Allerdings ist
es auch eine Qualität, solche besonderen Umstände zu nutzen.
- HBL:
-
Haben Sie Verständnis dafür, dass jeder, der kein THW-Fan ist, den
Löwen für den Ligagipfel Ende November die Daumen drückt?
- Alfred Gislason:
-
Das ist mir sowas von egal, wer hier wem die Daumen drückt. Wir
haben schon so viele Gipfel gespielt. Wir freuen uns darauf, wie
sich hoffentlich auch alle Handballfans darauf freuen.
- HBL:
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In 2011/2012 haben Sie nicht nur sämtliche Titel eingestrichen,
die es zu gewinnen gibt. Der THW ist nun auch noch nominiert für
die Wahl zur Mannschaft des Jahres. Ist das eine besondere Auszeichnung?
- Alfred Gislason:
-
Das denke ich schon. Es ist nicht nur für den THW gut, wenn der
Handball sich im großen Rahmen des Sports präsentieren kann. Das
ist eine richtig schöne Sache.
- HBL:
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Rechnen Sie sich Chancen auf den Sieg aus?
- Alfred Gislason:
-
Darüber habe ich mir noch keinen Kopf gemacht. Die Konkurrenz ist
angesichts einiger olympischer Goldmedaillengewinner groß. Doch
schon allein die Nominierung ist für uns eine große Ehre.
- HBL:
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Wie schwer ist Ihre Arbeit eigentlich nach einer solch erfolgreichen
Saison? Können Sie die Spieler überhaupt noch motivieren, alles aus
sich herauszuholen?
- Alfred Gislason:
-
Ich denke schon. Auch eine perfekte Saison ist irgendwann halt mal
vorbei. Nach ein paar Wochen hat man das wieder vergessen, und dann
beginnt die Arbeit von vorn. Wir haben vier neue Spieler, mit denen
es Spaß macht zu arbeiten. Zudem habe ich die Möglichkeit, auch ein
paar neue Dinge einzubringen. Und man ist vor jeder Saison aufs Neue
gespannt, was die Zugänge mitbringen und wohin es die Mannschaft
führen kann. Über Dinge wie die perfekte Saison kann ich nachdenken,
wenn ich in Rente gehe und mich zurücklehne. Dafür ist jetzt keine Zeit.
- HBL:
-
Und was ist mit Ihnen? Sie haben nun auch alles gewonnen. Besteht
Gefahr, dass Sie die Lust am Erolg verlieren?
- Alfred Gislason:
-
Noch ist es nicht so. Und wenn das mal so sein sollte, dann werden Sie
mich nicht mehr am Spielfeldrand sehen. Die Arbeit macht noch immer
sehr viel Spaß, auch wenn es manchmal, wenn du stundenlang vor dem
Computer sitzt, ein wenig monoton sein kann. Aber wenn du deine Ideen
umsetzen kannst, dann ist das ein ganz spannender kreativer Vorgang,
bei dem du nie weißt, was am Ende herauskommt. Für die Zuschauer sind
das oft nur Kleinigkeiten, in denen aber mitunter sehr viel Arbeit steckt.
- HBL:
-
Ist der Job in Kiel die Ultima Ratio oder gibt es eine besondere
Herausforderung, die Sie noch reizt?
- Alfred Gislason:
-
Ich denke schon, dass es so etwas noch gibt. Im Moment wüsste ich aber
nichts. Ich konzentriere mich auf meine Arbeit in Kiel. Ich bin Trainer
beim besten Klub der Welt. Und was einmal nach Kiel kommen könnte,
weiß ich nicht. Als ich vor zehn Jahren in Magdeburg Trainer war,
habe ich gedacht: Das werde ich in zehn Jahren auch noch sein. Und
dann sind so viele andere Dinge passiert. Ich habe es mir abgewöhnt,
darüber nachzudenken.
(Das Interview führte die DKB HBL)