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Interview mit Hauke Mommsen:

[Bild: Hauke Mommsen] "Mit seiner offenen und faszinierenden Art, auf Menschen zuzugehen, hat es Hauke Mommsen so schnell wie noch kein anderer Therapeut zuvor geschafft, von den Spielern aufgenommen zu werden", bringt es THW-Physiotherapeut Uwe Brandenburg auf den Punkt. "Er ist auf seine Weise eine Bereicherung für die Mannschaft."
Seit November 1998 arbeitet Hauke Mommsen für das Team des THW. Damals nahm sein Chef Uwe Brandenburg, in dessen Praxis er inzwischen fünf Jahre Beruferfahrung sammelte, zum ersten Mal nach 18 Jahren während eines THW-Spiels Urlaub. Mommsen machte seine Sache gut und hat seitdem eine hohe Akzeptanz in der Mannschaft. Und ganz nebenbei absolvierte der 30-jährige noch seine 13 Semester Medizin-Studium und bestand Anfang Mai souverän sein Staatsexamen.
"Hauke ist ein Riesenfan der Mannschaft, ein feiner Kerl und super Typ", spart "Casey" Brandenburg nicht mit Lob, "eben ein Typ, mit dem auch gern mal am Tresen steht." Hallenheft-Redakteur Sascha Klahn überzeugte sich selbst und traf Hauke Mommsen zum Gespräch.
Zebra:
Hauke, was ist Deine Aufgabe als Physiotherapeut beim THW Kiel?
Hauke Mommsen:
Zweimal die Woche bin ich beim Training der Mannschaft dabei. Die Spiele sprechen wir in unserem Team immer ab. Die Heimspiele macht eigentlich "Casey" und ich habe bisher einige Champions League-Begegnungen und ein paar Auswärtsspiele mitgemacht. Und in dieser Saison auch die gesamte Vorbereitung. Ich habe mich immer gewundert, dass "Casey" das schon seit 19 Jahren macht - ich hab immer gesagt, entweder muss Eva ihn lieben oder wirklich hassen. Eins von beiden: entweder ist sie froh, dass er weg ist, oder... Vom Zeitaufwand ist das schon enorm, das muss man schon sagen. "Casey" und ich telefonieren auch täglich über Spieler und machen uns viele Gedanken.
Zebra:
Wie muss man sich Eure Zusammenarbeit mit Noka vorstellen?
Hauke Mommsen:
Ich sag mal, Noka ist Chefarzt und Brandecker ist Oberarzt und dann ist das Team so drumrum. Spaß beiseite, aber insgesamt muss man sagen, es kann nur im Team funktionieren. Es gibt ja keine gültige Allgemeinregel, wie Verletzungen nach zu behandeln sind. Man kann es ja nie vorhersagen. Und deswegen sprechen wir soetwas immer gemeinsam ab.
Zebra:
Und wie verhaltet Ihr Euch, wenn jemand verletzt ist? Wer entscheidet, ob ein Spieler aufläuft oder nicht? Macht das der "Chefarzt" Noka persönlich?
Hauke Mommsen:
Also, Noka hat ja auch eine sehr große medizinische Erfahrung. Er hat schließlich sieben Jahre in der Ambulanz in der Chirugie gearbeitet. Also ist er kein Laie. Was ich so im Laufe der Zeit mitbekommen habe, weiß er sehr, sehr viel über Sportverletzungen. Und im Endeffekt entscheidet das Team. Wenn wirklich gesagt wird, jemand soll nicht spielen, dann ist Noka auch nicht so und sagt, ich brauche ihn aber. Wir müssen immer abwägen, dass wir einerseits den Spieler schützen, im Sinne des Spielers handeln, aber natürlich auch im Sinne des Vereins, dass der Spieler so schnell wie möglich wieder spielt - da muss man manchmal Kompromisse machen.
Zebra:
Was hast Du momentan nach dieser sehr langen Saison für einen Eindruck von der Mannschaft?
Hauke Mommsen:
Ich glaube ja wirklich, dass die Mannschaft körperlich total fit ist im Vergleich zu anderen Mannschaften in der Bundesliga, dass sie körperlich viel zuzusetzen haben und steigerungsfähig sind. Dass sie nach 50, 60 Saisonspielen natürlich ausgelaugt sind ist auch klar. Verletzungen wie Zerrungen, Muskelverhärtungen oder Verspannungen und Blockaden - das sind ja schon keine Verletzungen, das zählt ja eigentlich schon nicht mehr.
Zebra:
Das Alter spielt also keine Rolle.
Hauke Mommsen:
Nein, das glaube ich nicht. Nicht im Mannschaftssport. Bei Individualsportarten glaube ich schon, aber im Mannschaftssport zählen so viele andere Faktoren.
Zebra:
Welchen Anteil hat den die medizinische Abteilung am Erfolg einer Mannschaft?
Hauke Mommsen:
Das kann man nur schwer ausdrücken. Anderseits sieht man, wenn Spieler wie Jacobsen oder Perunicic verletzungsbedingt ausfallen, ist die Mannschaft definitiv geschwächt. Die Spieler wissen natürlich um die Wichtigkeit ihrer Gesundheit. Sie rufen oft an und fragen, was sie machen sollen. Man darf nicht vergessen, sie sind täglich in der Reha-Klinik in Wellingdorf, dort wird fast die komplette Mannschaft ständig behandelt.
Zebra:
Was hast Du über die Physiotherapie für eine Beziehung zum Handball, zum THW Kiel? Warst Du vorher schon in diesem Sport engagiert oder kommt diese Verbindung rein aus Deinem Beruf?
Hauke Mommsen:
Eigentlich komme ich über die rein berufliche Schiene. Ich will nicht sagen, dass ich ein Handball-Laie bin. Ich habe mich schon für Handball interessiert, doch ich bin eher Fußballer.
Zebra:
Aber mittlerweile lebst Du den Handball, den THW Kiel. Wenn man Dich so zum Beispiel während des DHB-Pokalfinales beobachtet hat - Du warst heftigst engagiert am Spielfeldrand dabei.
Hauke Mommsen:
Ja. Wir haben ja einen wahnsinnigen Kontakt zu den Spielern allein dadurch, dass wir sie nachbehandeln. Ich spreche ja mehr mit den Spielern als Noka, wenn man so will. Man behandelt eine halbe, mal eine ganze Stunde, im Trainingslager oder bei Auswärtsspielen, wenn wir zwei, drei Tage zusammen unterwegs sind. Man redet wahnsinnig viel mit den Spielern und kriegt schon fast so ein familiäres Verhältnis. Das ist so wie die Putzfrau im Krankenhaus - da weiß man soviel über die Spieler. Und deswegen steht man natürlich auch voll dahinter, wenn die spielen - als ob man selbst auf der Platte steht. Deswegen kann man sich voll damit identifizieren.
Zebra:
Wie betätigst Du Dich selbst sportlich, wenn Du nicht gerade beim Handball bist?
Hauke Mommsen:
Ich spiele Tennis und ich jogge sehr viel. Und beim Training werfe ich Siebenmeter - ich werde auch immer besser!
Zebra:
Du sagtest vorhin, Du seist eigentlich Fußballer.
Hauke Mommsen:
Ich habe in meiner Jugend in der Landesauswahl gespielt und auch an Deutschen Meisterschaften teilgenommen, hatte sogar schon bei Altona 93 einen Vorvertrag für den Herrenbereich. Ich bin also richtig Fußballer gewesen, bin aber durch das Fußballspielen zwischen meinem 16. und 22. Lebensjahr achtmal operiert worden. Ich hatte einen Kreuzbandriss, das Sprunggelenk gebrochen, das Schlüsselbein gebrochen, einen Leistenbruch - und dadurch habe ich dann mit dem Fußballspielen aufgehört und bin einerseits in die medizinische Schiene gegangen, weil ich das so geil fand, wie die einen selbst wieder so zurecht bekommen haben nach so schweren Verletzungen. Das ist ist echt faszinierend und beeindruckend. Das war ein echter Ansporn für mich. In der Schule war ich zuvor nie eine große Leuchte und wenn man Medizin studiert, muss man ja eigentlich immer einen Numerus Klausus erfüllen. Und das hatte ich nicht. Mit meinem Abiturschnitt von 2,7 kriegt man keinen Studienplatz. Deswegen habe ich die Ausbildung vorher gemacht, hatte aber immer den Hintergedanken, auf jeden Fall am Ende Medizin zu studieren.
Zebra:
Das heißt, Du hast Deine Ziele eigentlich immer sehr orientiert und konsequent verfolgt. Und Du warst offensichtlich auch sehr ehrgeizig bei der Sache, wenn man sich anschaut, wie schnell Du dabei gewesen bist.
Hauke Mommsen:
Das stimmt. Ich habe in meinem praktischen Jahr mittlerweile schon 150 Operationen gemacht und sogar selber einen Hautschnitt. Ich bin natürlich froh, dass die Ausbildung jetzt dem Ende zugeht - und auch stolz. Ich bin ja nicht der typische Medizinstudent.
Zebra:
Wie geht es nach Deinem Studium für Dich weiter?
Hauke Mommsen:
Wo ich beruflich bleiben werde, weiß ich noch nicht genau. Ich möchte gern zumindest in Schleswig-Holstein bleiben, am besten natürlich in Kiel. "Casey" und ich haben uns schon soweit für die neue Saison abgesprochen, dass wir das wieder zusammen machen wollen, da es halt sehr gut funktioniert.
Zebra:
Das macht sich doch sicherlich auch nicht schlecht für Deinen weiteren beruflichen Werdegang, Physiotherapeut beim THW?
Hauke Mommsen:
Jeder will halt THW berühren, anfassen, dabeisein und mitsprechen. Es macht schon Eindruck in der Bewerbung...
(17.05.2000)
Interview: Sascha Klahn, entnommen dem THW-Hallenheft "Zebra".

Mehr Infos über Hauke Mommsen unter Porträt Hauke Mommsen.