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06./20.09.2004 - Letzte Aktualisierung: 20.09.2004 Medien

Noka Serdarusic im Handball-Magazin-Interview: "Ich bin ein Kieler!"

Update #1

Das Handball-Magazin.
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Das "handball-magazin" hat in seiner aktuellen Ausgabe 9/2004 ein ausführliches und sehr interessantes Interview mit THW-Trainer Noka Serdarusic veröffentlicht. Mit freundlicher Genehmigung des Handball-Magazins präsentieren wir nun das komplette Interview.
Mit einem Rekordumfang von 144 Seiten und komplett in Farbe setzt das Anfang September erschienene Bundesliga-Vorschauheft des "handball magazins" neue Maßstäbe. Die Redaktion bietet neben der Berichterstattung vom olympischen Turnier in Athen mit dem Silbermedaillen-Gewinn der deutschen Mannschaft eine unvergleichliche Vorschau auf die kommende Saison.

Die aktuelle Ausgabe bündelt alle Daten und Fakten zu 95 Vereinen der 1. und 2. Ligen der Männer und Frauen. Das Bundesliga-Vorschauheft, gleichzeitig die September-Ausgabe des hm, ist für Nichtabonnenten im gut sortierten Zeitschriftenhandel, insbesondere in Bahnhofsbuchhandelungen, erhältlich. Man kann es auch gegen Voreinsendung von 12 Briefmarken a 0,55 Euro - frei Haus bestellen beim Philippka-Sportverlag, HM-Bundesligaheft, Postfach 15 01 05, 48159 Münster.

 

 

Aus dem Handball-Magazin 09/2004:

"Ich bin ein Kieler!"

Der Erfolgscoach spricht im Exklusiv-Interview mit dem hm über persönliche Schwächen, Verschleißerscheinungen und seine elfte Saison beim THW.
handball-magazin:
Glückwunsch, Herr Serdarusic!
Zvonimir Serdarusic:
Wozu denn?
handball-magazin:
Seit 1993 sind Sie nun schon Trainer des THW Kiel. Eine beachtliche Leistung im schnelllebigen Bundesligageschaft.
Zvonimir Serdarusic:
Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht. Die Zeit ist unheimlich schnell vergangen. Allerdings habe ich es vor elf Jahren nicht für möglich gehalten, dass ich so lange bleiben kann.
handball-magazin:
Wie motivieren Sie sich noch? Ist das nicht mittlerweile bloß noch Routine?
Zvonimir Serdarusic:
Nein, ganz und gar nicht. Ich freue mich auf die Saison, schließlich ist jede Spielzeit anders. Die Mannschaft verändert sich; ich habe es immer wieder mit neuen Akteuren zu tun. Meine Aufgabe ist es, unsere Spielweise optimal auf die Stärken des Teams zuzuschneiden. Wie soll da Langeweile aufkommen?
handball-magazin:
Häufig werden Trainer unter dem Vorwand entlassen, der Coach und seine Methoden hätten sich abgenutzt. Eine akzeptable Begründung für Sie?
Zvonimir Serdarusic:
Ich glaube nicht, dass sich meine Art zu trainieren abnutzen wird. Ich mache mir immer Gedanken darüber, wie ich etwas Neues ins Training einbauen kann, und versuche, auf die Stärken und Schwächen meiner Spieler einzugehen. Problematisch könnte es allerdings werden, wenn es zwischen der Mannschaft und mir dauerhaft zu Spannungen käme und das Team meineAnweisungen ignorierte.

Dann müsste ich einen Schlussstrich ziehen. Aber glauben Sie mir, ich werde schon merken, wenn ich nicht mehr an mein Team rankomme. Ich bin ja kein Idiot.

handball-magazin:
Viele glauben, Verschleißerscheinungen schon vor dem Coach zu merken...
Zvonimir Serdarusic:
Plötzlich soll ein Trainer, der gestern noch Erfolg hatte, über Nacht alles verlernt haben? Ich bitte Sie! Wir leben in einer Zeit, in der so etwas gerade in den Medien oft verbreitet wird. In den Zeitungen wird nach Niederlagen sofort ausführlich darüber spekuliert, was man hätte anders machen können oder sogar müssen. Darüber wird zumeist völlig vergessen, dass der Gegner einfach besser war. Daran hätte sich auch nichts geändert, wenn der Unterlegene eine Stunde länger geschlafen oder etwas anderes gegessen hätte. Ich finde es bedenklich, dass durch solche Diskussionen die Leistung des Siegers herabgesetzt wird.
handball-magazin:
Ach Sie mussten sich anhören, als Kiel mal keinen Titel geholt hatte, dass es an der Zeit sei, Ihren Platz auf der Trainerbank zu räumen. Hat Sie das getroffen?
Zvonimir Serdarusic:
Natürlich schlägt es mir auf den Magen, wenn ich das jeden Tag lesen muss. Aber mittlerweile ist es mir egal, was da geschrieben wird. Für mich sind meine Spieler entscheidend. Wenn Staffan Olsson oder Magnus Wislander zum Beispiel das Ziel haben, das, was sie bei Noka gelernt haben, weiterzugeben, dann ehrt mich das und macht mich stolz. Da interessiert es mich einfach nicht, ob irgendein Journalist meint, der Welt mitteilen zu müssen, was ich kann oder nicht kann.
handball-magazin:
Nach so langer Zeit beim THW: Reizt Sie nicht manchmal eine neue Aufgabe?
Zvonimir Serdarusic:
Als ich vergangenes Jahr bei Barcelona im Gespräch war, hat mir das natürlich schon geschmeichelt. Aber damals habe ich mich hingesetzt und überlegt, ob das Sinn macht. Schließlich spreche ich die Sprache nicht und kann mich den Spielern nicht verständlich machen. Insofern war das Blödsinn.
handball-magazin:
Und eine Zukunft als Nationaltrainer?
Zvonimir Serdarusic:
Angebote gab es natürlich, aber dafür bin ich noch zu ehrgeizig. Ich möchte jeden Tag mit meiner Mannschaft arbeiten und nicht nur alle drei Monate für eine kurze Zeit. Wenn mir etwas in den Kopf kommt, muss ich sofort in die Halle und das mit dem Team ausprobieren. Es befriedigt mich mehr, eine Taktik selbst zu kreieren, als sie aus Zeitnot von einem anderen kopieren zu müssen. Kurz bevor ich in die Rente gehe, wäre ein Nationalteam sicherlich reizvoll. Das von Norwegen zum Beispiel. Dann werde ich schon Lachse angeln und ab und zu mit dem Team arbeiten.
handball-magazin:
In den Medien sind Sie des Öfteren als Otto Rehhagel des Handballs bezeichnet worden. Ein abwegiger Vergleich oder einer, der Sie stolz macht?
Zvonimir Serdarusic:
Als ich in Kiel angefangen habe, hat Uwe Schwenker gescherzt: Du wirst bei uns das, was Otto Rehhagel in Bremen ist. Damals habe ich noch darüber gelacht. Aber geglaubt habe ich es nicht. Rehhagel ist ein hervorragender Trainer. Deshalb ehrt mich dieser Vergleich.
handball-magazin:
Rehhagel gilt als kompetenter Coach, aber auch als Sturkopf. Eine Eigenschaft, die auch auf Sie zutrifft?
Zvonimir Serdarusic:
Es kommt darauf an, wie man Sturheit definiert. Wenn mir jemand einen guten Vorschlag macht, den ich für sinnvoll erachte, habe ich kein Problem damit, diesen anzunehmen. Wenn ich aber eine andere Meinung habe, und diese auch nach einer Diskussion noch guten Gewissens vertreten kann, dann bin ich sicherlich ein sturer Hund. Dann gehe ich konsequent den Weg, den ich für den richtigen halte. Das ist wichtig. Sonst wird man im Leben nicht wahrgenommen.
handball-magazin:
Staffan Olsson sagte mal, dass Sie, wenn man sich auf Sie einlässt, der beste Trainer seien, den man sich wünschen könne. Was erwarten Sie von Ihren Spielern?
Zvonimir Serdarusic:
Teamfähigkeit. Stefan Lövgren zum Beispiel opfert sich in jedem Spiel für die Mannschaft. Das ist beeindruckend. Ich will keine Selbstdarsteller, die Erfolg vor allem für sich wollen. Im Vordergrund müssen der THW Kiel und das Team stehen. Wer das nicht begreift, hat es sehr schwer mit mir.
handball-magazin:
Sind Sie nachtragend, wenn es erst einmal geknallt hat?
Zvonimir Serdarusic:
Ich habe kein Problem damit, wenn jemand eine andere Meinung vertritt als ich. Allerdings muss man fair miteinander umgehen. Wenn etwas unter die Gürtellinie geht und die Menschenwürde verletzt, bin ich nachtragend. So etwas merke ich mir.
handball-magazin:
Kritiker werfen Ihnen vor, dass Sie zwar mit fertigen Stars überaus erfolgreich seien, die Arbeit mit jungen Spielern allerdings nicht Ihr Steckenpferd sei...
Zvonimir Serdarusic:
Das ist Gequatsche. Als ich das erste Mal Meister geworden bin, trainierte ich die jüngste Mannschaft der Liga. Welche Stars hatte ich denn damals? Magnus Wislander hatte im Jahr zuvor eine enttäuschende Saison gespielt und war auf der Suche nach seiner Form. Thomas Knorr und Klaus-Dieter Petersen waren zwar Nationalspieler, wurden aber von vielen unterschätzt. Sonst waren da junge Kerle wie Christian Scheffler oder Martin Schmidt, die noch völlig unbekannt waren. Die sind unter mir Nationalspieler geworden. Aber darüber spricht kein Mensch mehr.
handball-magazin:
In dieser Saison können Sie zwar auf einen starken, aber nur kleinen Kader zurückgreifen. Macht Ihnen das Sorge?
Zvonimir Serdarusic:
Ja! Und nun wird auch noch Roman Pungartnik nach einer erneuten Operation mindestens drei Monate ausfallen. Mit ihm umfasst der Kader 13 Spieler. Durch die Vorbereitungsspiele, die Bundesliga, den Pokal, die Champions League und Einsätze in den Nationalteams werden einige der Spieler fast hundert Spiele in dieser Saison machen. Dafür ist der Kader eigentlich zu dünn besetzt.
handball-magazin:
Mit Dennis Klockmann, Daniel Sommerfeld und Christoph Schindler können drei junge Spieler aus Altenholz dank des Zweifachspielrechts auch für den THW antreten. Sind diese schon Alternativen?
Zvonimir Serdarusic:
Nein. Klockmann und Sommerfeld sind Torhüter und werden nur dann in den Kader rücken, wenn sich Fritz oder Andersson ernsthaft verletzen. Schindler wird uns noch nicht weiterhelfen können. Alle drei haben viel Talent. Dass sie bei uns mittrainieren, ist vor allem eine Chance für sie. Ich hoffe, dass sie in zwei oder drei Jahren eine Alternative für Kiel werden.
handball-magazin:
Der THW ist ein Verein mit Geld. Warum verpflichten Sie nicht einfach noch ein oder zwei weitere Spieler?
Zvonimir Serdarusic:
Das klingt immer so leicht, aber so funktioniert das nicht. Die Spieler müssen zu uns passen, die Mannschaft weiterbringen. Wenn der Kühlschrank leer ist, bringt es ja auch nichts, in den Supermarkt zu rennen und auf Teufel komm raus einzukaufen, nur um danach festzustellen, dass man nichts von den Einkäufen essen will. Blinder Aktionismus hilft uns nicht. Aber wenn ich einen Spieler finde, von dem ich überzeugt bin, werde ich auch reagieren.
handball-magazin:
Von Martin Boquist waren Sie überzeugt. Sind Sie das nach einer recht durchwachsenen Saison immer noch?
Zvonimir Serdarusic:
Boquist musste sich umgewöhnen. In Deutschland wird aggressiver und körperbetonter gespielt als in Schweden. Eine Erfahrung, die übrigens auch Wislander machen musste. Ich erwarte aber, dass Boquist in dieser Saison bei uns besser zurechtkommt. Diese Spielzeit wird für ihn Richtung weisend.
handball-magazin:
Welche Rolle übernimmt Co-Trainer Klaus-Dieter Petersen?
Zvonimir Serdarusic:
Momentan ist für Petersen natürlich auch als Spieler Platz. Aber wenn Pungartnik wieder gesund ist, müsste ich für Pitti einen der anderen Spieler aus dem Kader streichen. Glauben Sie mir: Derjenige, den es träfe, würde sich bitter beschweren. Ich muss aber eine Entscheidung treffen, die dem THW nutzt. Wenn es so weit ist, werde ich genau das tun.
handball-magazin:
Was ist denn in dieser Saison für den THW möglich?
Zvonimir Serdarusic:
Das ist schwer zu beantworten. Natürlich wollen wir oben mitspielen und Flensburg, Magdeburg und Lemgo ärgern. Wenn uns das gelingt, bin ich sehr zufrieden. Ich gebe ungern Prognosen ab. Ich bin Trainer, kein Hellseher.
handball-magazin:
Trotzdem die Frage: Wer ist Ihr Topfavorit auf die Meisterschaft?
Zvonimir Serdarusic:
Flensburg. Das haben sie sich verdient. Es hat mich immer geärgert, wenn Kiel Meister war, und die Experten dennoch zu Beginn der neuen Saison einen anderen Klub als Titelfavoriten gehandelt haben. Das ist respektlos gegenüber dem Meister. Wenn Deutschland mit den vielen Lemgoer Spielern Olympiasieger wird, steht der TBV auf der gleichen Stufe mit Flensburg. Aber nur dann!
handball-magazin:
Erzürnt es Sie, dass Kiel schon am ersten Spieltag gegen Lemgo und kurz danach gegen Flensburg spielen muss?
Zvonimir Serdarusic:
Früher habe ich mich über so einen Spielplan wahnsinnig aufgeregt. Irgendwann habe ich mir deshalb mit Tabletten meinen Magen kaputt gemacht. Darum will ich mich heute nicht mehr darüber ärgern. Es bringt ja eh nichts. Die Sache steht schließlich fest.
handball-magazin:
Sie sind schon so lange in Kiel, dass viele gar nicht mehr wissen, dass Sie auch mal Flensburg trainiert haben. Haben Sie sich als Ex-Coach über die Meisterschaft der SG gefreut? Oder darf man so etwas als Kieler nicht?
Zvonimir Serdarusic:
Wir sind Zweiter geworden, haben gegen Flensburg verloren. Wie soll ich mich freuen, wenn mein eigenes Team verliert? Das geht doch nicht. Ich habe großen Respekt vor dem Flensburger Erfolg. Sie haben ihn sich hart erarbeitet, was ich neidlos anerkenne. Aber, wie gesagt, freuen kann ich mich darüber nicht.
handball-magazin:
Sie sind im ehemaligen Jugoslawien geboren, tragen einen kroatischen Namen und besitzen seit 1998 den deutschen Pass. Als was fühlen Sie sich?
Zvonimir Serdarusic:
Ich möchte nicht lange über diese schreckliche Geschichte reden, die sich in den vergangenen Jahren auf dem Balkan zugetragen hat. Ich bin in einem Teil des ehemaligen Jugoslawiens geboren, der heute zu Bosnien und Herzegowina gehört. Ich komme aus Mostar. Ich bin kein Jugoslawe. Mein Vater war Kroate, meine Mutter war Serbin. Aber ich war eigentlich keines von beiden. Ich fühle mich nicht erst seit 1998 als Deutscher, sondern schon viel früher. Ich habe in Deutschland gespielt und Freunde gefunden. Für mich ist es nicht wichtig, wo man geboren worden ist. Für mich ist es bedeutend, wo man sich wohlfühlt.
handball-magazin:
Und in Kiel fühlen Sie sich wohl?
Zvonimir Serdarusic:
Ja. Also schreiben Sie am besten, ich fühle mich als Kieler!
(Das Gespräch führte Sebastian von Gehren, aus dem Handball-Magazin 9/2004)


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