Derby-Zeit im hohen Norden: Am Mittwoch (ab 20.15 Uhr
live in DSF) kommt es in der Campushalle zum
Schleswig-Holstein-Duell zwischen der SG Flensburg und
Kiel.
In den vergangenen Jahren spielten stets zwei
Meisterschafts-Aspiranten gegeneinander. Die
Vorzeichen diesmal scheinen andere zu sein. Während
Flensburg die Spitze im Visier hat, kriselt es nach
dem Fehlstart bei Meister Kiel.
Für Flensburgs Geschäftsführer
Thorsten Storm ist die
Partie von besonderer Bedeutung. Bis zum Ende der
abgelaufenen Saison arbeitete er im Management des
THW, feierte mit dem Verein den Titelgewinn. Jetzt
lenkt er die Geschicke in Flensburg. Erstmals trifft
er auf seinen Ex-Klub mit Manager Uwe Schwenker.
Im Doppelinterview stehen Schwenker und
Storm bei
Sport1 Rede und Antwort. Beide sprechen über die
Situation des Handballs - und Schwenker geht auf die
besondere Situation derzeit beim Meister ein.
- Sport1:
-
Früher war die Partie Flensburg gegen Kiel ein
Spiel zweier Meisterschafts-Favoriten. Ist das dieses
Mal anders, Herr Schwenker?
- Uwe Schwenker:
-
Momentan schaue ich nicht auf die
Tabelle. Das hat keinen Zweck. Erst haben wir uns
entschieden, Stefan Lövgren pausieren zu lassen, damit
er seine Verletzung auskurieren kann. Nun hat sich
auch noch Florian Wisotzki verletzt. Es kommt eines
zum anderen, und dann passt es ins Bild, dass auch der
Mannschaftsbus ausgefallen ist. Man kann das nur noch
mit Galgenhumor sehen.
- Thorsten Storm:
-
Bei uns ist das Gegenteil der Fall:
Ich war gerade beim Training. Alle Mann sind am Bord.
Der Trainer hat die Qual der Wahl. Egal, wer beim THW
spielt: Es sind immer Spitzenleute auf dem Feld.
Natürlich ist die Verletztenmisere traurig. Allerdings
können Mannschaften in solchen Situationen über sich
hinauswachsen, und andere Spieler können in die
Bresche springen. Aber wir gucken nicht auf Kiel, wir
schauen auf unsere Mannschaft. Ein Sieg im Nord-Derby
gehört zu den schönsten Erlebnissen einer Saison.
- Sport1:
-
Herr Storm, jahrelang haben Sie beim THW unter
Uwe Schwenker gearbeitet. Ist es ein Duell "Meister
gegen Lehrling"?
- Thorsten Storm:
-
Mit Sicherheit. Ich habe bei Uwe in den letzten
Jahren viel lernen können.
- Uwe Schwenker:
-
Nun mach mal nicht in Understatement.
- Thorsten Storm:
-
Nein. Ich habe gerne in Kiel gearbeitet. Der
THW war das Maß aller Dinge. Man hat nur mit
Spitzenleuten zu tun. Das versuche ich nun in
Flensburg umzusetzen. Ich habe den Eindruck, wir sind
auf einem guten Weg. Ich habe meine Ideen, und
Flensburg hat eine andere Mannschaft und ist eine
andere Stadt.
- Sport1:
-
Herr Schwenker, haben Sie Herrn
Storm zu dem
Schritt geraten?
- Uwe Schwenker:
-
Wir haben lange darüber gesprochen.
Letztlich war es der richtige Schritt. Er ist in
verantwortungsvoller Position und hat schon einiges
bewegt. Alles andere wäre für mich aber auch eine
Enttäuschung gewesen, denn letztlich kommt er vom THW
Kiel.
- Sport1:
-
Herr Storm, was nehmen Sie aus Kiel mit? Was
versuchen Sie, in Flensburg zu vermitteln?
- Thorsten Storm:
-
Nun, die Voraussetzungen sind fantastisch. Wir
haben eine Halle mit einer guten Kapazität von 6000
Zuschauern. Dazu haben wir eine Mannschaft, die jetzt
noch nicht an ihrem Zenit steht. Wir haben jetzt die
neue Mannschaft, die Kiel gerade aufbaut - und sind,
was Altersstruktur und Qualität der Spieler angeht,
einen Schritt weiter als der THW. Wenn wir unsere
Philosophie in den nächsten Wochen umsetzen können,
wir auch diese Saison schon einiges möglich sein. Wir
streben eine Wachablösung an. Ich kann ohnehin
schlecht verlieren...
- Uwe Schwenker:
-
Das sehe ich locker. Ich habe immer
propagiert, dass die Liga davon lebt, wenn sie
insgesamt spannend bleibt, oben wie unten. Nur dann
kann man die Liga entsprechend verkaufen. Es macht
keinen Sinn, der größte in seinem Dorf zu sein. Ich
hätte kein Problem, Dritter zu werden in einer Liga,
die im Fokus der Öffentlichkeit die höchste
Wertschätzung genießt. Das haben wir immer versucht
umzusetzen, aber wir sind noch nicht so weit gekommen,
wie ich mir das vorgestellt hatte. Dennoch: Es gibt
Mannschaften, die auf einem sehr guten Weg sind.
- Sport1:
-
Die da wären?
- Uwe Schwenker:
-
Zum Beispiel der VfL Gummersbach, der sich
nach und nach im wirtschaftlichen Umfeld konsolidiert.
Er hat ein Riesenpotenzial. TuSEM Essen gehört dazu,
Flensburg, Magdeburg, Lemgo sowieso als 'TBV
Deutschland'. Dies ist für den Handball sensationell.
Es gehört heutzutage dazu, mal über den Tellenrand
hinauszublicken und sich nicht einfach einen größeren
Teller zu nehmen. Das habe ich immer unter Beweis
gestellt.
- Sport1:
-
Dennoch scheint es in Sachen Vermarktung nicht
voranzugehen. Ist der Handball in einer Sackgasse?
- Uwe Schwenker:
-
Nein. Wenn etwas nicht so läuft, wie man es
sich vorstellt, erreicht man bald einen Punkt, wo es
nur noch besser werden kann. Ich glaube, es gibt
genügend Potenzial. Wir geben uns neue Strukturen.
Nach Verabschiedung des Ligaverbands durch den
Bundestag muss man unter Hochdruck weiterarbeiten.
Dann muss man Personen einstellen, die sich rund um
die Uhr um das Produkt kümmern. Ein
Thorsten Storm in
Flensburg oder ein Uwe Schwenker in Kiel können sich
nicht auch noch um die Liga verdient machen.
- Thorsten Storm:
-
Das Glück hängt sicher nicht von dem Partner
ab, der das Produkt vermarkten soll.
- Uwe Schwenker:
-
Das sehe ich genauso.
- Thorsten Storm:
-
Das Entscheidende ist: In den Vereinen, in
denen es läuft, kümmern sich Menschen professionell um
ihren Klub. Das Produkt Handball-Bundesliga sollte
noch leichter zu vermarkten sein als ein Standort. Es
muss eine professionell geführte Bundesliga geben.
Denn der Sport an sich funktioniert, und wir haben die
besten Spieler. Wenn sich jemand um die Liga kümmert
und sich von den Verantwortlichen der Klubs beraten
lässt, müsste es fast schon von alleine laufen...
(© 2002 Sport1, das Gespräch führte Michael Schwartz)
München - Am Mittwoch (ab 20.15 Uhr live in DSF) steht
in der Handball-Bundesliga der Klassiker schlechthin
an: Das Nordderby Flensburg gegen Kiel. Für Meister
Kiel wäre nach dem verpatzten Saisonstart gerade ein
Sieg in Flensburg enorm wichtig, um Selbstvertrauen zu
tanken.
Doch die Flensburger sind zur Zeit gut drauf, haben
nach drei Siegen und nur einer Niederlage die oberen
Tabellenregionen im Visier - und sie haben am Mittwoch
das Heimrecht.
Nun steht die SG unter Druck: "Alles andere als ein
Sieg wäre eine Blamage für Flensburg", so der Kieler
Manager Uwe Schwenker gegenüber
Sport1. Auch der
Flensburger Geschäftsführer Thorsten Storm rechnet mit
einem Erfolg seines Teams.
- Sport1:
-
Die SG Bad Schwartau hat sich in Richtung
Hamburg verabschiedet. Es gibt nur noch zwei
schleswig-holsteinische Klubs. Hat das Derby dadurch
eine besondere Bedeutung?
- Uwe Schwenker:
-
Die Bedeutung ist immer die gleiche.
Wenn der THW gegen Flensburg spielt, ist das eine
Partie von hohem Interesse. Mit Tabellenständen hat
das nichts zu tun. Es ist nicht eins von 17 Spielen.
Es ist ein besonderes Spiel.
- Thorsten Storm:
-
Es ist eben das Derby.
- Sport1:
-
Herr Schwenker, der letzte Sieg war ganz
besonders schön. Damals hat der THW in Flensburg die
Meisterschaft perfekt gemacht...
- Uwe Schwenker:
-
Natürlich war das traumhaft. Aber schauen
Sie sich die Tabellensituation an. So schnell ändern
sich die Zeiten. Das letzte Spiel liegt keine fünf
Monate zurück, und es ist eine ganz andere
Ausgangssituation. Das ist das, was mich an dem Sport
fasziniert. Es gibt keinen Stillstand. Innerhalb
kürzester Zeit gibt es neue Vorzeichen, selbst
innerhalb von wenigen Minuten. Das ist Handball.
- Sport1:
-
Herr Storm, Sie haben den Titel mit dem THW
gefeiert. Wie motivieren Sie jetzt ihre Flensburger?
- Thorsten Storm:
-
Die muss ich nicht motivieren. Die waren auch
beim letzten Mal motiviert. Beim letzten Spiel habe
ich zwar auf der anderen Seite gesessen, aber nun bin
ich ganz und gar Flensburger. Ich komme aus diesem
Verein. Ein Kapitel, welches traumhaft war, kann man
auch beenden. Jetzt werde ich hier eine schöne Zeit
haben. Das spürt man. Damit werden wir am Mittwoch
anfangen.
- Sport1:
-
Herr Schwenker, Sie wissen, wie man Meister
wird - Flensburg nicht. Was muss die SG anders machen?
- Uwe Schwenker:
-
Die SG muss mindestens einen Punkt oder ein
Tor bei Punktgleichheit mehr haben als der Zweite.
Flensburg weiß, worum es geht. Vielleicht hatte die SG
manchmal nicht den Killerinstinkt. Flensburg war
Millimeter davor, aber andere waren besser.
- Thorsten Storm:
-
Meistens der THW Kiel.
- Uwe Schwenker:
-
Ja, meistens der THW. Aber Thorsten Storm
weiß auch, warum wir Millimeter besser waren, obwohl
wir nicht unbedingt die bessere Mannschaft hatten. Nun
gut. Ich denke, es wird spannend. Lemgo spielt auf
einem hohen Niveau. Man darf nicht den Anschluss
verpassen. Wir sind im Augenblick weit weg. Aber ich
denke, es spricht für den THW, dass wir die Situation
gelassen sehen. Jeder Sportler will natürlich um den
Titel spielen, aber es geht momentan nicht. Wenn ein
Ferrari mit vier platten Reifen am Start steht, dann
ist es schwer, gegen einen VW Golf zu gewinnen...
- Thorsten Storm:
-
So viele Punkte hat der THW aber noch nicht
Rückstand.
- Uwe Schwenker:
-
Ja, und wir haben im Startprogramm von den
ersten sieben Spielen fünfmal auswärts anzutreten.
Dann ist doch klar, wo wir stehen. Eines ist klar:
Selbst wenn wir unsere beste Mannschaft an Bord haben,
ist es unglaublich schwer, in Flensburg oder Magdeburg
zu gewinnen. Deswegen sehe ich die Situation gelassen.
Ich schaue momentan nicht auf die Tabelle.
- Sport1:
-
Wirklich?
- Uwe Schwenker:
-
Na ja, wir werden ab dem nächsten Spieltag
die Tabelle anders herum drucken. Dann stehen wir mit
Tabellenplatz 18 wieder ganz oben...
- Sport1:
-
Würden Sie Flensburg den Titel gönnen?
- Uwe Schwenker:
-
Für mich soll das Team, das über die
gesamte Saison die beste Leistung gebracht hat, am
Ende auch oben stehen. Wenn Flensburg die beste
Mannschaft ist, und das Potenzial hat die SG, dann
soll und wird die SG am Ende ganz oben stehen.
- Sport1:
-
Herr Storm, bleibt der Titel wirklich im
Norden?
- Thorsten Storm:
-
Das muss man abwarten. Uwe Schwenker hat ja
schon gesagt, dass Lemgo derzeit den überragenden
Handball spielt. Der TBV scheint am besten in die
Saison gekommen zu sein. Aber eine Saison ist ja wie
ein Marathonlauf, und am Ende wird abgerechnet. Es
hängt nur von uns selbst ab. Wir haben die Klasse,
ganz oben mitzuhalten. Wenn wir nicht die Schwankungen
der vergangenen Jahre haben, dann glaube ich, dass
wenn Kiel nicht Meister wird, der Titel nach Flensburg
geht.
- Sport1:
-
Was dürfen die Fans vom Derby erwarten?
- Uwe Schwenker:
-
Alles andere als ein Sieg wäre eine Blamage
für Flensburg.
- Sport1:
-
Das heißt, Sie würden auf Flensburg wetten?
- Uwe Schwenker:
-
Ich wette nie gegen meine Mannschaft. Sonst
wäre ich der falsche Mann am falschen Ort.
- Sport1:
-
Herr Storm, würden Sie auf Flensburg wetten?
- Thorsten Storm:
-
Ja. Ich glaube an dieses Team. Unabhängig davon
wird dieses Spiel sehr schwer, denn egal, wer beim THW
auf dem Feld steht, er wird sich zerreißen. Dennoch:
Wir müssen und wir werden gewinnen.
(© 2002 Sport1, das Gespräch führte Michael Schwartz)