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30.09./01.10.2002 - Letzte Aktualisierung: 01.10.2002 Interview / Bundesliga

Vor dem Landesderby: Storm und Schwenker im Sport1-Interview

Update #1

Inhalt: Teil 1 | Teil 2

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Kurz vor dem Landesderby (siehe Vorbericht führte Sport1 mit SG-Manager Thorsten Storm und seinem THW-Pendant Uwe Schwenker.

Teil 1

Derby-Zeit im hohen Norden: Am Mittwoch (ab 20.15 Uhr live in DSF) kommt es in der Campushalle zum Schleswig-Holstein-Duell zwischen der SG Flensburg und Kiel.

In den vergangenen Jahren spielten stets zwei Meisterschafts-Aspiranten gegeneinander. Die Vorzeichen diesmal scheinen andere zu sein. Während Flensburg die Spitze im Visier hat, kriselt es nach dem Fehlstart bei Meister Kiel.

Für Flensburgs Geschäftsführer Thorsten Storm ist die Partie von besonderer Bedeutung. Bis zum Ende der abgelaufenen Saison arbeitete er im Management des THW, feierte mit dem Verein den Titelgewinn. Jetzt lenkt er die Geschicke in Flensburg. Erstmals trifft er auf seinen Ex-Klub mit Manager Uwe Schwenker.

Im Doppelinterview stehen Schwenker und Storm bei Sport1 Rede und Antwort. Beide sprechen über die Situation des Handballs - und Schwenker geht auf die besondere Situation derzeit beim Meister ein.

Sport1:
Früher war die Partie Flensburg gegen Kiel ein Spiel zweier Meisterschafts-Favoriten. Ist das dieses Mal anders, Herr Schwenker?
Uwe Schwenker:
Thorsten Storm (l.) und Uwe Schwenker.
Thorsten Storm (l.) und Uwe Schwenker.
Momentan schaue ich nicht auf die Tabelle. Das hat keinen Zweck. Erst haben wir uns entschieden, Stefan Lövgren pausieren zu lassen, damit er seine Verletzung auskurieren kann. Nun hat sich auch noch Florian Wisotzki verletzt. Es kommt eines zum anderen, und dann passt es ins Bild, dass auch der Mannschaftsbus ausgefallen ist. Man kann das nur noch mit Galgenhumor sehen.
Thorsten Storm:
Bei uns ist das Gegenteil der Fall: Ich war gerade beim Training. Alle Mann sind am Bord. Der Trainer hat die Qual der Wahl. Egal, wer beim THW spielt: Es sind immer Spitzenleute auf dem Feld. Natürlich ist die Verletztenmisere traurig. Allerdings können Mannschaften in solchen Situationen über sich hinauswachsen, und andere Spieler können in die Bresche springen. Aber wir gucken nicht auf Kiel, wir schauen auf unsere Mannschaft. Ein Sieg im Nord-Derby gehört zu den schönsten Erlebnissen einer Saison.
Sport1:
Herr Storm, jahrelang haben Sie beim THW unter Uwe Schwenker gearbeitet. Ist es ein Duell "Meister gegen Lehrling"?
Thorsten Storm:
Mit Sicherheit. Ich habe bei Uwe in den letzten Jahren viel lernen können.
Uwe Schwenker:
Nun mach mal nicht in Understatement.
Thorsten Storm:
Nein. Ich habe gerne in Kiel gearbeitet. Der THW war das Maß aller Dinge. Man hat nur mit Spitzenleuten zu tun. Das versuche ich nun in Flensburg umzusetzen. Ich habe den Eindruck, wir sind auf einem guten Weg. Ich habe meine Ideen, und Flensburg hat eine andere Mannschaft und ist eine andere Stadt.
Sport1:
Herr Schwenker, haben Sie Herrn Storm zu dem Schritt geraten?
Uwe Schwenker:
Wir haben lange darüber gesprochen. Letztlich war es der richtige Schritt. Er ist in verantwortungsvoller Position und hat schon einiges bewegt. Alles andere wäre für mich aber auch eine Enttäuschung gewesen, denn letztlich kommt er vom THW Kiel.
Sport1:
Herr Storm, was nehmen Sie aus Kiel mit? Was versuchen Sie, in Flensburg zu vermitteln?
Thorsten Storm:
Nun, die Voraussetzungen sind fantastisch. Wir haben eine Halle mit einer guten Kapazität von 6000 Zuschauern. Dazu haben wir eine Mannschaft, die jetzt noch nicht an ihrem Zenit steht. Wir haben jetzt die neue Mannschaft, die Kiel gerade aufbaut - und sind, was Altersstruktur und Qualität der Spieler angeht, einen Schritt weiter als der THW. Wenn wir unsere Philosophie in den nächsten Wochen umsetzen können, wir auch diese Saison schon einiges möglich sein. Wir streben eine Wachablösung an. Ich kann ohnehin schlecht verlieren...
Uwe Schwenker:
Das sehe ich locker. Ich habe immer propagiert, dass die Liga davon lebt, wenn sie insgesamt spannend bleibt, oben wie unten. Nur dann kann man die Liga entsprechend verkaufen. Es macht keinen Sinn, der größte in seinem Dorf zu sein. Ich hätte kein Problem, Dritter zu werden in einer Liga, die im Fokus der Öffentlichkeit die höchste Wertschätzung genießt. Das haben wir immer versucht umzusetzen, aber wir sind noch nicht so weit gekommen, wie ich mir das vorgestellt hatte. Dennoch: Es gibt Mannschaften, die auf einem sehr guten Weg sind.
Sport1:
Die da wären?
Uwe Schwenker:
Zum Beispiel der VfL Gummersbach, der sich nach und nach im wirtschaftlichen Umfeld konsolidiert. Er hat ein Riesenpotenzial. TuSEM Essen gehört dazu, Flensburg, Magdeburg, Lemgo sowieso als 'TBV Deutschland'. Dies ist für den Handball sensationell. Es gehört heutzutage dazu, mal über den Tellenrand hinauszublicken und sich nicht einfach einen größeren Teller zu nehmen. Das habe ich immer unter Beweis gestellt.
Sport1:
Dennoch scheint es in Sachen Vermarktung nicht voranzugehen. Ist der Handball in einer Sackgasse?
Uwe Schwenker:
Nein. Wenn etwas nicht so läuft, wie man es sich vorstellt, erreicht man bald einen Punkt, wo es nur noch besser werden kann. Ich glaube, es gibt genügend Potenzial. Wir geben uns neue Strukturen. Nach Verabschiedung des Ligaverbands durch den Bundestag muss man unter Hochdruck weiterarbeiten. Dann muss man Personen einstellen, die sich rund um die Uhr um das Produkt kümmern. Ein Thorsten Storm in Flensburg oder ein Uwe Schwenker in Kiel können sich nicht auch noch um die Liga verdient machen.
Thorsten Storm:
Das Glück hängt sicher nicht von dem Partner ab, der das Produkt vermarkten soll.
Uwe Schwenker:
Das sehe ich genauso.
Thorsten Storm:
Das Entscheidende ist: In den Vereinen, in denen es läuft, kümmern sich Menschen professionell um ihren Klub. Das Produkt Handball-Bundesliga sollte noch leichter zu vermarkten sein als ein Standort. Es muss eine professionell geführte Bundesliga geben. Denn der Sport an sich funktioniert, und wir haben die besten Spieler. Wenn sich jemand um die Liga kümmert und sich von den Verantwortlichen der Klubs beraten lässt, müsste es fast schon von alleine laufen...
(© 2002 Sport1, das Gespräch führte Michael Schwartz)

Teil 2

München - Am Mittwoch (ab 20.15 Uhr live in DSF) steht in der Handball-Bundesliga der Klassiker schlechthin an: Das Nordderby Flensburg gegen Kiel. Für Meister Kiel wäre nach dem verpatzten Saisonstart gerade ein Sieg in Flensburg enorm wichtig, um Selbstvertrauen zu tanken.

Doch die Flensburger sind zur Zeit gut drauf, haben nach drei Siegen und nur einer Niederlage die oberen Tabellenregionen im Visier - und sie haben am Mittwoch das Heimrecht.

Nun steht die SG unter Druck: "Alles andere als ein Sieg wäre eine Blamage für Flensburg", so der Kieler Manager Uwe Schwenker gegenüber Sport1. Auch der Flensburger Geschäftsführer Thorsten Storm rechnet mit einem Erfolg seines Teams.

Sport1:
Die SG Bad Schwartau hat sich in Richtung Hamburg verabschiedet. Es gibt nur noch zwei schleswig-holsteinische Klubs. Hat das Derby dadurch eine besondere Bedeutung?
Uwe Schwenker:
Die Bedeutung ist immer die gleiche. Wenn der THW gegen Flensburg spielt, ist das eine Partie von hohem Interesse. Mit Tabellenständen hat das nichts zu tun. Es ist nicht eins von 17 Spielen. Es ist ein besonderes Spiel.
Thorsten Storm:
Es ist eben das Derby.
Sport1:
Herr Schwenker, der letzte Sieg war ganz besonders schön. Damals hat der THW in Flensburg die Meisterschaft perfekt gemacht...
Uwe Schwenker:
Natürlich war das traumhaft. Aber schauen Sie sich die Tabellensituation an. So schnell ändern sich die Zeiten. Das letzte Spiel liegt keine fünf Monate zurück, und es ist eine ganz andere Ausgangssituation. Das ist das, was mich an dem Sport fasziniert. Es gibt keinen Stillstand. Innerhalb kürzester Zeit gibt es neue Vorzeichen, selbst innerhalb von wenigen Minuten. Das ist Handball.
Sport1:
Herr Storm, Sie haben den Titel mit dem THW gefeiert. Wie motivieren Sie jetzt ihre Flensburger?
Thorsten Storm:
Die muss ich nicht motivieren. Die waren auch beim letzten Mal motiviert. Beim letzten Spiel habe ich zwar auf der anderen Seite gesessen, aber nun bin ich ganz und gar Flensburger. Ich komme aus diesem Verein. Ein Kapitel, welches traumhaft war, kann man auch beenden. Jetzt werde ich hier eine schöne Zeit haben. Das spürt man. Damit werden wir am Mittwoch anfangen.
Sport1:
Herr Schwenker, Sie wissen, wie man Meister wird - Flensburg nicht. Was muss die SG anders machen?
Uwe Schwenker:
Die SG muss mindestens einen Punkt oder ein Tor bei Punktgleichheit mehr haben als der Zweite. Flensburg weiß, worum es geht. Vielleicht hatte die SG manchmal nicht den Killerinstinkt. Flensburg war Millimeter davor, aber andere waren besser.
Thorsten Storm:
Meistens der THW Kiel.
Uwe Schwenker:
Ja, meistens der THW. Aber Thorsten Storm weiß auch, warum wir Millimeter besser waren, obwohl wir nicht unbedingt die bessere Mannschaft hatten. Nun gut. Ich denke, es wird spannend. Lemgo spielt auf einem hohen Niveau. Man darf nicht den Anschluss verpassen. Wir sind im Augenblick weit weg. Aber ich denke, es spricht für den THW, dass wir die Situation gelassen sehen. Jeder Sportler will natürlich um den Titel spielen, aber es geht momentan nicht. Wenn ein Ferrari mit vier platten Reifen am Start steht, dann ist es schwer, gegen einen VW Golf zu gewinnen...
Thorsten Storm:
So viele Punkte hat der THW aber noch nicht Rückstand.
Uwe Schwenker:
Ja, und wir haben im Startprogramm von den ersten sieben Spielen fünfmal auswärts anzutreten. Dann ist doch klar, wo wir stehen. Eines ist klar: Selbst wenn wir unsere beste Mannschaft an Bord haben, ist es unglaublich schwer, in Flensburg oder Magdeburg zu gewinnen. Deswegen sehe ich die Situation gelassen. Ich schaue momentan nicht auf die Tabelle.
Sport1:
Wirklich?
Uwe Schwenker:
Na ja, wir werden ab dem nächsten Spieltag die Tabelle anders herum drucken. Dann stehen wir mit Tabellenplatz 18 wieder ganz oben...
Sport1:
Würden Sie Flensburg den Titel gönnen?
Uwe Schwenker:
Für mich soll das Team, das über die gesamte Saison die beste Leistung gebracht hat, am Ende auch oben stehen. Wenn Flensburg die beste Mannschaft ist, und das Potenzial hat die SG, dann soll und wird die SG am Ende ganz oben stehen.
Sport1:
Herr Storm, bleibt der Titel wirklich im Norden?
Thorsten Storm:
Das muss man abwarten. Uwe Schwenker hat ja schon gesagt, dass Lemgo derzeit den überragenden Handball spielt. Der TBV scheint am besten in die Saison gekommen zu sein. Aber eine Saison ist ja wie ein Marathonlauf, und am Ende wird abgerechnet. Es hängt nur von uns selbst ab. Wir haben die Klasse, ganz oben mitzuhalten. Wenn wir nicht die Schwankungen der vergangenen Jahre haben, dann glaube ich, dass wenn Kiel nicht Meister wird, der Titel nach Flensburg geht.
Sport1:
Was dürfen die Fans vom Derby erwarten?
Uwe Schwenker:
Alles andere als ein Sieg wäre eine Blamage für Flensburg.
Sport1:
Das heißt, Sie würden auf Flensburg wetten?
Uwe Schwenker:
Ich wette nie gegen meine Mannschaft. Sonst wäre ich der falsche Mann am falschen Ort.
Sport1:
Herr Storm, würden Sie auf Flensburg wetten?
Thorsten Storm:
Ja. Ich glaube an dieses Team. Unabhängig davon wird dieses Spiel sehr schwer, denn egal, wer beim THW auf dem Feld steht, er wird sich zerreißen. Dennoch: Wir müssen und wir werden gewinnen.
(© 2002 Sport1, das Gespräch führte Michael Schwartz)


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