Sport1 führte mit Bundestrainer
Heiner Brand ein Interview zur Situation des THW.
Der ehemalige Nationalspieler glaubt zwar
nicht an eine Titelverteidigung des THW,
doch seiner Meinung nach werden sich die Zebras
am Ende der Saison dennoch unter den ersten
Fünf plazieren.
Eigentlich sollte es (wieder mal) die Wende werden für
den THW Kiel. Doch auch das
sechste Saisonspiel bei
der HSG Wetzlar konnten die Schleswig-Holsteiner nicht
gewinnen. Noch nie ist der Serienmeister der letzten
Jahre so schlecht in eine Saison gestartet.
Beobachter der Partie war Heiner Brand. In einem
Gespräch mit Sport1 gibt sich der optimistisch,
dass auf den THW auch wieder bessere Zeiten zukommen.
Aber eine schlechte Nachricht hat der Bundestrainer
für die Fans der "Zebras": "Es wird sicher in diesem
Jahr nicht mehr dazu reichen, Deutscher Meister zu
werden." - Und das nach gerade mal sechs Spieltagen.
- Sport1:
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Herr Brand, Sie waren beim
Spiel HSG Wetzlar - THW Kiel in der Halle. Welchen Eindruck haben
Sie vom amtierenden Deutschen Meister?
- Heiner Brand:
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Bundestrainer Heiner Brand mit THW-Maskottchen
Hein Daddel.
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Ich habe Kiel bereits mehrere Male in dieser Saison gesehen. Die derzeitige Situation
hatte sich schon angedeutet und sicherlich nach dem Ausfall von
Lövgren noch verstärkt.
- Sport1:
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Wo sehen Sie die Gründe für den schlechten Saisonstart der Kieler?
- Heiner Brand:
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Da spielen verschiedene Gründe eine Rolle. Als Ausgangspunkt muss man klar sehen, dass ein
Magnus Wislander nicht zu ersetzen ist.
Selbst wenn man geschafft hätte, den
Marcus Ahlm (schwedisches
Weltklasse-Talent, den Kiel gern schon für diese und nicht erst für nächste Saison verpflichtet hätte;
die Red.) zu holen; er ist kein
Wislander. Es geht um mehr als nur das Spielerische. Es geht um die
Austrahlung, die Einflussnahme auf Mitspieler, auf Gegenspieler und so weiter...
- Sport1:
-
Aber es kann doch bei so einem Kader nicht an einer Person liegen.
- Heiner Brand:
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Natürlich nicht, es sind viele Faktoren. Es kommt eins zum anderen. Dann fällt
Lövgren aus,
Lozano ist längerfristig verletzt,
Jacobsen fängt jetzt erst wieder an,
Przybecki ist nicht
hundertprozentig fit...
- Sport1:
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Aber dennoch hat Kiel doch einen starken Kader...
- Heiner Brand:
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Richtig. Von den Namen her besser als viele andere. Aber dann kommt man in die Situation,
verliert ein paar Spiele, gewinnt die Heimspiele nicht. Da geht Selbstvertrauen verloren, die Gegner
verlieren immer mehr den Respekt, die Mannschaft glaubt nicht mehr an sich... Früher hat man bei einem
Vier-Tore-Rückstand einfach weitergespielt und noch gewonnen. Das klappt jetzt einfach nicht mehr.
- Sport1:
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War die Verunsicherung in Wetzlar zu spüren?
- Heiner Brand:
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Ja, das ist aber ganz normal. Wenn man als Meisterschaftsfavorit gehandelt wird und steht auf
einmal ganz hinten, dann geschehen solche Dinge von alleine - genau wie umgekehrt ja auch.
- Sport1:
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Der THW kassiert für seine Verhältnisse ja eine Menge Gegentore. Drei starke Torhüter in den
Reihen, führt das bei den Keepern zu einer Verunsicherung?
- Heiner Brand:
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Nein, Kiel hat kein Torwart-Problem.
Mattias Andersson hat in der ersten Phase sehr stark
gehalten,
Henning Fritz hat
in Flensburg gut gehalten, gestern war er bis zu seiner Auswechslung auch
nicht schuld...
- Sport1:
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Was würden Sie, wenn Sie Kiel-Trainer wären, den Spielern raten?
- Heiner Brand:
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Ich brauche
Noka Serdarusic nichts zu raten. Ich denke, die werden weiterarbeiten. Der Grund für
die Erfolge in der Vergangenheit lag ja auch in der soliden Arbeit, die geleistet worden ist - nicht
nur von Trainer und Mannschaft, sondern auch vom Management. Dann platzt auch irgendwann der Knoten.
- Sport1:
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Wo erwarten Sie denn das Team am Saisonende?
- Heiner Brand:
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Es wird sicher in diesem Jahr nicht mehr dazu reichen, Deutscher Meister zu werden. Das sehe ich
beim besten Willen nicht. Aber ich erwarte, dass es wieder nach vorne geht und man sich unter den
ersten fünf Mannschften wiederfindet.
- Sport1:
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Was bedeutet das für das geplante Ziel Champions-League-Sieg?
- Heiner Brand:
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Das muss man mal abwarten. Ein europäischer Wettbewerb ist natürlich auch vom Glück abhängig,
von der Auslosung... Das Beste wäre, ein paar leichte Gegner, so dass sie sich durchschleppen können.
Und irgendwann wird die Situation ja auch mal wieder besser. Wenn die Leistungsträger wieder topfit
sind, sieht das schon anders aus.
(© 2002 Sport1, das Gespräch führte Jürgen Blöhs)