13.05.2003 | Bundesliga |
(© 2003 Sport1)
Aus www.handballimfernsehen.de:
Andreas Thiel ist der neue Hoffnungsträger der Handball-Zunft. Der von Gummersbachs Manager Carsten Sauer ins Spiel gebrachte Ex-Nationaltorhüter wurde von der Ligaversammlung letzte Woche in Hannover als neuer Präsidenten des in Gründung befindlichen Ligaverbandes aufs Tablett gehoben. Allerdings erst ab dem 1. Juli 2004, da Thiel, derzeit als Rechtsanwalt auch für Bundesligisten tätig, seine bisherige Arbeit geordnet beenden möchte, um nicht in Interessenkonflikte zu geraten.
So beschloss die Ligaversammlung, dass Heinz Jacobsen am 28. Juni zunächst als erster Präsident des Ligaverbandes gewählt werden soll. Die Wahl erfolgt zwar für 2 Jahre, aber bereits nach einem Jahr soll er die Geschäfte an seinen designierten Nachfolger übergeben. Ein Kompromiss, mit dem glücklichen Umstand, dass alle Beteiligten nach außen ihr Gesicht wahren können.
Heinz Jacobsen genießt offiziell das Vertrauen aller Erst- und Zweitligisten, die Jacobsenkritiker haben eine Perspektive, die einen sehr überschaubaren Zeitraum umfasst und der Dauerkonflikt innerhalb der Liga könnte als beendet erklärt werden.
Wie groß der neue Frieden in der Liga ist, wird besonders deutlich an der Tatsache, dass Essens Manager Klaus Schorn, der noch vor Ostern in einem Interview mit der Zeitung "Die Welt" öffentlich Schwenkers Rücktritt aus dem Ligaausschuss gefordert hatte, eben jenen Schwenker nun wieder zur Mitarbeit im Ligaausschuss animieren wollte. Der hat aber zunächst abgelehnt. Neuer starker Mann im Ligaausschuss könnte vielmehr der Gummersbacher Carsten Sauer werden.
Nach dem öffentlich ausgetragenen Streit zwischen Uwe Schwenker und Heinz Jacobsen hat der VfL-Manager hinter den Kulissen einen Kompromissvorschlag ausgehandelt, der zur Nominierung von Andreas Thiel führte. Der in der Handball-Szene anerkannte Rechtsanwalt mit dem zur aktiven Zeit erworbenen Beinamen "Hexer" gilt nicht nur als tragfähige Lösung, an ihn knüpfen sich auch Hoffnungen an eine erheblich bessere Außendarstellung der Bundesliga sowie eine verbesserte Entscheidungskultur innerhalb der Liga. Sauer ist damit ein Coup gelungen, der mit einem Schlag das lodernde Feuer erlischen ließ.
Mit der Beilegung der Streitigkeiten steigen auch wieder die Chancen auf einen TV-Vertrag. Die Fernsehanstalten können nun wieder die Hoffnung haben, verlässliche Ansprechpartner auf der Gegenseite vorzufinden, die sich nicht in Kleinkriege verzetteln. Die Sacharbeit hat wieder die Oberhand ergriffen. So ist auch die Verlegung des letzten Spieltages von 18.00 Uhr auf 15.00 Uhr als ein Zeichen an die TV-Anstalten zu werten, früher gemachte Fehler auszumerzen. Denn obwohl es noch keine konkreten Planungen für eine Live-Übertragung vom letzten Spieltag gibt, hat der Beschluss der Ligaversammlung immerhin die Möglichkeit geschaffen, auf kurzfristige Anfragen der Sender zu reagieren. Denn ob es eine Live-Übertragung geben wird, hängt von der aktuellen Tabellensituation in der Liga vor dem letzten Spieltag ab. Den Sendern wird so die Ausgangsposition für flexibles Handeln geschaffen, da man erst eine Woche vor Ultimo konkrete Planungen vornehmen muß. Zu diesem Zeitpunkt wäre eine Verlegung des kompletten Spieltages nicht mehr möglich gewesen.
Aber auch die jetzt angedachte Verlegung des ersten Spieltages der neuen Saison vom 30. August auf den 10. September ist unter diesem Gesichtspunkt zu betrachten. Nachdem sich die deutsche Junioren-Nationalmannschaft für die zu der Zeit stattfindende Weltmeisterschaft qualifiziert hat, hätten bereits am ersten Spieltag mindestens 5 Spiele verlegt werden müssen, sofern die betroffenen Vereine nicht auf ihre Junioren-Nationalspieler verzichten würden. Es wäre aber ein mehr als schlechtes Signal an die TV-Sender, wenn man das von ihnen am heftigsten kritisierte Spieltags-Durcheinander bereits am ersten Spieltag beginnen würde. Damit wäre eine wichtige Forderung von ARD und ZDF an einen neuen TV-Vertrag von vorne herein Makulatur.
Der derzeit von SportA entwickelte Vertragsentwurf sieht eine Laufzeit von 5 Jahren vor, was vielen Ligabeobachtern als zu lang erscheint, selbst wenn Fernsehzeiten garantiert werden. Denn falls - aus welchen Gründen auch immer - die Sender erneut den Handball mit Liebesentzug strafen, wäre man bei einer derart langen Laufzeit ohne Druckmittel und Alternative. Durch die derzeitigen Konzentrationsprozesse in der deutschen Fernsehlandschaft könnte es schon bald neue Interessenten am Handball geben, an die heute noch keiner zu denken wagt. Große Senderfamilien entstehen oder positionieren sich neu, die alle durch neuartige Formate ihre Zielgruppen suchen. Handball spielt nach den letzten Erfolgen der Nationalmannschaft in mancher Senderzentrale bereits eine erhebliche Rolle in den internen Überlegungen.
Neu im Geschäft ist auch der erst 34-jährige Uwe Zimmer, der mit seiner Firma TOP Sport Management die Übertragung von Handballspielen produziert und mit der Übertragung des Schweizer Pokalfinales im DSF bereits einen ersten Eindruck von seinen Möglichkeiten bot. Zimmer und auch das DSF würden gerne die Zusammenarbeit mit der Handball-Bundesliga vertiefen und denken dabei insbesondere an eine zweite Live-Übertragung an Sonntagen. Sollte aber der TV-Vertrag mit der SportA zustande kommen, dürfte dieses Vorhaben am Veto des ZDF scheitern, dass schon jetzt Übertragungen der Dritten Programme an Sonntagen verhindert.
Ob es auch weiterhin ein Spiel der Woche am Mittwoch geben wird, steht aber ebenso in den Sternen. Viel hängt zunächst davon ab, wer der neue Besitzer des DSF werden wird. Zum anderen scheint es eine starke Tendenz zu geben, zumindest die Vorrundenspiele der Fußball Champions League von RTL an das DSF weiterzugeben. Dieses Experiment ist bisher zweimal erfolgreich durchgeführt worden und wird wahrscheinlich in Zukunft öfter eine Handball-Übertragung am Mittwoch verhindern.
So gibt es also noch viele Fragezeichen für die TV-Präsenz des Handballs in der nächsten Saison. Zwar haben die Sendeanstalten der ARD allesamt - mit Ausnahme des NDR, der sich noch etwas sträubt - ihre Bereitschaft signalisiert, ab der Saison 2003/2004 verstärkt in den Handball zu investieren, zudem scheint mittlerweile auch ein Ligasponsor gefunden zu sein, der nicht nur Namens- sondern auch Geldgeber in Millionenhöhe sein möchte, und auch der neu geschaffene Burgfriede dürfte an interessierter Stelle für großes Wohlwollen sorgen, aber wie üblich kann es noch immer in Detailfragen zu erheblichen Diskussionsbedarf kommen.
Die Bundesliga würde in dem TV-Vertrag gerne die Rechte an der digitalen Verwertung ausklammern. SportA hingegen legt besonderen Wert auch auf diese Nutzungsrechte. Während es seitens der Bundesliga mittlerweile fertige Konzepte für den Einstieg ins digitale Zeitalter mit Liga-Liveticker und Übertragung von Pressekonferenzen im Internet gibt, womit auch Liveübertragungen oder Zusammenfassungen von Spielen im Internet möglich sein werden, müsste die Liga dies regelmäßig mit der SportA verhandeln und möglicherweise sogar bezahlen, wenn die Nutzungsrechte Bestandteil des Vertrages werden.
Alles wird gut. Uwe Schwenkers Brief kam vielleicht zur rechten Zeit. Es ist zumindest fraglich, ob die nun gefundenen Lösungen ohne seinen öffentlichkeitswirksamen Rücktritt in Gang gekommen wären. Die reinigende Kraft von Gewittern wird in solchen Situationen gerne bemüht, um aus vermeintlich negativen Dingen noch positive Kräfte zu entwickeln. Die Entscheidungen der letzten Tage legen diesen Schluß jedenfalls nahe.
(Von Olaf Nolden, © 2003 www.handballimfernsehen.de)
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