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13.05.2003 Bundesliga

Liga ab 1. Juni eigenständig - Thiel soll Jacobsen 2004 als Präsident ablösen

Die Handball-Bundesliga wird ab dem 1. Juni unter dem Dach des DHB selbstständig. HBVM-Chef Heinz Jacobsen, von THW-Manager Uwe Schwenker in den vergangenen Wochen kritisiert (siehe Bericht), wird zunächst Präsident der Deutschen Handball Liga (DHL), aller Voraussicht nach aber bereits 2004 vom ehemaligen Nationaltorhüter Andreas Thiel abgelöst.
Lesen Sie hierzu auch den Artikel von Sport1 und den Kommentar von www.handballimfernsehen.de.

 

Aus Sport1 vom 12.05.2003:

Liga findet zur Einigkeit zurück: Thiel soll Jacobsen ablösen

Hannover/München - "Hexer Andreas Thiel kehrt in die Bundesliga zurück - allerdings nicht als Spieler, sondern auf höchster Funktionärsebene. Wie Sport1 erfuhr, soll der ehemalige Nationaltorhüter ab 2004 Vorsitzender der Deutschen Handball Liga (DHL) werden. Darauf einigten sich die Vertreter der 18 Bundes- und 37 Zweitligisten auf ihrer Ligatagung am Donnerstag in Hannover.
Jacobsen wird Ehrenpräsident
Thiel soll 2004 Heinz Jacobsen ablösen. Der Kieler, zurzeit Vorsitzender der Handball-Bundesliga-Vereinigung Männer (HBVM), soll zunächst ein Jahr lang die neu zu gründende DHL übernehmen, um dann Ehrenpräsident zu werden. Am Freitag bestätigte Thiel die Informationen. "Ja, ich stehe ab Mitte 2004 zur Verfügung", sagte der Jurist in einem Interview mit Sport1. Thiel nennt die Aufgabe "reizvoll". Denn: "Die Bundesliga ist für den Stellenwert und die Positionierung des Handballs in der deutschen Sportlandschaft entscheidend verantwortlich."
Spannungen im Vorfeld
Vorausgegangen an die Einigung innerhalb der Liga war am Donnerstag eine lebhafte Diskussion, die ein Teilnehmer als "konstruktiv und sachlich" bezeichnete. Die Ligatagung in Hannover war mit großer Spannung erwartet worden, da Kiels Manager Uwe Schwenker im Vorfeld aus dem Ligaausschuss zurückgetreten war. Daraufhin war ein seit langem schwellender Streit zwischen Schwenker und Heinz Jacobsen öffentlich geworden, in dessen Zuge sich die Liga zwischen den beiden Machern gespalten und sich die Fronten verhärtet hatten.
Wichtige Verhandlungen
Die nun gefundene Lösung scheint wieder die dringend benötigte Ruhe in den deutschen Handball zu bringen. Denn die Liga steht vor wichtigen Verhandlungen über einen Fernsehvertrag, der den Handball wieder in das Licht der Öffentlichkeit rücken soll. Ein Teilnehmer der Sitzung meinte gegenüber Sport1, die Tagung sei sehr harmonisch verlaufen: "Die Liga hat Einigkeit bewiesen."
Bohmann wird eingearbeitet
Jacobsen hätte die "breite Unterstützung" für die Fortsetzung seiner Arbeit erhalten, weil er "die Fäden jetzt in der Hand hat und sicherlich der richtige Mann für den Übergang von HBVM zur DHL" ist. Zudem soll Jacobsen sein Augenmerk auf die Einarbeitung des neuen DHL- Geschäftsführers Frank Bohmann richten.
Thiel sieben Mal "Handballer des Jahres"
Andreas Thiel ist eine der Galionsfiguren des Handballs. 256 Mal stand der Jurist im Tor der deutschen Nationalmannschaft, holte 1984 Olympia-Silber und war sieben Mal "Handballer des Jahres". Zudem wurde Thiel in seiner aktiven Zeit fünf Mal Deutscher Meister und drei Mal Pokalsieger. Der 42-Jährige arbeitet als Jurist in Köln, vertrat und vertritt zahlreiche Bundesligisten und Spieler.
"Fall Kolpak" wird geprüft
Zwei weitere Entscheidungen wurden getroffen. Zum einen soll der am Donnerstag vom Europäischen Gerichtshof entschiedene "Fall Kolpak" geprüft werden. Es ist nicht ausgeschlossen, dass Spieler aus den zehn Ländern, die sich 2004 der EU anschließen werden, bereits ab der neuen Saison als EU- Ausländer gelten. Zudem wurde der Start der neuen Saison auf Grund der Junioren-WM in Brasilien um zwei Wochen nach hinten verschoben. Die Serie 2003/2004 beginnt am 10. September.

(© 2003 Sport1)

 

Aus www.handballimfernsehen.de:

Alles wird gut...

Alles wird gut - so endete Uwe Schwenkers offener Brief, mit dem er seinen Rückzug aus dem Ligaausschuss ankündigte. Unüberbrückbare Differenzen mit dem HBVM-Vorsitzenden Heinz Jacobsen in Bezug auf die Vertragsverhandlungen um den neuen TV-Vertrag waren der Grund. Mit den am Wochenende getroffenen Entscheidungen scheint Uwe Schwenkers Prognose einzutreten.

Andreas Thiel ist der neue Hoffnungsträger der Handball-Zunft. Der von Gummersbachs Manager Carsten Sauer ins Spiel gebrachte Ex-Nationaltorhüter wurde von der Ligaversammlung letzte Woche in Hannover als neuer Präsidenten des in Gründung befindlichen Ligaverbandes aufs Tablett gehoben. Allerdings erst ab dem 1. Juli 2004, da Thiel, derzeit als Rechtsanwalt auch für Bundesligisten tätig, seine bisherige Arbeit geordnet beenden möchte, um nicht in Interessenkonflikte zu geraten.

So beschloss die Ligaversammlung, dass Heinz Jacobsen am 28. Juni zunächst als erster Präsident des Ligaverbandes gewählt werden soll. Die Wahl erfolgt zwar für 2 Jahre, aber bereits nach einem Jahr soll er die Geschäfte an seinen designierten Nachfolger übergeben. Ein Kompromiss, mit dem glücklichen Umstand, dass alle Beteiligten nach außen ihr Gesicht wahren können.

Heinz Jacobsen genießt offiziell das Vertrauen aller Erst- und Zweitligisten, die Jacobsenkritiker haben eine Perspektive, die einen sehr überschaubaren Zeitraum umfasst und der Dauerkonflikt innerhalb der Liga könnte als beendet erklärt werden.

Wie groß der neue Frieden in der Liga ist, wird besonders deutlich an der Tatsache, dass Essens Manager Klaus Schorn, der noch vor Ostern in einem Interview mit der Zeitung "Die Welt" öffentlich Schwenkers Rücktritt aus dem Ligaausschuss gefordert hatte, eben jenen Schwenker nun wieder zur Mitarbeit im Ligaausschuss animieren wollte. Der hat aber zunächst abgelehnt. Neuer starker Mann im Ligaausschuss könnte vielmehr der Gummersbacher Carsten Sauer werden.

Nach dem öffentlich ausgetragenen Streit zwischen Uwe Schwenker und Heinz Jacobsen hat der VfL-Manager hinter den Kulissen einen Kompromissvorschlag ausgehandelt, der zur Nominierung von Andreas Thiel führte. Der in der Handball-Szene anerkannte Rechtsanwalt mit dem zur aktiven Zeit erworbenen Beinamen "Hexer" gilt nicht nur als tragfähige Lösung, an ihn knüpfen sich auch Hoffnungen an eine erheblich bessere Außendarstellung der Bundesliga sowie eine verbesserte Entscheidungskultur innerhalb der Liga. Sauer ist damit ein Coup gelungen, der mit einem Schlag das lodernde Feuer erlischen ließ.

Mit der Beilegung der Streitigkeiten steigen auch wieder die Chancen auf einen TV-Vertrag. Die Fernsehanstalten können nun wieder die Hoffnung haben, verlässliche Ansprechpartner auf der Gegenseite vorzufinden, die sich nicht in Kleinkriege verzetteln. Die Sacharbeit hat wieder die Oberhand ergriffen. So ist auch die Verlegung des letzten Spieltages von 18.00 Uhr auf 15.00 Uhr als ein Zeichen an die TV-Anstalten zu werten, früher gemachte Fehler auszumerzen. Denn obwohl es noch keine konkreten Planungen für eine Live-Übertragung vom letzten Spieltag gibt, hat der Beschluss der Ligaversammlung immerhin die Möglichkeit geschaffen, auf kurzfristige Anfragen der Sender zu reagieren. Denn ob es eine Live-Übertragung geben wird, hängt von der aktuellen Tabellensituation in der Liga vor dem letzten Spieltag ab. Den Sendern wird so die Ausgangsposition für flexibles Handeln geschaffen, da man erst eine Woche vor Ultimo konkrete Planungen vornehmen muß. Zu diesem Zeitpunkt wäre eine Verlegung des kompletten Spieltages nicht mehr möglich gewesen.

Aber auch die jetzt angedachte Verlegung des ersten Spieltages der neuen Saison vom 30. August auf den 10. September ist unter diesem Gesichtspunkt zu betrachten. Nachdem sich die deutsche Junioren-Nationalmannschaft für die zu der Zeit stattfindende Weltmeisterschaft qualifiziert hat, hätten bereits am ersten Spieltag mindestens 5 Spiele verlegt werden müssen, sofern die betroffenen Vereine nicht auf ihre Junioren-Nationalspieler verzichten würden. Es wäre aber ein mehr als schlechtes Signal an die TV-Sender, wenn man das von ihnen am heftigsten kritisierte Spieltags-Durcheinander bereits am ersten Spieltag beginnen würde. Damit wäre eine wichtige Forderung von ARD und ZDF an einen neuen TV-Vertrag von vorne herein Makulatur.

Der derzeit von SportA entwickelte Vertragsentwurf sieht eine Laufzeit von 5 Jahren vor, was vielen Ligabeobachtern als zu lang erscheint, selbst wenn Fernsehzeiten garantiert werden. Denn falls - aus welchen Gründen auch immer - die Sender erneut den Handball mit Liebesentzug strafen, wäre man bei einer derart langen Laufzeit ohne Druckmittel und Alternative. Durch die derzeitigen Konzentrationsprozesse in der deutschen Fernsehlandschaft könnte es schon bald neue Interessenten am Handball geben, an die heute noch keiner zu denken wagt. Große Senderfamilien entstehen oder positionieren sich neu, die alle durch neuartige Formate ihre Zielgruppen suchen. Handball spielt nach den letzten Erfolgen der Nationalmannschaft in mancher Senderzentrale bereits eine erhebliche Rolle in den internen Überlegungen.

Neu im Geschäft ist auch der erst 34-jährige Uwe Zimmer, der mit seiner Firma TOP Sport Management die Übertragung von Handballspielen produziert und mit der Übertragung des Schweizer Pokalfinales im DSF bereits einen ersten Eindruck von seinen Möglichkeiten bot. Zimmer und auch das DSF würden gerne die Zusammenarbeit mit der Handball-Bundesliga vertiefen und denken dabei insbesondere an eine zweite Live-Übertragung an Sonntagen. Sollte aber der TV-Vertrag mit der SportA zustande kommen, dürfte dieses Vorhaben am Veto des ZDF scheitern, dass schon jetzt Übertragungen der Dritten Programme an Sonntagen verhindert.

Ob es auch weiterhin ein Spiel der Woche am Mittwoch geben wird, steht aber ebenso in den Sternen. Viel hängt zunächst davon ab, wer der neue Besitzer des DSF werden wird. Zum anderen scheint es eine starke Tendenz zu geben, zumindest die Vorrundenspiele der Fußball Champions League von RTL an das DSF weiterzugeben. Dieses Experiment ist bisher zweimal erfolgreich durchgeführt worden und wird wahrscheinlich in Zukunft öfter eine Handball-Übertragung am Mittwoch verhindern.

So gibt es also noch viele Fragezeichen für die TV-Präsenz des Handballs in der nächsten Saison. Zwar haben die Sendeanstalten der ARD allesamt - mit Ausnahme des NDR, der sich noch etwas sträubt - ihre Bereitschaft signalisiert, ab der Saison 2003/2004 verstärkt in den Handball zu investieren, zudem scheint mittlerweile auch ein Ligasponsor gefunden zu sein, der nicht nur Namens- sondern auch Geldgeber in Millionenhöhe sein möchte, und auch der neu geschaffene Burgfriede dürfte an interessierter Stelle für großes Wohlwollen sorgen, aber wie üblich kann es noch immer in Detailfragen zu erheblichen Diskussionsbedarf kommen.

Die Bundesliga würde in dem TV-Vertrag gerne die Rechte an der digitalen Verwertung ausklammern. SportA hingegen legt besonderen Wert auch auf diese Nutzungsrechte. Während es seitens der Bundesliga mittlerweile fertige Konzepte für den Einstieg ins digitale Zeitalter mit Liga-Liveticker und Übertragung von Pressekonferenzen im Internet gibt, womit auch Liveübertragungen oder Zusammenfassungen von Spielen im Internet möglich sein werden, müsste die Liga dies regelmäßig mit der SportA verhandeln und möglicherweise sogar bezahlen, wenn die Nutzungsrechte Bestandteil des Vertrages werden.

Alles wird gut. Uwe Schwenkers Brief kam vielleicht zur rechten Zeit. Es ist zumindest fraglich, ob die nun gefundenen Lösungen ohne seinen öffentlichkeitswirksamen Rücktritt in Gang gekommen wären. Die reinigende Kraft von Gewittern wird in solchen Situationen gerne bemüht, um aus vermeintlich negativen Dingen noch positive Kräfte zu entwickeln. Die Entscheidungen der letzten Tage legen diesen Schluß jedenfalls nahe.

(Von Olaf Nolden, © 2003 www.handballimfernsehen.de)


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