Am Mittwoch (Anpfiff 20 Uhr) empfängt der THW Kiel den
GWD Minden. Gegen den
Tabellenvierzehnten
(2:8 Punkte) ist die Erwartungshaltung der Fans klar - zwei Punkte sollen den THW
mit dann 13:1 Zählern zumindest bis zum Wochenende
am HSV Hamburg (12:2, spielfrei) vorbei zum Tabellenführer machen.
"Jedes Spiel muss erst einmal gespielt werden" - diese Sportlerweisheit
kann man auch vor dem Spiel gegen GWD aus dem Mund der THW-Führung entnehmen.
Doch natürlich erwartet sie einen doppelten Punktgewinn gegen die Ostwestfalen, die mit bisher nur
einem Sieg sich jetzt schon im Abstiegskampf befinden. Beim Aufsteiger
Stralsund verlor Minden zum Saisonauftakt 21:23, fuhr dann glücklich
zwei Punkte in eigener Halle gegen den zweiten Aufsteiger, Kronau-Östringen,
ein (30:29), musste dann aber Niederlagen in Wallau, zu Hause gegen Magdeburg und
in Essen hinnehmen (siehe
Kurve Minden).
Gegenüber der schwachen GWD-Vorstellung in Hannover gegen Magdeburg konnte Mindens Trainer Rainer Niemeyer bei TUSEM immerhin eine deutliche Leistungssteigerung seines Teams
feststellen: "Gegenüber dem Magdeburg-Spiel waren das Welten" sagte der ehemalige
Weltmeister dem Mindener Tageblatt, der seinen Spielern eine "tolle Moral" und
"die beste Saisonleistung" attestierte.
Mit etwas mehr Glück und Kraft wäre für das Team, das in dieser Saison ohne
Frank von Behren (Gummersbach) und Gustaf Bjarnason (zurück nach Island) auskommen muss,
sogar eine Überraschung möglich gewesen.
Besonders dem spanischen Spielgestalter "Chechu" Fernandez (Niemeyer: "Diesmal eine tolle
Leitfigur") wurde aufsteigende Form bescheinigt. Auch in der Defensive stand der
Iberer mit Mike Bezdicek und
Aaron Ziercke stark im Mittelblock, Torhüter Jan de Bakker
zeigte ebenfalls gute Form. Ein "ordentliches Comeback" feierte laut Mindener Tageblatt
der Linkshänder Jan-Fiete Buschmann.
Weitere bekannte Größen im Mindener Kader sind
Nationalspieler Arne Niemeyer (RL/RM, mit 27 Toren bisher bester Schütze), Rechtsaußen Tomas Axner (24/7 Tore) und Kreisläufer
Dimitri Kouzelev.
Die offizielle Sprachregelung bei GWD scheint zu sein, dass es in Kiel nur darum gehe,
sich achtbar aus der Affäre zu ziehen. Dennoch: kampflos abgeben werde man das Spiel
nicht, "es wäre aber vermessen zu sagen, dass wir dort die besten Siegchancen besitzen
würden", so Niemeyer gegenüber dem Mindener Tageblatt. Nicht mehr mithelfen, ein gutes Ergebnis
in Kiel zu erreichen, wird Denis Maksimovitch. Dem weißrussischen Nationalspieler wurde von
GWD-Manager Bredemeier erklärt, er besitze kein Vertrauen mehr im Verein und solle sich
ein neues Team suchen.
Würde der THW gegen Minden die erhofften zwei Punkte einfahren, wären die Zebras
erstmals seit dem 19. Mai 2002 wieder Tabellenführer der Bundesliga. Doch solcherlei Zahlenspiele
interessieren die Kieler Führung und einen Großteil der Fans - insbesondere
zu diesem frühen Zeitpunkt der Saison - wenig. Wichtiger dürfte da sein, dass
die Mannschaft guten Handball bietet, große Spielfreude zeigt und ihr Potenzial
mehr als nur andeutet.
Im letzten Jahr unterlag Minden in der Ostseehalle mit 20:26 (11:11)
(siehe Spielbericht), den letzten GWD-Erfolg in Kiel
finden Chronisten in der Saison 83/84 (siehe Gegnerdaten Minden).
Schiedsrichter der Partie sind
Andler (Remseck)/ Andler (Stuttgart).
Aus den Kieler Nachrichten vom 01.10.2003:
GWD Minden stapelt tief
Gegen THW nur Schadensbegrenzung?
Kiel - Aus Mindener Sicht geht es nur um
Schadensbegrenzung. Man wolle versuchen, ein gutes
Ergebnis zu erzielen, erläutert GWD-Trainer Rainer
Niemeyer die eigenen Absichten vor der Partie heute
Abend (20 Uhr) beim THW Kiel. Dessen Trainer,
Noka Serdarusic, erkennt die Einschläferungstaktik. "Wir
nehmen jeden Gegner ernst", sagt er.
Ob Rückraumspieler Piotr Przybecki dabei ist, stand
gestern in den Sternen. Eine Lendenwirbelverletzung
aus dem Spiel gegen Wetzlar machte dem Polen zu
schaffen. "Ich hoffe, er kann uns helfen", sagt
Serdarusic, "Lozano ist noch nicht in der Lage, mehr
als 15 Minuten pro Halbzeit zu spielen." Dennoch sagt
Kiels Trainer: "Wir sind klarer Favorit und wollen das
bestätigen."
Die Leistungskurven beider Teams, das belegt der
Blick auf die Tabelle der Handball-Bundesliga,
verlaufen krass entgegengesetzt. Vor Saisonbeginn
hatte die sportliche Leitung um Niemeyer und
Manager "Hotti" Bredemeier den Mindener Kader
verschlankt. Sechs Spieler, darunter Frank von
Behren, gingen, drei neue plus zwei eigene
Nachwuchsleute kamen. Niemeyer muss sich auf den
Abstiegskampf einstellen.
Dabei helfen zwei ehemalige Kieler tatkräftig mit:
Aaron Ziercke und
Mike Bezdicek.
Ziercke trug das
THW-Trikot von 1989 bis 1993, "Bezze" brachte es
nur auf ein Vier-Monats-Intermezzo. Der 86-fache
Nationalspieler kam am 27. Oktober 2000 als
Leihgabe von GWD Minden, musste nach
vereinsinternen Streitigkeiten aber schon am 14.
Februar 2001 wieder gehen - fristlose Kündigung.
Nach der Trennung erlebte der 2,06-m-Mann eine
wahre Odyssee. Erste Station war der italienische
Erstligist Rubiera/Modena, mit dem ihm am 6. April
2001 im Play-Off-Halbfinale die Achillessehne riss.
Obendrein bereitete ein Dopingtest Ungemach.
"Bezze" rauschte als Sünder durch den Blätterwald,
voreilig, wie sich später herausstellte; ihm wurde
nichts nachgewiesen. Die weiteren Stationen:
Juristische Auseinandersetzungen in Minden mit dem
Ergebnis der Weiterbeschäftigung. Vier Spiele, dann
ging es zu Grashoppers Zürich. Dort wurde der
mittlerweile 35-Jährige Vizemeister, kehrte aber
zurück nach Minden, wo ihn im Herbst 2002 eine
Schulter-Luxation außer Gefecht setzte. Seit Januar
ist er - überwiegend - verletzungsfrei, sein
Vertrag läuft bis 2004, und wenn die Gesundheit
mitspielt, will er weitere Jahre dranhängen. Doch
heute freut er sich zunächst einmal auf Kiel.
Bezdicek: "Wie immer, wenn es in diesen tollen
Handballtempel geht".
(Aus den Kieler Nachrichten vom 01.10.2003)
"Natürlich sind wir da klarer Außenseiter. Aber in dieser Rolle fühlen wir uns ganz wohl",
gibt sich GWD-Trainer Rainer Niemeyer vor dem Auftritt seines Teams in
der Ostseehalle gegenüber dem Mindener Tageblatt gelassen.
Um beim THW gut auszusehen müsse man die bei der knappen Niederlage in Essen
gezeigte Geduld und Disziplin wiederholen und ein gutes Rückzugsverhalten zeigen,
weil der THW, der einen "glänzenden Lauf" habe, 50 Prozent seiner Tore per Gegenstoß mache.
Dazu haben die Kieler das beste Gespann im Tor: "Weltklasse", so Niemeyer dem MT.
Niemeyers Rezept: Geschlossenheit, lange, sichere Angriffe und in der Deckung
Boquist
und
Ahlm, über die fast alle laufe, stören.
Allgemeine Marschrichtung für Minden:
"Wir wollen den Weg weiter gehen, den wir am Sonntag in Essen beschritten haben", so Niemeyer
der "Mindener Zeitung".
Bei Minden steht hinter dem Einsatz des dänischen Linksaußen Lars Rasmussen ein Fragezeichen.
Der Torschützenkönig der dänischen Liga zog sich im Training eine Augenverletzung zu.
Angeschlagen sind
Jan-Fiete Buschmann (Stirnhöhlenvereiterung), Arne Niemeyer und Andreas Simon (grippaler Infekt).
Dieser Vorbericht wird laufend aktualisiert...
Aus dem THW-Hallenmagazin Zebra, von living sports:
Rainer Niemeyer, Trainer von GWD Minden,
über die Schwierigkeiten der neuen Saison
In der letzten Saison schien der Abstieg der Grün-Weißen aus
Dankersen schon so gut wie besiegelt, als GWD-Manager Horst
Bredemeier in letzter Sekunde die Notbremse "Trainerwechsel"
zog. Neuer Trainer wurde der bisherige Trainer der 2.
Mannschaft in der Regionalliga, Rainer Niemeyer. Thomas
Fischer (living sports) unterhielt sich mit dem Mindener
"Retter" und Weltmeister von 1978 (als Torwart) über dessen
neue Herausforderung als "Full-Time-Trainer" und seine
schwierige Aufgabe in Minden.
- Zebra:
-
Sie haben am 13.03.2003, kurz vor Ende der letzten Saison,
Aleksandr Rymanov als Trainer der GWD Minden abgelöst. Was
hat sich dadurch für Sie persönlich alles verändert?
- Rainer Niemeyer:
-
|
Seit März Trainer in Minden:
Rainer Niemeyer.
©
GWD |
Es hat sich natürlich vieles geändert. Ich mache diesen
Trainerjob seit dem 1.7. dieses Jahres hauptberuflich, habe
meinen Beruf als Lehrer also hinter den Handball
zurückgestellt. Die Doppelbelastung Schule und Handball ist
ganz einfach nicht zu schaffen. Ich habe aus meiner
Sichtweise heraus als Trainer der 2. Mannschaft mir nicht
annähernd vorstellen können, wie viel Arbeit ein
Bundesligatrainer tatsächlich hat.
- Zebra:
-
Trotz aller Umstellungen macht Ihnen der neue Job aber
trotzdem Spaß, oder?
- Rainer Niemeyer:
-
Natürlich! Ich bin Vollbluthandballer durch und durch, habe
in meiner aktiven Zeit ja so ziemlich alles gewonnen, was man
kann. Diese Erfahrung versuche ich täglich mit einzubringen.
Beim Handball bin ich mein Leben lang geblieben und so macht
mir die neue Herausforderung wirklich sehr viel Freude. Ich
habe einen Vertrag bis 2005 und ich freue mich auf jedes
einzelne Jahr.
- Zebra:
-
Sie haben den Verein in der letzten Saison in der letzten
Minute vor dem Abstieg gerettet. Glauben Sie, diese Saison
wird für Sie ruhiger verlaufen?
- Rainer Niemeyer:
-
Ich denke eher im Gegenteil - die jetzige Saison könnte
durchaus noch schwieriger werden als die letzte. In der
letzten Spielzeit war der Verein praktisch fast schon
abgestiegen, man hat von mir nicht viel erwartet. Über die
ganze Saison gesehen, sehe ich noch viele Schwierigkeiten auf
uns zukommen. Schon aufgrund unseres niedrigen Etats (1,8 Mio
Euro) haben wir quasi keine Möglichkeit, auf dem Spielermarkt
groß aktiv zu werden, zumal wir mit einer Unterdeckung von
200000 Euro in die Saison starten. Unser Spielerkader ist
somit sehr knapp bemessen und musste mit vielen jungen Leuten
aus der eigenen Jugend ergänzt werden. Schon in den ersten
Spielen haben wir schnell gemerkt, dass uns der Wind sehr rau
entgegen weht.
- Zebra:
-
Also hat sich die finanzielle Situation des Vereins nicht
geändert?
- Rainer Niemeyer:
-
Nein, die ist nach wie vor sehr angespannt. Aufgrund der
allgemein schlechten wirtschaftlichen Situation sind einige
unserer ehemaligen Sponsoren in die Insolvenz gegangen und es
wird dementsprechend auch nicht einfacher, neue Sponsoren für
den Verein zu gewinnen. Man muss auch ganz klar sagen, dass
es von Seiten der Betriebe teilweise verständlich ist, dass
sie sich weniger mit einem Verein aus der unteren
Tabellenhälfte identifizieren wollen. Man baut dabei eher auf
die Heimatverbundenheit ansässiger Firmen, somit haben es
größere Vereine wie Kiel, Magdeburg oder Flensburg natürlich
leichter, da diese Vereine wesentlich mehr im Rampenlicht
stehen als Minden. Dadurch bildet sich in der Bundesliga eine
gewisse Zwei-Klassen-Gesellschaft, die noch gefährlich werden
kann.
- Zebra:
-
Sie haben bereits Ihren eher misslungenen Saisonstart
angesprochen. War für Sie mehr drin?
- Rainer Niemeyer:
-
Ich denke, dass zumindest in unserem ersten Spiel gegen
Strahlsund mehr drin gewesen wäre. Aber angesichts der
schmalen Spielerdecke, die durch die schwere
Gehirnerschütterung von Fiete Buschmann, einem zentralen
Spieler für unser System, nach 240 Sekunden noch geschmälert
wurde, konnte man auch nicht viel mehr erwarten. Ein
Unentschieden wäre zwar noch drin gewesen, es sollte jedoch
nicht sein. Dieses erste Spiel hat unsere gesamten Planungen
doch schon sehr durcheinander gebracht. Wir können verletzte
Spieler nur sehr schwer gleichwertig ersetzen.
- Zebra:
-
Kann die Mannschaft den Abgang Ihres "Eigengewächses" Frank
von Behren kompensieren?
- Rainer Niemeyer:
-
Das wird sich im Laufe der Saison herausstellen. Frank war
für uns ohne Frage ein sehr wichtiger Spieler, aber die
Mannschaft hatte bereits in Zeiten, in denen er verletzt war,
gezeigt, dass sie es auch ohne ihn kann. Wir dürfen uns jetzt
nicht fragen: "Was wäre wenn?", sondern wir müssen uns der
neuen Herausforderung stellen.
- Zebra:
-
Wo sehen Sie die Mannschaft am Ende der Saison? Ihr
offizielles Ziel lautet ja Platz 10 bis 12...
- Rainer Niemeyer:
-
Das ist richtig, dieses Ergebnis streben wir jedenfalls an,
daran möchte ich auch festhalten. Man muss allerdings
einsehen, dass dieses Ziel auch ganz schnell verfehlt werden
kann, wenn man wichtige Spiele gegen Konkurrenten aus der
unteren Hälfte der Liga verliert. So kann man auch ganz
schnell von einem Mittelfeldplatz in den Abstiegskampf
geraten. Der Erfolg hängt für uns wirklich am seidenen Faden,
wie für viele andere Vereine übrigens auch.
- Zebra:
-
Sie mussten dieses Jahr fünf Neuzugänge in die Mannschaft
integrieren, von denen alleine drei aus der eigenen Jugend
stammen. Wie funktioniert mittlerweile das Zusammenspiel?
- Rainer Niemeyer:
-
Im Moment kann man noch von keiner schlagkräftigen Einheit
sprechen, man konnte es auch noch nicht erwarten. Die eigenen
Nachwuchsspieler dürfen nur langsam an den Spielbetrieb der
Bundesliga herangeführt werden, für übereilte Schritte wäre
es zu früh. Sie schlagen sich zwar nicht schlecht, man kann
von einem 19-jährigen aber natürlich noch keine Akzente
erwarten. Dafür ist die Liga einfach zu stark.
- Zebra:
-
Wie sehen Sie Ihre Chancen gegen den THW in der Ostseehalle?
- Rainer Niemeyer:
-
Man muss kein Prophet sein, um zu sagen, dass wir in dem
Spiel ganz klarer Außenseiter sind. Dennoch müssen wir
versuchen, diese minimalen Chancen gegen den THW zu nutzen.
Der THW hat sich gezielt und geschickt verstärkt und eine
spielstarke Mannschaft aufgebaut, die auch in den nächsten
Jahren sicherlich noch kräftig mitmischen wird. Da muss man
Uwe Schwenker ganz klar ein
Kompliment machen, wie er es mit viel Auge und Feingefühl
fertig gebracht hat, die entsprechenden Leute für Kiel zu
verpflichten.
(Aus dem THW-Hallenmagazin Zebra - das Interview
führte Thomas Fischer (living sports))
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