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21.01.2004 Interview / EM 2004 / Nationalmannschaft

KN-Interview mit Henning Fritz: "Für uns zählt nur die EM"

Henning Fritz: Keine Gedanken an Olympische Spiele - Zehn Zebras in Slowenien

Aus den Kieler Nachrichten vom 21.01.2004:

Morgen startet in Slowenien die sechste Handball-Europameisterschaft. Der THW Kiel ist mit zehn Zebras dabei. Für Deutschland spielen Klaus-Dieter Petersen, Christian Zeitz und Henning Fritz. Kiels Torhüter ist ein Hoffnungsträger im Team. Bei der WM 2003 wurde "Fritze" ins All-Star-Team gewählt, kürzlich folgte die erste Einladung ins Aufgebot einer Weltauswahl. Die KN sprachen mit Henning Fritz.
Kieler Nachrichten:
Wie stehen die deutschen Chancen bei dieser EM?
Henning Fritz:
Nach zweimal Silber bei der EM in Schweden und der WM von Portugal sprechen in Deutschland fast alle nur von Gold und dem Titelgewinn. Klar, wir wollen in Slowenien gerne gewinnen, aber die Spitze im internationalen Handball ist noch enger zusammengerückt. Wenn wir Pech haben, fliegen wir schon in der Vorrunde 'raus.
Kieler Nachrichten:
Am 25. Januar geht es gegen Frankreich. Unvergessen sind ihre emotionsgeladenen Duelle bei der WM 2003 mit Bertrand Gille. Wird sich so etwas wiederholen?
Henning Fritz:
Das kann ich nicht voraussehen, es ist situationsbedingt. Früher haben mich einige Leute als zu leise kritisiert. Die finden es jetzt gut, wenn ich Emotionen zeige, andere verurteilen es. Wenn ich nach Paraden Triumphgefühle zeige, will ich die Gegenspieler nicht beleidigen. Es ist nicht gegen eine Person gerichtet, sondern nur für mich wichtig. Solche emotionalen Gesten gehören dazu, um Erfolg zu erlangen. Um zu einer guten Leistung zu finden, muss ich mich hoch pushen. Später, auf dem Kabinengang gibt man sich die Hand.
Kieler Nachrichten:
Wie hat sich Ihre Wandlung vom stillen zum lauten Henning Fritz vollzogen?
Henning Fritz:
In Kiel "menschlich und sportlich reifer geworden":  Henning Fritz.
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Das ging nicht von heute auf morgen, das hat sich mit der Erfahrung kontinuierlich verändert. Vielleicht hängt dieser Prozess auch mit meinem Wechsel von Magdeburg nach Kiel zusammen. Ich bin menschlich und sportlich reifer geworden.
Kieler Nachrichten:
Sie sind schon mit Fußball-Torhüter Oliver Kahn verglichen worden. Wann beißen sie das erste Mal?
Henning Fritz:
Das kommt ganz sicher nicht vor. Man kann mich nicht mit Olli Kahn vergleichen. Ehrgeizig bin ich genauso wie er. Spitzenfußballer haben aber eine größere Öffentlichkeit und somit auch in ihren Handlungen eine größere Wirkung. Wenn ihm einmal ein Ball durch die "Hosenträger" geht, ist er der Dumme. Im Handballtor kann man sich nach einem Fehler schnell wieder neu beweisen.
Kieler Nachrichten:
Bei der WM 2002 wandelte Kahn ständig am Limit. Nach dem verlorenen Finale gegen Brasilien fiel er in ein tiefes Loch. Könnte Ihnen das nach dem EM-Stress genau so ergehen? Muss sich THW-Trainer Noka Serdarusic Sorgen machen?
Henning Fritz:
Nein, im Handball herrschen andere Bedingungen. Erstens sind wir es gewohnt, viele wichtige Spiele in kurzer zeitlicher Abfolge zu absolvieren, ob es uns passt oder nicht. Zweitens steht in fast jeder Mannschaft ein zweiter guter Torhüter, der Leistungsschwankungen des anderen ausbügeln kann. In Kiel wechsele ich mich mit Mattias Andersson ab. Wir leben den Begriff vom Team im Team. Der eine fängt den anderen auf.
Kieler Nachrichten:
Deutschland hat ein starkes Team, es fehlt nur der ganz große Wurf. Breitet sich nach den zweiten Plätzen jetzt Angst aus, am Ende ohne Titel dazustehen?
Henning Fritz:
An so etwas denken wir gar nicht. Wenn man darüber nachdenkt, dass die Zeit weglaufen könnte, wird es erst recht nichts mit einem Titel. Vielmehr ist es doch so, dass wir schon Einiges erreicht haben, darauf dürfen wir stolz sein. Es gibt einige DHB-Auswahlen, die nicht so erfolgreich waren wie wir.
Kieler Nachrichten:
Im Sommer folgt mit den Olympischen Spielen in Athen ein Top-Ereignis. Ist es möglich, dass einige Spieler die EM nur als Durchgangsstation bewerten?
Henning Fritz:
Auf keinen Fall. Die Europameisterschaft ist mit den besten Mannschaften des Welthandballs überhaupt besetzt und ist meiner Meinung nach eine sehr große sportliche Herausforderung. Es ist gar nicht möglich, dass wir für die EM nur 97,5 Prozent Leistung abrufen, um in Athen 100 Prozent zu bringen. Für uns zählt jetzt ausschließlich die EM. Auf diese Karte setzen wir alles, in Athen wird wieder neu gemischt.
(Von Reimer Plöhn, aus den Kieler Nachrichten vom 21.01.2004)


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