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21.10.2004 Interview

KN-Interview mit Bundestrainer Heiner Brand: "Ich kann eigentlich keinen Spieler nominieren, der im Klub nicht viel spielt"

Für "Pitti" Petersen schließt sich der Kreis

Aus den Kieler Nachrichten vom 21.10.2004:

Bundestrainer Heiner Brand
Klicken Sie zum Vergrößern! Bundestrainer Heiner Brand

Die KN-Redakteure Reimer Plöhn und Wolf Paarmann sprachen am Rande des Länderspiels mit Bundestrainer Heiner Brand über den Neuaufbau der Handball-Nationalmannschaft.
Kieler Nachrichten:
Herr Brand, nach dem Gewinn der EM im Februar 2004 in Slowenien war der Bart ab. Jetzt steht er wieder. Bleibt das so?
Bundestrainer Heiner Brand:
Die Jungs haben mich einmal ohne gesehen, der Gag ist vorbei. Ich hatte mich eigentlich ganz gut an den Zustand "ohne" gewöhnt, aber meine Frau und meine Tochter wollten mich wieder mit Bart sehen. Jetzt bleibt er dran.
Kieler Nachrichten:
Der Umbruch der Nationalmannschaft hat sich nun nach dem Länderspiel gegen Schweden vollzogen. Dabei war 2005 als Wendepunkt angedacht...
Bundestrainer Heiner Brand:
Wenn wir die WM 2005 nach Deutschland bekommen hätten, hätte es sicher Sinn gemacht, dass die fünf noch ein halbes Jahr drangehängt hätten. Aber jetzt bekommen wir die WM erst 2007 ins eigene Land, und das macht einen Umbruch notwendig.
Kieler Nachrichten:
Der Deutsche Handball-Bund hat zuletzt durch die großen Erfolge der Nationalmannschaft für positive Schlagzeilen gesorgt. Die drohende Insolvenz des DHB oder der Versuch, durch Bestechung die WM 2005 zu erhalten, haben aber einen Schatten auf die Medaillen geworfen. Ärgert Sie das?
Bundestrainer Heiner Brand:
Die Probleme sind lösbar. Was mich ärgert, sind die zahllosen Diskussionen, an denen sich zu viele Leute vom DHB beteiligen. Das ist schädlich. Wir sollten unsere Probleme intern lösen und nicht selbst die Schlagzeilen liefern.
Kieler Nachrichten:
In diesem Jahr wird der World Cup im November in Schweden ausgespielt. Mit Gegnern wie Frankreich, Kroatien und Dänemark ist das Tunier hochkarätig besetzt. Welche Rolle wird Ihre Mannschaft spielen?
Bundestrainer Heiner Brand:
Da spielen in erster Linie Nationen, die den Umbruch schon vollzogen haben und in den nächsten drei, vier Jahren so weiterspielen. Es fällt mir schwer zu glauben, dass wir da schon mithalten können.
Kieler Nachrichten:
Mit Petersen und Zerbe bricht Ihnen der komplette Mittelblock und damit das Herzstück der Abwehr weg. Wie werden Sie darauf reagieren?
Bundestrainer Heiner Brand:
Jan-Olaf Immel, Oliver Roggisch oder Frank von Behren kämen als Ersatz in Frage. So einen Mittelblock kann ich in kurzer Zeit aber gar nicht ersetzen. In Athen haben die beiden einfach genial gespielt. Vielleicht muss ich auch darüber nachdenken, statt der 6:0-Deckung künftig eine andere Abwehr zu spielen.
Kieler Nachrichten:
Mit Schwarzer, Petersen, Kretzschmar und Zerbe haben Sie nicht nur wichtige Spieler, sondern auch echte Persönlichkeiten verloren. Sehen Sie in Ihrer Mannschaft Ersatz?
Bundestrainer Heiner Brand:
Mit Leuten wie u.a. Markus Baur, Daniel Stephan und Henning Fritz sind uns noch Persönlichkeiten geblieben. Pascal Hens und Christian Zeitz beispielsweise sind Typen, die es einmal werden können. Aber vergessen wir nicht, dass die "Alten" auch ihre Zeit zur Reife gebraucht haben. Spieler wie Zerbe oder Petersen haben jahrelang Nationalmannschaft gespielt, ohne etwas zu gewinnen. Ein Schwarzer war immer ein guter Kreisläufer. Diese Ausstrahlung hat er aber erst in den letzten Jahren bekommen. Außerdem geht es nicht um einzelne Personen: Die Nationalmannschaft war so stark, weil sie ein intaktes, über die Jahre gereiftes Gebilde war.
Kieler Nachrichten:
Stichwort Zeitz. Hat er sich weiterentwickelt, seit er vor knapp eineinhalb Jahren von Kronau nach Kiel kam?
Bundestrainer Heiner Brand:
Er ist in Kiel klar die Nummer eins im rechten Rückraum. Das tut ihm gut. Da spielt er ruhiger, nicht so ungeduldig. Und dann kann man seine Überraschungsmomente auch positiv nutzen. Athen war für ihn nicht positiv. Da war er sehr hektisch und es hat lange gedauert, bis er uns geholfen hat. Erst im Halbfinale war er eine Verstärkung. Das ging bei der EM in Slowenien Anfang des Jahres schneller.
Kieler Nachrichten:
Mit Sebastian Preiß haben Sie einen weiteren jungen THW-Spieler im Kader. In Kiel sitzt er oft auf der Bank, weil Marcus Ahlm stärker ist. Zu oft für einen Nationalspieler?
Bundestrainer Heiner Brand:
Ich kann eigentlich keinen Spieler nominieren, der in seinem Klub nicht viel spielt. Bei erfahrenen Leuten wie Petersen kann ich da eine Ausnahme machen, bei jungen eigentlich nicht. Er ist jetzt dabei, weil die anderen Kreisläufer, die im Moment nachdrängen, nicht so gut Abwehr spielen wie er. Ein Spieler braucht aber den Wettkampf, um reifen zu können.
Kieler Nachrichten:
Zeitz und Preiß kommen, mit Petersen verlässt ein THW-Spieler die Nationalmannschaft. Ein Abschied für immer oder ist "Pitti" als Nachfolger Ihres Co-Trainers Frank Löhr im Gespräch?
Bundestrainer Heiner Brand:
Nein. Da werde ich erst einmal mit Martin Heuberger zusammenarbeiten. Pitti hat mit seinem Job als Co-Trainer beim THW Kiel und als Jugendkoordinator beim DHB genug zu tun. Da soll er erst einmal seine Sachen machen, dann sehen wir weiter. Klar ist aber auch, dass sich unsere Wege nicht trennen.
(Das Interview führte Reimer Plöhn und Wolf Paarmann, aus der KN vom 21.10.2004)


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