Aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra", von living sports:
Das Jahr 2005 kann für den THW sehr erfolgreich verlaufen.
Zudem werden die "Zebras" mit einer noch schlagkräftigeren
Truppe in die Saison 2005/06 gehen. Die Handball-Fachwelt prophezeit
dem THW Kiel schon heute eine "goldene Zukunft". Doch davon läßt sich
Trainer
Zvonimir "Noka" Serdarusic
nicht beirren, da er sich mit dem aktuellen Kader immer noch im "Umbruch"
befindet und realistisch an die bevorstehenden Aufgaben herangeht.
Im Gespräch mit der ZEBRA-Redaktion zieht "Noka" seine Bilanz für 2004
und wagt dabei zugleich einen Ausblick auf das kommende Jahr.
- Zebra:
-
Noka, was waren für Dich und Deine Mannschaft die sportlichen Höhepunkte im Jahr 2004?
- Noka Serdarusic:
-
Ganz klar: Der Gewinn des EHF-Cup und die Qualifikation
für die Champions League mit einer neuformierten Mannschaft.
Damit haben wir mehr erreicht, als wir vor dem Saisonstart
erwartet hatten. Gerade mit der Qualifikation für
die Champions League war nicht zu rechnen. Aber wir
haben immerhin Teams wie den SC Magdeburg und den
TBV Lemgo hinter uns gelassen. Deshalb war 2004 für
uns in Kiel ein gutes Jahr. Weiterer sportlicher
Höhepunkt war dann auch das Saisonauftaktspiel
im September in der Arena "Auf Schalke". Mehr als 30.000 Zuschauer
bei einem Handballspiel. Das habe ich noch nie erlebt.
Das war ein tolles Erlebnis für uns alle - Gänsehaut-Feeling pur!
- Zebra:
-
Zum 100-jährigen Bestehen des THW Kiel hat die
Bundesliga-Mannschaft den EHF-Cup gewonnen. Was bedeutet
dieser Pokalgewinn für Dich?
- Noka Serdarusic:
-
Die europäischen Pokalwettbewerbe und besonders der
EHF-Cup sind durch die starken spanischen und deutschen Mannschaften
in den letzen Jahren viel, viel enger geworden. Jeder europäische Titel
ist immer eine große Leistung. Aber die Champions League steht über allem.
- Zebra:
-
Wie wichtig war die Champions League-Qualifikation für die Mannschaft?
- Noka Serdarusic:
-
Unser "Fernziel" war damals die Qualifikation für die
Champions League, auch wenn andere Mannschaften
als Favoriten auf die ganz vorderen Plätze gehandelt
wurden. Wir haben hinter einem souveränen und
verdienten Meister aus Flensburg den zweiten Platz
belegt - und hatten sogar bis kurz vor Saisonende
die Hoffnung auf den Meistertitel. Damit haben wir
wirklich nicht gerechnet und mehr erreicht, als wir
vorher zu träumen gewagt hatten. Schließlich waren
wir mit einer neuen Mannschaft in die Saison gegangen.
Für die Spieler ist es für die persönliche Entwicklung
sehr wichtig, gegen hochklassige internationale Vereine
und Spitzenhandballer anzutreten. Solche direkten
Vergleiche bringen unheimlich viel.
- Zebra:
-
Welche Bedeutung hat die Champions League für den THW Kiel?
- Noka Serdarusic:
-
Aus Vereinssicht ist es von enormer Bedeutung, dass
die Mannschaft möglichst am höchsten europäischen
Wettbewerb, was die Champions League ja ist, teilnimmt.
Ein Verein wie der THW Kiel behauptet dadurch sein
internationales Ansehen und unterstreicht gleichzeitig
seine Attraktivität für den einen oder anderen ausländischen
Star, sich vielleicht einmal das schwarz-weiße Trikot
überzustreifen. Durch meine langjährige Erfahrung im Handballsport
weiß ich, dass der FC Barcelona und der THW Kiel europaweit
in einem Atemzug genannt werden. Und das spricht für die
sehr gute Arbeit, die hier in Kiel über Jahre und Jahrzehnte geleistet wurde.
Die wirtschaftliche Bedeutung der Champions League ist auch
beachtlich: Der in Kiel ohnehin vorhandene Zuschauerzuspruch
- verbunden mit den entsprechenden Werbe- und TV-Einnahmen -
sorgt schon für eine finanzielle Entlastung im Gesamtetat.
Insgesamt gesehen ist es also enorm wichtig, dass der
THW in der Champions League spielt.
- Zebra:
-
Wie bewertest Du den "großen Umbruch" des THW im Jahre 2004?
- Noka Serdarusic:
-
Der "große Umbruch" ist noch nicht beendet. Es ist
uns dennoch gelungen, schon jetzt eine erfolgreiche
Mannschaft zu formen. Nach ein oder zwei Jahren ist
dieser Entwicklungsprozess aber nicht abgeschlossen.
Mit den Verstärkungen ab der kommenden Saison sollte
dann aber die "Endphase des Umbruches" eingeläutet
werden. Die Mannschaft hat dann auch für Jahre eine
Perspektive.
- Zebra:
-
Die Zukunft des THW wurde schon mehrfach erwähnt.
Zum Jahresstart "tanzt" der THW Kiel weiter "auf drei Hochzeiten":
Bundesliga, DHB-Pokal und Champions League stehen immer noch auf
dem Programm. War das zum Saisonbeginn so zu erwarten?
- Noka Serdarusic:
-
Mit den Heimspielen im abgelaufenen Jahr bin ich sehr zufrieden.
In der Bundesliga sind wir vorne mit dabei und in den
Pokalwettbewerben stehen wir jeweils unter den letzten Acht
der teilnehmenden Mannschaften. Der THW Kiel ist mit Sicherheit
weiter als es viele vorher gedacht haben. Andere Vereine und
Mannschaften haben enorm "aufgerüstet", aber trotzdem sind
wir vorne dabei. Darauf können wir alle sehr stolz sein.
Ob das so zu erwarten war? Eine schwierige Frage. Durch
die Verletzung von Stefan Lövgren
standen bzw. stehen überwiegend nur drei Rückraumspieler zur
Verfügung. Dadurch war es wirklich schwierig für uns. Wenn
sich aber gerade einer dieser Spieler verletzt, ist alles
"futsch"! Denn Alternativen haben wir momentan nicht...
Diese Mannschaft kann dennoch einiges erreichen. Es gibt
in Europa sicherlich einige Mannschaften, die personell
besser bestückt sind. Aber in den Spielen entscheiden
oftmals die jeweils abrufbare Leistung und die entsprechende
Tagesform über Sieg oder Niederlage. Meine Aufgabe ist es,
die Mannschaft optimal vorzubereiten und den erforderlichen
Glauben an sich selbst mit dem dazugehörigen Optimismus zu
vermitteln. Wir wollen jedes Spiel gewinnen. Und wenn wir
alles gegeben haben und der Gegner besser ist, können wir
auch ohne Probleme gratulieren.
- Zebra:
-
Wie groß ist die Belastung für die Spieler bei dieser Terminhatz der drei Wettbewerbe?
- Noka Serdarusic:
-
Die Belastung ist selbstverständlich enorm, gerade bei
einem so kleinen Kader. Aber wir wollen nicht weinen und
uns mit den personellen Engpässen entschuldigen. Das gibt
es nicht. Wir glauben an uns!
- Zebra:
-
Was kannst Du zum jetzigen Zeitpunkt zu den Transfers sagen?
- Noka Serdarusic:
-
Momentan kann ich nur das bestätigen, was bereits in der
Presse vermeldet wurde: Zwei junge Burschen, nämlich Nikola Karabatic
und Kim Andersson, werden
den THW ab der Saison 2005/06 verstärken. Sicherlich
brauchen die beiden Zeit, um sich in Kiel und in der
Bundesliga "durchzubeißen".
Sebastian Preiß und Johan Pettersson
werden den THW bekanntlich zum Saisonende verlassen.
Auf diesen Positionen brauchen wir sicherlich erstklassigen
Ersatz, um mit einer dann noch schlagkräftigeren Truppe
ganz nach oben zu kommen. Wir wollen schließlich wieder
Meister werden und endlich die Champions League gewinnen.
- Zebra:
-
Wie sehen die weiteren Planungen und Erwartungen aus?
- Noka Serdarusic:
-
Zunächst wünsche ich mir, dass meine Jungs vom Verletzungspech
verschont bleiben. In der Bundesliga werden wir weiterhin
versuchen, einer starken SG Flensburg Paroli zu bieten und
die enorm verstärkten Vereine wie Gummersbach und
Magdeburg auf Distanz zu halten. Sicherlich keine
leichten Aufgaben, aber wir stehen momentan mit unserer
kleinen Truppe ganz gut da. Wir wollen bis zum Schluss
dabei sein. Ich hoffe, dass die Titelfrage möglichst
lange offen bleibt und wir eine Chance auf den Meistertitel
bekommen.
Im DHB-Pokal glaube ich bei einem Heimspiel gegen Lemgo an
einen Sieg. Aber der TBV ist sehr routiniert. Die dürfen gar
nicht erst ins Spiel finden, denn dann wird es sehr schwer.
Wenn wir jedoch schon auswärts bzw. auf neutralem Boden gegen
Lemgo gewinnen, sollten wir es auch in der Ostseehalle mit
der Unterstützung unserer Fans hinbekommen. Lemgo ist aber
nicht zu unterschätzen und verfügt zweifelsohne über eine
enorme Qualität. Das Ziel "Final Four", wo dann die Tagesform
entscheidet, ist sicherlich realistisch, aber wir müssen mit
dem nötigen Respekt den TBV Lemgo ausschalten, was kein Spaziergang
wird.
Im anderen Wettbewerb, der "Königsklasse" Champions League,
haben wir mit dem FC Barcelona unser "Traumlos" gezogen.
Natürlich hätten wir lieber das Rückspiel in Kiel ausgetragen.
Es werden zwei Handball-Feste in ausverkauften Hallen mit
hochmotivierten und aufopferungsvoll kämpfenden Spielern.
Barcelona ist sicherlich favorisiert, aber wir werden alles
geben. Die verbliebenen Mannschaften in der Champions League
sind allesamt stark genug, um den Titel zu gewinnen. Es werden
wieder Einstellung und Tagesform entscheiden.
Wichtig ist bei allen Wettbewerben und Spielen, dass wir mehr
als 100% geben und vollen Einsatz zeigen. Das sind wir unseren
treuen Fans und den Kieler Zuschauern schuldig.
- Zebra:
-
Danke für das Gespräch. Die ZEBRA-Redaktion wünscht viel Erfolg und alles Gute für das Jahr 2005!
(Aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra", das Interview führte
Björn Goos.)