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12./13.09.2004 - Letzte Aktualisierung: 13.09.2004 Bundesliga

Wahnsinnsauftakt: THW besiegt im "Jahrhundertspiel" Lemgo

30925 Zuschauer sahen einen 31:26-Sieg der Zebras in der Arena "AufSchalke"

Bundesliga, 1. Spieltag: 12.09.2004, So., 15.00: TBV Lemgo - THW Kiel: 26:31 (12:16)
Update #2 Spielbericht der KN ergänzt...

30925 Zuschauer sahen den 31:26-Sieg des THW über den TBV Lemgo in der Arena "AufSchalke".
Klicken Sie zum Vergrößern! 30925 Zuschauer sahen den 31:26-Sieg des THW über den TBV Lemgo in der Arena "AufSchalke".
Mit einem Auftakt nach Maß begann die neue Saison für den THW Kiel mit einem Sieg gegen den TBV Lemgo. Nach 60 großartig gespielten Minuten siegte der THW verdient mit 31:26 (16:12). Durch die zahlreichen Paraden des überragend parierenden Henning Fritz, konnten die Zebras selbstbewußt und konzentriert das erste Bundesligaspiel für sich entscheiden. Die Kieler wirkten frischer und agiler und zeigten den begeisterten 30925 Zuschauern in der Arena "AufSchalke" eine überzeugende Leistung.
"Einlauf der Handball-Gladiatoren."
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Zu Beginn der ersten Halbzeit zeigte sich, dass die Kieler den Sieg wollten. Ein glänzend haltender Zeitz, der in den ersten Spielminuten mit drei Würfen den Kielern zu einer 3:1 Führung verhalf, und ein für die Spieler aus Lemgo unüberwindbaren Henning Fritz legten den Grundstein für den ersten Sieg in der Saison. Mitte der ersten Halbzeit konnte der TBV Lemgo sich an ein 5:5 herankämpfen und kurz dannach mit 6:5 in Führung gehen. Doch Mannschaftskapitän Stefan Lövgren verhalf schon kurze Zeit später mit drei Toren den Zebras zu einer 8:6 Führung, wobei Pettersson den Vorsprung wieder ausbaute und die Kieler mit 9:6 in Führung brachte. Kiel zeigte eine tolle Mannschaftsleistung und überzeugte durch spielerische Mittel und ging verdient mit 16:12 in die Pause.

Jubel bei den Fans nach dem tollen Sieg.
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In der zweiten Halbzeit sollte sich das Bild nicht ändern. Konzentriertes Abspiel und insgesamt 23 Paraden durch Henning Fritz ließen keine andere Möglichkeit als einen klaren Sieg für den THW zu. Noka Serdarusic meinte bei der anschließenden Pressekonferenz, "es ist ein glücklicher Saisonstart für den THW und es sei jetzt leichter mit der Mannschaft nach dem Sieg zu arbeiten." Auch Geschäftsführer Uwe Schwenker äußerte sich positiv über dieses Ereignis: "Dieses riesige Spektakel ist eine Bereicherung für den deutschen Handball."

Lesen Sie auch den Spielbericht der Kieler Nachrichten...

Lesen Sie auch den Nachbericht der Kieler Nachrichten....

Stimmen gegenüber Sport1 zum Spiel:

THW-Torhüter Henning Fritz:
Bisher hatte ich ein Spiel im Fußballstadion nur auf der Tribüne erlebt. Es war ein riesiges Gefühl. Hier unten zu stehen war schon beeindruckend. Wenn das Spiel erst einmal läuft, dann nimmt man das Drumherum nicht mehr so war. Für beide Mannschaften waren die Chancen gleich verteilt, und das haben wir zu unserem Vorteil ausgenutzt. Bei direkten Duellen mit Nationalmannschaftskollegen hat man schon einen kleinen Vorteil. Ich halte Florian Kehrmann für einen sehr guten und variablen Werfer. Aber es gibt Phasen, in denen es nicht so läuft, und er ist vielleicht in so einer Phase. Die Lemgoer haben ihre Chancen nicht genutzt. Es freut mich, dass meine Leistung der letzten vier Jahre in der Nationalmannschaftvon den Zuschauern honoriert wird. Ich glaube, dass Lemgo und andere Mannschaften weiterhin in solchen Arenen spielen können. So kann es mit dem Handball nur bergauf gehen. Ich kann mir gut vorstellen, dass wir 2007 (bei der WM im eigenen Land; die Red.) so eine Halle voll kriegen.
TBV-Manager Fynn Holpert:
Der TBV hat verloren, aber der Handball hat gewonnen. Kiel war besser, frischer und hatte immer eine passende Antwort. Wir müssen jetzt diese Punkte woanders zurückholen, am besten schon in Gummersbach punkten.
TBV-Regisseur Markus Baur:
Im Vorfeld hat man sich Gedanken über ein Spiel im Fußballstadion gemacht. Aber das Spielfeld ist hier genauso lang und breit wie sonst auch. Gestern beim Training hatte ich beim Gedanken an heute eine Gänsehaut, das war heute nicht mehr so, denn ich war zu gespannt auf das Spiel. Man kann es nicht mit anderen Großereignissen vergleichen. Es war eine andere Dimension. Man kann hier nicht den Druck auf den Gegner und die Schiedsrichter erzeugen, wie es in der heimischen Halle der Fall ist. Wir sind aber nicht abergläubisch: Wenn so ein Spiel hier noch einmal zustande kommt, dann kommen wir gerne wieder und werden auf jeden Fall gewinnen.
TBV-Kreisläufer Christian Schwarzer:
Das war das erste Spiel. Wir haben nicht schlecht gespielt, aber wenn man so viele Chancen nicht nutzt und "Fritzi" so hält wie heute, dann ist es natürlich schwer zu gewinnen. Wenn wir das Rückspiel in Kiel gewinnen, ist wieder alles geritzt. Es war etwas Besonders und sehr Schönes, hier zu spielen. In der Lipperlandhalle ist die Stimmung viel aufgeheizter gerade bei solchen Spielen. Heute waren sehr viele Kieler Fans hier, was in unserer Halle nicht so ist. Wir freuen uns schon wieder auf Lemgo.
TBV-Rechtsaußen Florian Kehrmann:
Es war ein Super-Erlebnis - einmalig. Die Stimmung war toll, nur leider haben wir nicht gewonnen. Henning Fritz hat eine Super-Leistung gebracht. Wir haben eigentlich nicht schlecht gespielt. Wir haben nur die Bälle nicht reingemacht. Ich bin nicht müde von Olympia. Wenn Henning Fritz der Matchwinner war, können wir ja nicht müde sein.
THW-Kapitän Stefan Lövgren:
Schön, dass wir nicht in der Lipperlandhalle antreten musste. Da haben wir zuletzt oft schlecht ausgesehen. Meinetwegen kann der TBV hier immer gegen uns spielen.

1. Spieltag: 12.09.04, So., 15.00: TBV Lemgo - THW Kiel: 26:31 (12:16)

Logo TBV Lemgo:
C. Ramota (1.-25.), Zereike (26.-60.); Christophersen (1), Stephan, Tempelmeier (1), Schwarzer (7), M. Ramota, Zerbe (1), Baumgartner, Kehrmann (2), Baur (8/3), Geirsson (6); Trainer: Mudrow
Logo THW Kiel:
Fritz (1.-60., 23 Paraden), Andersson (bei einem 7m, 0 Paraden); Preiß, Pettersson (4/1), Lundström (2), Hagen (7), Petersen (n.e.), Lövgren (10/4), Wagner, Ahlm (1), Boquist, Zeitz (7); Trainer: Serdarusic
Schiedsrichter:
Lemme / Ullrich (Magdeburg)
Zeitstrafen:
Lemgo: 6 (zweimal Zerbe, Baumgartner, Geirsson, Kehrmann, Tempelmeier);
THW: 3 (zweimal Ahlm, Hagen)
Siebenmeter:
Lemgo: 3/3;
THW: 7/5 (Lövgren gegen Ramota an die Latte (19.), Pettersson gegen Zereike an die Latte (34.))
Spielfilm:
1. Hz.: 0:2, 1:2, 3:5, 6:5 (10.), 6:9, 7:12 (17.), 9:13, 10:15 (25.), 12:16;
2. Hz.: 13:18, 16:18 (39.), 16:20, 16:22 (44.), 18:22, 18:24, 20:26, 23:26 (51.), 24:29, 24:30 (57.), 26:31
Zuschauer:
30925 (Weltrekord) (Arena AufSchalke, Gelsenkirchen)

 

Aus den Kieler Nachrichten vom 13.09.2004:

31:26 - Zebras zogen Lemgo vor Weltrekord-Kulisse den Zahn

Kieler behielten bei der Handball-Party kühlen Kopf
Vor der Weltrekord-Kulisse von 30 925 Zuschauern hat Ex-Meister THW Kiel das Duell der Superlative gegen den TBV Lemgo gewonnen und zum Bundesliga-Auftakt in der Arena "AufSchalke" ein Stück Handball-Geschichte geschrieben. Exakt zwei Wochen nach dem verpassten Olympiasieg in Athen setzten sich die "Zebras" dank ihres Nationalkeepers Henning Fritz und Stefan Lövgren (10/4 Tore) mit 31:26 (16:12)durch und bescherten ihrem Sport ein weiteres Highlight. Besonders der bereits bei Olympia in Weltklasseform auftrumpfende Henning Fritz (23 Paraden) entnervte die Hausherren, die wie in dieser Szene Marc Baumgartner (Foto li.) gegen Kreisläufer Marcus Ahlm, den Kielern meist hinterherliefen. "Wir wussten, dass wir Henning hinten drin stehen haben, deshalb konnten wir locker aufspielen", jubelte auch Kiels Co-Trainer Klaus-Dieter Petersen.

Gelsenkirchen - Nicht zu viel versprochen: 30 925 Zuschauer sorgten gestern in der Arena AufSchalke für einen neuen Zuschauer-Weltrekord, außerdem bot das Elefanten-Treffen zwischen dem TBV Lemgo und THW Kiel ein Spiel auf hohem Niveau, und das Beste aus Kieler Sicht: Mit dem hoch verdienten 31:26 (16:12)-Triumph gelang ein Start nach Maß in die neue Bundesliga-Saison.

Das bisher größte Handball-Ereignis auf deutschem Boden wird bei allen Beteiligten nachhaltige Wirkung zeigen. Mit unterschiedlichen Beurteilungen allerdings. TBV- Manager Fynn Holpert, der das nicht kleine wirtschaftliche Risiko mit dem Umzug aus der 3800 Zuschauer fassenden Lipperlandhalle gewagt hatte - und finanziell belohnt wurde, fiel das Fazit schwerer als den Siegern. "Der Handball hat gewonnen, mein TBV leider verloren", meinte der 37-Jährige. Die Zebras hatten dagegen gut Lachen. Was sich bereits in den letzten Tagen der Vorbereitung angedeutete, setzten Kapitän Stefan Lövgren und Co. eindrucksvoll um. "Hier kommt die Energie", prangt als Leitspruch eines Sponsoren in dicken Lettern auf dem neu gestalteten THW-Mannschaftsbus. Die Zebras ließen Taten folgen. Lemgo wirkte oft platt und ausgebrannt, die Kieler dagegen voller Kraft und Leistungsbereitschaft. "Meine Spieler wollten unbedingt gewinnen, das hat es ausgemacht", analysierte Trainer Noka Serdarusic.

Rund 10 000 Zuschauer hatte der TBV Lemgo mit ins Ruhrgebiet gebracht, rund 7000 THWFans hatten sich mit Bahn, Bussen und Privat-PKW auf den Weg gemacht. Und sie machten mindestens so viel Radau wie die blau-weiße Konkurrenz aus dem Ostwestfälischen.

Das olympische Feuer ist zwar erloschen, dennoch wirkte Athen nach. Insgesamt elf der Akteure von Gelsenkirchen waren in Griechenland dabei gewesen. Sie prägten das Spiel maßgeblich. Zum Beispiel das Schiedsrichtergespann. Bernd Lemme und Frank Ullrich (Magdeburg) hatten Spiel und Akteure stets im Griff. Ein Abziehbild ihres Auftritts von Athen boten auch Lemgos sechs Teilnehmer. In der Abwehr sahen Schwarzer, Baur und Co. ordentlich aus. Das Angriffsspiel aber blieb erneut blass. Allerdings: Daniel Stephan war durch eine Ellenbogenverletzung gehandicapt. Der einstige Welthandballer, der Lemgo auch am Dienstag beim VfL Gummersbach fehlen wird, muss sich wohl einer Operation unterziehen.

Und Kiels Olympioniken? Klaus-Dieter Petersen musste mit einer Leistenzerrung passen. Henning Fritz aber schloss nahtlos an seine überragenden Athen-Leistungen an. 14 Bälle entschärfte Kiels Schlussmann in der ersten Halbzeit, zehn weitere Glanzparaden ließ er in Abschnitt zwei folgen. "Das ist unglaublich", schwärmte Stefan Lövgren, "wenn du als Angreifer vor Henning auftauchst, wirkt er 20 Zentimeter größer als er ist. Selbstvertrauen pur." Außerdem Christian Zeitz. Von Bundestrainer Heiner Brand in Athen nur sporadisch berücksichtigt, lebt der 23-jährige Linkshänder im THW-Schoß merklich auf. Mit drei Treffern in Folge setzte Zeitz schon zu Beginn ein Zeichen, als es später zweimal enger wurde, war der ehemaliger Kronauer mit Wucht erneut zur Stelle. Groß in Szene setzte sich zudem Stefan Lövgren. Kiels "Löwe" wurde seiner Rolle als Leitfigur blendend gerecht. Nach dem Verletzungspech der vergangenen Saison steht der 33-Jährige endlich wieder voll im Saft: Zehn Tore, Lemgo bekam den neuen Lövgren zu spüren. Das gute THW-Gesamtbild rundeten beide Neuzugänge ab. Frode Hagen spielte 60 Minuten durch - prima in der Abwehr, energisch und treffsicher (7) im Angriff. "Besser kann ein Einstand nicht sein, sensationell", schwärmte Lövgren. Gute Noten verdiente sich zudem Linksaußen Henrik Lundström, der in der 15. Minute für Adrian Wagner kam und die Atmosphäre einfach nur "großartig" fand. Genau so wie sein Chef. Wenn man einmal in seinem Leben das Glück habe, an so einem Großereignis teilzuhaben, so Noka Serdarusic, müsse auch ein Sieg herausspringen. "Schafft man das, bleibt so ein Tag auf ewig im Gedächtnis."

Stimmen zum Spiel:

Rudi Assauer, Manager Schalke 04:
Wir haben gezeigt, dass Handball auch in großen Arenen zuhause sein kann. Eine tolle Geschichte, die wir wiederholen sollten.
Fynn Holpert, Manager TBV Lemgo:
Es war durch die vielen Zuschauer aus Kiel schwer für uns. Wenn du hinter einem Vorsprung hinterher hechelst und immer nur THW, THW hörst, spornt das nicht an.
THW-Torhüter Henning Fritz:
Nach den letzten Turnieren mit der Nationalmannschaft bin ich oft in ein Loch gefallen. Das ist jetzt nicht der Fall. Dass ich momentan auf einem relativ konstanten Level spiele, liegt auch an unserem hohen Trainingsaufwand. Außerdem bin ich jetzt in einem Alter, in dem Erfahrung und viele positive Dinge zusammenkommen. Aber: Das muss nicht ewig so bleiben.
THW-Spieler Henrik Lundström:
Ich freue mich natürlich riesig über so ein Debüt vor so vielen Zuschauern. Angst vor der Kulisse hatte ich nicht.
THW-Spieler Frode Hagen:
Ein einzigartiges Erlebnis. Schön, dass es im Zusammenspiel bereits so gut klappt.
THW-Spieler Adrian Wagner:
Wir mussten uns den Weg durch die Fanmassen freihupen, um überhaupt zur Arena zu kommen. Unvergesslich.
THW-Trainer Noka Serdarusic:
Was Fynn Holpert mit diesem Event zu Wege gebracht hat, verdient höchste Beachtung. Ich habe mich seit Wochen darauf gefreut.
THW-Manager Uwe Schwenker:
Das hat dem Handball einen großen Imagegewinn und Reputation gebracht.

(Von Reimer Plöhn, aus den Kieler Nachrichten vom 13.09.2004)

 

Aus den Kieler Nachrichten vom 13.09.2004:

"Wer morgen arbeiten muss, hat selber Schuld"

Party im Sonderzug des THW Kiel nach Gelsenkirchen kannte keine Grenzen
Kiel/Gelsenkirchen - Sonntag, 7.30 Uhr, Kieler Hauptbahnhof. Normalerweise ein ruhiger Ort. Eine ruhige Zeit. Gestern war alles anders. Am Gleis drängelte sich eine schwarz-weiße Masse Mensch in einen Zug. Den Sonderzug des THW Kiel nach Gelsenkirchen zum Handball-Schlager gegen den TBV Lemgo. Mittendrin KN-Mitarbeiter Benjamin Mathews.

"Wo wollt ihr denn alle hin?" Die Dame im Zeitungsladen des Kieler Hauptbahnhofes guckt ungläubig ans Ende der Kassen-Schlange und scheint nicht ganz zu realisieren, was sich zu so früher Uhrzeit vor ihren Augen abspielt. 924 Fans haben sich dazu entschlossen, die Fahrt in den Ruhrpott mit dem Sonderzug anzutreten, fiebern diesem Tag seit Wochen entgegen und sind dementsprechend gerüstet. So mancher kommt direkt aus der anliegenden Disco, andere füllen noch ihre Kühltaschen auf oder tragen ganze Bierkästen in den Zug.

"Es ist das größte Ereignis seit dem Championsleague-Finale 2001, eher noch größer", sagt Stefan (40) Gründer des Fanclubs "Zebrasprotten". "Die Leute sind ganz hippelig." In der Tat, ob jung oder alt, heute ist jeder ein THW-ler und die Stimmung in den Wagen ist gelöst. Der Tanzwagen füllt sich schnell und zwei Zapfhähne scheinen den Durst der Fans nicht stillen zu können. "Das ist einfach gigantisch", sind sich Ralf (41) und Olli (34) einig. "Das ist etwas Bleibendes, nicht zu toppen." Die beiden haben sich zur Erinnerung extra T-Shirts mit der "Arena auf Schalke" drucken lassen. Das Stadion, darauf freuen sich die Kieler heute am meisten. Zunächst ist aber Party im Zug angesagt. Die Luft im Tanzwagen wird immer schlechter, die Musik aber trifft den Nerv der schwarzweiß bekleideten Menge. "Viva Colonia" und der "Holzmichel" scheinen es dem DJ und den Tanzenden besonders angetan zu haben, die Boxen werden von grölenden Kehlen übertönt. Zwei Wagen weiter feiert "Puschel" seinen Junggesellenabschied. Er soll als Aufgabe seiner Freunde Getränke unters Volk bringen, hat um halb neun schon Bier und Kurze für hundert Euro verkauft und erklärt erleichtert: "Da haben es mir die Jungs echt einfach gemacht."

Mittendrin hüpft Finn (11) durch die Menge. Sein Papa Frank (44) gründete den Fan-Club "Schwarz-Weiß", scheint aber nicht weniger aufgeregt zu sein als sein Sohn: "So viele Fans in einem Zug und alle wollen feiern, großartig." An Superlativen fehlt es den Mitreisenden nicht, selbst Rolf (73), der "Alterspräsi- dent" der Zebrasprotten und seit 1946 THW-Fan ist ergriffen: "Ein echtes Erlebnis. Und so friedlich. Keiner flippt hier aus." Er hat im Zug schon "Gott und die Welt" getroffen, selbst Leute, die er seit Jahren bei keinem Handballspiel gesehen hat. "Dieses Spiel scheint alle wieder mobilisiert zu haben." Aus dem Gang hallen unterdessen Schlachtgesänge, die erahnen lassen, wie die Rückfahrt aussehen wird. "Wer morgen arbeiten muss, hat selber Schuld" ruft Olli durchs Abteil und öffnet das nächste Bier...

(aus den Kieler Nachrichten vom 13.09.2004)

 

Aus den Kieler Nachrichten vom 13.09.2004:

"Wir gehen nur AufSchalke, wenn's da Rasen gibt"

Handball führt in den einschlägigen Fan-Kneipen des FC Schalke 04 nur ein Schattendasein
Es ist trist und grau zwischen den geschundenen Häuserwänden der Gelsenkirchener Stadtteile Erle, Buer und Schalke, wo der Arbeitslosen-Anteil bei 20 Prozent liegt. Der Sommer verabschiedet sich am Sonnabendabend, Wind braust um Häuserecken, Regen plätschert gegen die Fenster. Und nach der 0:3-Klatsche von Schalke 04 in Wolfsburg erscheint die Welt im Herzen des Fußball-Traditionsklubs zwischen stillgelegten Kohleförderanlagen und Schloten noch ein wenig trostloser. Nur die blauen Tupfer der Vereinsfarben an Fenstern und Türen diverser Kneipen hauchen dem Viertel ein wenig Leben ein. Es hat ganz sicher bessere Momente gegeben, eine Schalker Fankneipe aufzusuchen.

Dennoch, hinein ins "Revier", eine Stehbierhalle, ganz in der Nähe vom Schalker Markt. 23 Uhr, wirklich frisch sehen die meisten Besucher nicht mehr aus. Bier und Schnaps als selbst verordnetes Rezept gegen die herbe Niederlage haben Spuren hinterlassen. Jupp Heynckes, der erfolglose Trainer der Knappen, ist ein Thema und Manager Rudi Assauer. Vor allem aber das fehlende Aufbäumen der Mannschaft gegen das Wolfsburg-Debakel. Laut geht's hier trotzdem nicht zu, eher versammelt. So wie bei einem Preisskat in einem Saal in Süderbrarup oder Gelting.

Ausgerechnet jetzt nach Handball AufSchalke fragen? Warum nicht. "Handballlll?", entgegnet Georg und rollt das "L" landestypisch fast bis zum nächsten Stehtisch. "Wat iehs Handballll? Hier iehs Fußball! Dat reicht uns völlich." Aber morgen, das Spiel zwischen Lemgo und Kiel "AufSchalke"? Ablehnendes Gemurmel in der Runde. Immerhin kommt ein zustimmender Satz: "Wenn's Geld bringt für Schalke, meinetwegen."

Noch ein Versuch: Stefan Kretzschmar, Henning Fritz, das sind doch gute Namen, oder? "Ja, der Fritz", kräht eine Frauenstimme aus der Ecke, "der hätte heute mal besser für den Rost inne Kiste gestanden." Es wird lauter. "Halt die Klappe", ist noch die harmloseste Bemerkung. Das Mädchen erntet böse Blicke. Sinnlos. Aus diesem Lokal, so viel steht fest, wird ganz sicher niemand Gast beim Handball-Spektakel sein. Also eine Kneipe weiter. Direkt rein ins blaue Zentrum, rein ins "Schalke- Fan-Lokal". Hier ist die Stimmung besser, auf jeden Fall ist es lauter. Vielleicht wegen der fortgeschrittenen Stunde, Bier schönt auch Ergebnisse. Trotzig erklingt das Schalke-Lied. "Blau und Weiß wie lieb ich dich, Blau und Weiß vergiss mich nicht." Aber Handball? Rene lacht höhnisch auf. "Gibt det da auch Elfmeter? Wat iss denn mit Abseits?" Und: "Wir gehen nur AufSchalke, wenn's da Rasen gibt." Basta. Weitere Diskussionen und Fragen sind überflüssig, auch Recherchen in anderen Lokalen. Hier in Schalke, das wird klar, schlägt Deutschlands Fußball- Puls. Diese Fans kennen nur eine Liebe.

(Von Reimer Plöhn, aus den Kieler Nachrichten vom 13.09.2004)


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