Aus dem Zebra-Journal der Kieler Nachrichten vom 02.06.2005:
Der Name
Noka Serdarusic steht für die
Erfolge des THW. 1993
trat der gebürtige Kroate,
der inzwischen längst im
Besitz der deutschen
Staatsbürgerschaft ist,
seinen Dienst in Kiel an.
Zwölf Jahre, acht
deutsche
Handball-Meisterschaften:
Der 54-jährige
Übungsleiter ist der
weitaus erfolgreichste
Mann seiner Branche in
der Bundesliga und über
die Grenzen Deutschlands
hinaus als Trainer-Fuchs
bekannt.
- Zebra-Journal:
-
Herr Serdarusic, nach dem
Schlusspfiff in Düsseldorf
waren Sie schnell in der
Kabine verschwunden, die
Mannschaft jubelte alleine.
Auch in Kiel wurden Sie
bei der Meistersause kaum
gesehen. Gab es für Sie
nichts zu feiern?
- Noka Serdarusic:
-
Feiern war noch nie mein
Ding, schon als Spieler
nicht. Ich habe kurz auf
dem Parkett gejubelt und
dann war es gut. Damit es
nicht missverständlich rüberkommt: Natürlich freue
ich mich sehr über Siege
und Titel. Aber ich ziehe
mich zum Feiern lieber in
einen kleinen Kreis zu
rück. Ich esse gerne was,
trinke eine Kleinigkeit da
zu und unterhalte mich mit
Freunden. Das bedeutet
mir viel mehr. Die Mann
schaft darf gerne extrovertiert die Sau rauslassen.
Das kann ich voll verstehen. Fans und Spieler sollen feiern. Und wie. Sie haben acht bis neun Monate
alles gegeben, richtige Entbehrungen in Kauf genommen. Da muss man den
Emotionen freien Lauf geben.
- Zebra-Journal:
-
Wie geht es für Sie jetzt
weiter, was macht die Gesundheit nach dem Achillessehnenriss?
- Noka Serdarusic:
-
Zunächst einmal geht es
zum Behinderten gerechten Angeln nach Norwegen
(lacht). Aber im Ernst. So
toll fühle ich mich nicht.
Das wird noch dauern, bis
ich wieder normal laufen
kann. Manchmal fressen
mich die Schmerzen und
Gedanken darüber noch
auf. Aber das ist wohl so
bei dieser Verletzung. Fürs
Angeln wird es gehen. Ich
fahre mit meinem Freund
Jens Struck nach Norwegen. Wir wollen Lachse
fangen und wechseln auch
ein paar Tage rüber ans
Meer, um ein paar große Fische zu angeln.
- Zebra-Journal:
-
Was zeichnet den THW
2004/2005 aus?
- Noka Serdarusic:
-
Entscheidend ist, dass diese Mannschaft auch bei
schlechten Spielen immer
den Hebel zum Umlegen
gefunden hat. Sie hat an
sich geglaubt und umgesetzt, was sie zu leisten im
Stande ist. Und das ist sehr
viel. Im Willen zum Titel ist
auch die Erziehung zum
Wollen. Dabei steckt einer
den anderen an. Ein besonderes Merkmal dieser
Mannschaft ist zudem,
dass jeder einzelne individuelle Fähigkeiten mit
bringt, die er unterschiedlich einsetzt. Jeder im
Team kann morgen ganz
allein ein Spiel entscheiden. Ob
Henning Fritz,
Stefan Lövgren,
Christian Zeitz,
Frode Hagen, sogar
Henrik Lundström. Als er
zu uns kam, war er sehr
schüchtern. Je mehr er gespielt hat, um so mehr hat
er Selbstvertrauen bekommen. In den letzten Wochen
hat er bemerkenswerte
Leistungen gezeigt.
Grundsätzlich aber hat das
Team die Philosophie verinnerlicht: Der THW steht
über allem. Was ist ein
Lövgren, was ist ein
Fritz,
was ist ein Serdarusic? Ich
sage: nichts. Wichtig ist,
dass sich jeder für das Gesamte einbringt. Der THW
ist etwas Besonderes, das
haben auch meine Spieler
begriffen. Ich behaupte,
ein Magnus Wislander wäre nie Jahrhundert-Handballer bei Redbergslids geworden,
das ging erst, weil
er in Kiel war. Er weiß es.
Oder Demetrio Lozano,
der das THW-Gefühl ebenfalls aufgesogen hatte. Der
hat immer gesagt, Noka ist
ein super Trainer, wir hatten immer ein prima Verhältnis. Dann kam es zur
Entscheidung, ob wir den
Vertrag mit ihm verlängern
oder nicht. Wegen des Risikos seiner Knieverletzung
haben wir schweren Herzens abgesagt. Ich habe
ihm gesagt, dass wir nicht
mehr mit ihm planen können. Seither spricht er
nicht mehr mit mir. Er
wollte also nicht unbedingt
mit mir arbeiten, es ging
ihm nur um den THW.
- Zebra-Journal:
-
Welche Spieler würden Sie
aus dem Kader wegen besonderer Leistungen herausheben?
- Noka Serdarusic:
-
In erster Linie steht die
Mannschaft als Ganzes für
den Erfolg. Trotzdem würde ich
Marcus Ahlm nennen. Schon im ersten Jahr
hat er sich gut entwickelt,
in dieser Saison hat er einen noch größeren Sprung
nach vorn gemacht. Weil er
im Angriff und in der Abwehr gleichermaßen überragende Leistungen zeigt,
ist er für mich jetzt schon
der kompletteste Spieler
der gesamten Liga. Und: Er
will immer noch mehr lernen. Das hört nicht auf bei ihm.
- Zebra-Journal:
-
Wie sind Sie mit den Neuzugängen zufrieden?
- Noka Serdarusic:
-
Henrik Lundström habe
ich bereits erwähnt. Und
Frode Hagen hat die Erwartungen mehr als erfüllt.
Er hatte vorher schon gute
Spiele in Nordhorn oder
Barcelona, aber bei uns hat
er drei Viertel der Saison
konstant gute Leistungen
gebracht. Er durfte auch
Fehler machen und drei-,
viermal verschießen. Das
habe ich ihm gestattet. Er
hat es gemerkt und uns am
Ende oft noch geholfen.
Aus dem Grund hat er auch
seinem norwegischen
Landsmann Kristian Kjelling empfohlen, nach Kiel
zu kommen. Der schießt
gerne. Hier darfst du es, hat
er ihm gesagt. Vielleicht sehen wir ihn irgendwann bei
uns (Serdarusic lacht).
- Zebra-Journal:
-
Erinnern Sie sich an einen
Moment in dieser Saison,
wo Sie mir Ihrem Latein
am Ende waren?
- Noka Serdarusic:
-
Richtig ratlos war ich erst
vor einigen Wochen bei
dem Spiel gegen GWD Minden in Hannover. Da
spielen wir eine schlechte
erste Halbzeit, kommen
kurz vor der Pause noch
einmal auf 16:12 ran. In der
Kabine besprechen wir in
aller Ruhe, wie es weiter
geht und wir kommen tat
sächlich weiter ran und
dann reißt unser Spiel völlig ab und wir liegen wieder
18:23 zurück. Da war mir
klar, dass wir heute verlieren werden. Dennoch
musste ich etwas ändern,
schließlich werde ich dafür
bezahlt. Aber ich habe es
im festen Glauben gemacht, dass wir dieses
Spiel verlieren würden.
- Zebra-Journal:
-
Der THW ist mit nur sechs
Minuspunkten durch die
Saison gerauscht. Das ist
ziemlich einmalig, oder?
- Noka Serdarusic:
-
Kann man wohl sagen. Ich
glaube auch nicht, dass das
noch einmal zu wiederholen sein wird. Auch nicht
mit weiteren Klassespielern, die noch kommen. Es
hat eben vieles gepasst. Natürlich ist es der Traum ei
nes jeden Trainers, einmal
mit Null durch eine Punktrunde zu rasen. Aber das
wird es nie geben.
- Zebra-Journal:
-
Kiel und Flensburg sind
weit vor der Konkurrenz
ins Ziel gestürmt. Ist die Liga insgesamt schlechter geworden?
- Noka Serdarusic:
-
Nein, im Gegenteil. Die
Bundesliga hat sich durch
klasse Neuzugänge weiter
verstärkt. Es kommen immer mehr Spieler aus anderen Ligen nach Deutschland. Allein wir haben vier
Top-Spieler verpflichtet,
die in der nächsten Saison
neu in die Bundesliga kommen. Schlüssig erklären
kann man unseren Durchmarsch nicht. Man muss
erst mal nach Nettelstedt
fahren und gewinnen. Das
wird auch im kommenden
Jahr schwer genug werden.
Überhaupt fragen die Leute jede Saison neu, wie es
mit dem Handball weiter
gehen soll. Die Zuschauer
zahlen steigen stetig, überall werden große Hallen gebaut, die auch mit Fans gefüllt werden.
Also, ich mache mir keine Sorgen.
- Zebra-Journal:
-
Sie haben mit dem THW
schon so viel gewonnen.
Die Champions League
fehlt noch. Ist die demnächst fällig?
- Noka Serdarusic:
-
Wir sind personell jetzt einen Weg gegangen, der auf
fünf, sechs, sieben Jahre
ausgelegt ist. Klar ist, dass
der THW weiter an der
Spitze bleiben wird. Auch
international, obwohl wir
mit Mannschaften wie Ciudad Real finanziell nicht
mithalten können. Wenn
die einen haben wollen, bekommen sie ihn auch - es
sei denn, gewisse Spieler
sind vom THW-Konzept
überzeugt. Letztlich aber
ist es so: Natürlich haben
wir alle das große Ziel, die
Champions League nach
Kiel zu holen. Dafür müss
ten wir aber noch zwei weitere Top-Spieler holen. Wir
sind auf der Suche.
- Zebra-Journal:
-
Was empfinden Sie, wenn
ein Spieler wie Johan Petersson vor 10000 Zuschauern
in der Ostseehalle
sagt, dass er mit Ihnen einen Freund gefunden habe?
- Noka Serdarusic:
-
Wichtig ist, dass Leute, die
aus dem Handball stammen, so etwas sagen. Die
wissen, wovon sie reden.
Wenn irgendeiner sagt, Noka ist mein Freund, dann ist
mir das egal. Viele Spieler
wie Morten Bjerre,
Nikolaj Jacobsen,
Staffan Olsson
oder andere, die uns verlassen haben, rufen häufig an,
wollen einen Rat oder melden sich einfach nur mal so.
Das ist schön, das zeigt
auch, dass sie sich in Kiel
sehr wohl gefühlt haben.
Auch wenn es nicht immer
harmonisch zuging.
- Zebra-Journal:
-
Es gab beim THW einmal
die Philosophie, deutsche
Spieler zu binden. Von den
vier Neuzugängen für die
kommende Saison hat keiner einen deutschen Pass,
die beiden aus dem vergangenen Jahr hatten auch keinen. Ist der Plan gestorben?
- Noka Serdarusic:
-
Natürlich nicht. Als deutscher Staatsbürger wäre es
mir natürlich am liebsten,
alle vier Neuen wären
Deutsche. Wenn ich die
Wahl hätte zwischen vier
Inländern und vier Ausländern, die die gleiche Quali
tät mitbringen, würde ich
mich für Deutsche entscheiden. Das sind wir unserer Nationalität schuldig. Aber es geht um das
große Ganze - den THW.
Wir wollen Erfolg haben,
deswegen holen wir Spieler, mit denen wir erfolgreich sein können.
- Zebra-Journal:
-
Ist der jetzige Titel etwas
Besonderes, und gibt es eine Meisterschaft an die Sie
besonders gerne zurück
denken?
- Noka Serdarusic:
-
Der aktuelle Titel ist des
wegen etwas Besonderes,
weil wir nur sechs Minuspunkte kassiert haben und
nur gegen zwei Mannschaften verloren haben. Die
wichtigste Meisterschaft
für mich aber war meine
erste in Kiel 1994. Gegen
die würde ich nichts eintauschen. Keine Meister
schaft ist so intensiv gefeiert worden. 31 Jahre haben
die Leute darauf warten
müssen. Da habe ich übrigens auch sehr heftig mit
gemacht.
(Das Gespräch führten Reimer Plöhn und Wolf Paarmann, aus dem Zebra-Journal der Kieler Nachrichten vom 02.06.2005)