Aus den Kieler Nachrichten vom 31.12.2005:
Kiel - In den letzten drei Jahren wechselte der THW Kiel die komplette
Mannschaft aus. Zwölf neue Spieler kamen, die Erfolge blieben. Der deutsche
Meister verabschiedete sich mit 32:2 Punkten als Tabellenführer der Handball-Bundesliga
in die Winterpause. Eine Bilanz, mit der Manager
Uwe Schwenker
nicht gerechnet hatte. Mit ihm sprach Wolf Paarmann.
- Kieler Nachrichten:
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Herr Schwenker, überrascht vom Blick auf die Tabelle?
- Uwe Schwenker:
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Es war zwar klar, dass wir mit diesen namhaften Neuzugängen auch die
Favoritenrolle annehmen müssen. Dass diese jungen Leute sich so schnell
als Mannschaft finden - auf und neben dem Platz - hat mich allerdings
überrascht. Zufrieden wäre ich schon gewesen, wenn wir jetzt noch Kontakt
zur Spitze hätten.
- Kieler Nachrichten:
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Wo würde Kiel stehen, wenn TuSEM Essen nicht die Lizenz verloren
hätte? Ein Viktor Szilagyi wäre sonst in Essen geblieben.
- Uwe Schwenker:
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Viktor zählt für mich zu den großen Überraschungen. Noka Serdarusic
war anfangs skeptisch, was er als Mittelmann bringen kann. Inzwischen hat sich
Viktor den Respekt des Trainers erarbeitet. Er ist der Motor unseres Tempospiels.
Auch wenn es immer so aussieht, als würde er gleich zusammenbrechen. Er hat seine
Chance gesehen und sie auch genutzt.
- Kieler Nachrichten:
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Die junge Mannschaft hat Begehrlichkeiten von Klubs geweckt, die mehr Geld
bieten können. Beunruhigt?
- Uwe Schwenker:
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Nein. Das Interesse verstehe ich als Kompliment für unsere Arbeit. Wenn es diese
Begehrlichkeiten nicht geben würde, kann ich die Jungs auch gleich abgeben. Unsere
Spieler sind in erster Linie gekommen, weil sie hier Erfolg haben wollen. Den
haben sie. Warum sollten sie also gehen?
- Kieler Nachrichten:
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Jung und hungrig - ein Raster auch für die nächsten Neuzugänge des THW Kiel?
- Uwe Schwenker:
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Klar ist, dass nicht jeder zu uns kommt. Es hat sich herumgesprochen, dass
unser Trainer ein harter Trainer ist. Hart aber fair. Einer, der viel verlangt.
Das liegt nicht jedem. Die, die jetzt hier sind, haben sich darauf eingelassen.
Sie sind hier, weil sie sich entwickeln wollen. Bestes Beispiel ist
Nikola Karabatic. Kaum war der nach dem
Gummersbach-Spiel in Montpellier gelandet, hat er ganz
stolz seinen Eltern ein Video davon gezeigt.
- Kieler Nachrichten:
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So ein Typ soll auch der Nachfolger von Frode Hagen
werden? Einer wie der Norweger Kristian Kjelling?
- Uwe Schwenker:
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Der ist immer ein Thema. Grundsätzlich brauchen wir einen Spieler, der in
Angriff und Abwehr spielen kann. Dieses Tempo verlangt Allrounder, keine
Spezialisten. Wir setzen uns aber nicht unter Druck. Es besteht bei dem
Kader kein Grund zur Eile.
- Kieler Nachrichten:
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Inzwischen enden Spiele 54:34 und nicht mehr 20:19. Entwickelt sich der
Sport in eine gesunde Richtung?
- Uwe Schwenker:
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Ja. Handball ist Spektakel geworden. Bestes Beispiel ist unsere Truppe. Die
brennen von der ersten Minute an. Dabei machen sie auch viele Fehler. Ein
Wislander und ein Olsson
wären in Gummersbach nicht mehr in Not geraten. Einmal fallen hier, ein kleines
Foul da. Ein bisschen wischen und es wäre vorbei gewesen. Doch die Zuschauer
verzeihen Fehler, weil sie sehen, dass hier die pure Leidenschaft mitspielt.
- Kieler Nachrichten:
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Bei diesem Spiel haben im DSF im Schnitt 450 000 Zuschauer zugeschaut.
Das war die beste Quote der Saison, für diesen Schlager aber zu wenig, oder?
- Uwe Schwenker:
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Ich bin zufrieden. Um höhere Quoten zu haben, müsste der Handball seine
Hausaufgaben machen. Wir haben eine Bringschuld. Mit einem Spielplan, der
weder zuschauer- noch mediengerecht ist, stehen wir uns selbst im Weg.
- Kieler Nachrichten:
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Müsste nicht auch das Fernsehen seine Übertragungsform ändern, um dem
schnelleren Spiel Rechnung zu tragen?
- Uwe Schwenker:
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Das stimmt. Früher konnte das DSF dreimal einen Trickwurf von
Nikolaj Jacobsen wiederholen. Das geht jetzt nicht
mehr. Die Kameraführung muss schneller werden. Vielleicht brauchen wir
demnächst sogar zwei Hallensprecher. Einen für Heim- einen für Auswärtstore.
- Kieler Nachrichten:
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Der Vertrag von Noka Serdarusic läuft aus.
Wie steht es mit seiner und Ihrer Zukunft?
- Uwe Schwenker:
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Eine Vertragsverlängerung mit dem Trainer ist Formsache. Er hat mit
dieser jungen Mannschaft einen Welpen übernommen, den er jetzt auch
aufziehen will. Und ich? Ich habe gar keinen Vertrag. Ich bin einfach
da. Inzwischen seit fast 26 Jahren. Und daran ändert sich auch nichts.
(Das Interview führte Wolf Paarmann, aus den
Kieler Nachrichten vom 31.12.2005)