16.02.2006 | Bundesliga / Presse |
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40,91 Sekunden. So schnell fallen die Tore mittlerweile. Der Amerikaner Michael Johnson benötigte 1999 immerhin 43,18 Sekunden für eine Stadionrunde - ein Tempo, das auch damals fern aller irdischen Maßstäbe war. Und jetzt ist die Handball-Bundesliga also schneller als jeder 400-Meter-Läufer dieses Planeten wahrscheinlich je sein wird. Hat ja auch lange genug gedauert.
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"Wir haben unendlich kalt gespielt" Marcus Ahlm, Kreisläufer des THW Kiel, nach dem 34:32 in Gummersbach |
Der Rekord bahnte sich jedenfalls an. Zuvor hatte bereits die SG Flensburg-Handewitt in der SAP Arena die SG Kronau/Östringen mit 43:40 niedergerungen (was mit 43,37 Sekunden pro Tor noch nicht ganz weltrekordreif war). Der THW Kiel, der binnen drei Jahren fast seinen kompletten Kader ausgetauscht hat, pflegt "Leidenschaft, Athletik gepaart mit Spielkunst und Mut zum bedingungslosen Tempobolzen" (Kieler Nachrichten) oder "High-Speed-Handball", wie Schwenker sagt. Längst wirken die Spieler so gelassen wie die Kollegen des TBV Lemgo, die in der Saison 2002/2003 die schnelle Mitte kultivierten und zur Deutschen Meisterschaft stürmten. "Wir wussten, dass Flensburg einbricht, wenn wir unseren Stiefel durchspielen", sagte damals Florian Kehrmann nach einem 35:31-Sieg gegen die SG. Erklären konnte das der Nationalrechtsaußen nicht: "Das ist halt so." In aktueller Kieler Diktion heißt das mit den Worten von Linkshänder Kim Andersson: "Wir gehen immer volle Pulle. Natürlich passieren ein paar Fehler, aber am Ende haben wir die Nase vorn." Nationaltorwart Johannes Bitter empfand den Widersacher nach dem Debakel des SC Magdeburg als "gnadenlos" und "viel besser als der TBV Lemgo in der beeindruckenden Meistersaison".
Auch der bis dato hartnäckigste Verfolger, der deutsche Rekordmeister VfL Gummersbach, musste sich vor 19250 Zuschauern in der Kölnarena abhängen lassen. Die Niederlage fiel nicht vernichtend aus, aber auch Gummersbach wurde letztlich ein Opfer des Kieler Tempos: Der Österreicher Viktor Szilagyi inszeniert in höchster Geschwindigkeit das Spiel der Zebras und bewahrt sich eine erstaunliche Weitsicht, während viele Konkurrenten nur noch einen Tunnelblick haben.
Dem Tempo des THW haftet etwas Magisches an, und wenn Serdarusic während der EM in der Schweiz im Auftrag der Europäischen Handball-Föderation vor über 200 Trainern ein Gastspiel als Dozent gibt, ist das so, als ob David Copperfield einen Blick hinter den Vorhang gewährte - mit einem wesentlichen Unterschied: Was Serdarusic mit Kiel geschafft hat, ist sehr real und noch immer messbar. Niemand hat das leidvoller erfahren müssen als der SC Magdeburg.
(Von Tim Oliver Kalle, aus dem "Handball-Magazin" 02/2006)
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