28.02.2006 | EM 2006 / Bundesliga |
In Schleswig-Holstein spielt die Weltelite, beide Nordklub haben folglich eine große Zahl an Nationalspielern unter Vertrag. So entsandte der THW Kiel mit Karabatic (Frankreich), Vid Kavticnik (Slowenien), sowie Henning Fritz und Christian Zeitz (beide Deutschland) vier Akteure zu den kontinentalen Titelkämpfen in die Schweiz, die SG Flensburg-Handewitt stellte mit zehn Teilnehmern gar das größte Klub-Kontingent (Boldsen, Christiansen, Knudsen und Stryger für Dänemark; Christian Berge, Johnny Jensen, Jan Thomas Lauritzen für Norwegen; Blazenko Lackovic und Goran Sprem für Kroatien; Marcin Lijewski für Polen). Co-Trainer Bogdan Wenta war in seiner Doppelfunktion als polnischer Nationalcoach ebenfalls mit von der Partie. Zudem waren auf Kieler Seite mit Marcus Ahlm, Kim Andersson, Pelle Linders, Stefan Lövgren, Henrik Lundström (alle Schweden) und Viktor Szilagyi (Österreich) sechs weitere Spieler den Januar über in Sachen WM-Qualifikation mit der Nationalmannschaft unterwegs.
Jedes Jahr eine Europa- oder Weltmeisterschaft, alle vier Jahre Olympische Spiele - der Handball-Kalender ist randvoll. Am Rande der Europameisterschaft präsentierte IHF-Präsident Dr. Hassan Moustafa seine Ideen für ein weiteres Qualifikationsturnier für die Sommerspiele. Insbesondere die Klub-Manager sind erzürnt. "Wir suchen heute schon Hände ringend nach freien Terminen. Ein weiteres Turnier ist aus meiner Sicht nicht machbar. Es ist ohnehin so, dass EHF und IHF keine Interessenvertreter der Klubs mehr sind, sondern Wettbewerber der Vereine", erbost sich Kiels Geschäftsführer Uwe Schwenker und er fährt fort, "dabei werden die Spieler zwölf Monate im Jahr von ihren Klubs bezahlt, müssen aber ein Fünftel der Zeit für die Nationalmannschaft abgestellt werden, in der die Verbände Geld mit unseren Spielern generieren. Auch der Vorschlag, die Bundesliga auf 16 Klubs zu verringern, um den Terminplan zu entzerren, ist nicht tragbar. Dann fehlen uns 21.000 Zuschauer." Geld, das man anderweitig nicht erwirtschaften könne.
"Es ist nur eine Frage der Zeit", erklärt Thorsten Storm, Manager der SG Flensburg-Handewitt, "dass die Vereine als Arbeitgeber da nicht mehr mitmachen." Unlängst schrieb der SG-Manager einen Brief an Michael Wiederer, General-Sekretär der Europäischen Handball-Föderation (EHF). Daran schreibt Storm unter anderem: "Für die Spieler sind die Grenzen der Belastbarkeit überschritten. Die Vereine, die als Arbeitgeber der Nationalspieler allein und ohne jeglichen Risiko-Ausgleich die wirtschaftliche Last tragen, werden dem Zufall ausgeliefert. Von den Erträgen aus der EM sehen diejenigen, die die Verantwortung tragen und erst die Voraussetzungen für hochprofessionellen Sport schaffen, freilich nichts. Aber es geht nicht nur ums Geld. Es geht um die Vernunft und darum, zu erkennen, was einem Leistungssportler zugemutet werden kann. Die Spieler riskieren ihre Gesundheit und ihre Existenz, weil der Terminstress Karrieren verkürzt. Das Publikum der nationalen Ligen muss miserable Spiele in den Wochen nach einem Turnier ertragen, weil kaum ein Nationalspieler aufgrund viel zu kurzer Regenerationszeiten zu Höchstleistungen fähig ist."
Bundestrainer Heiner Brand sieht den "gordischen Knoten" in der Schaffung einer Weltliga. "Wir brauchen eine Welt-Serie für Nationalmannschaften, die sich über das ganze Jahr erstreckt", schlägt er vor. "Wenn man EM und WM nur alle vier statt zwei Jahre hätte, könnte man so eine Serie über das ganze Jahr laufen lassen." Im Volleyball sei eine Weltliga bereits seit Jahren etabliert - auch mit großem finanziellem Erfolg. Diese Idee, die in erster Linie dem Weltverband IHF ganzjährige Fernsehpräsenz und damit gute Vermarktungsmöglichkeiten bieten würde, ist bei der IHF bereits auf offene Ohren gestoßen. "Das Thema steht auf der Tagesordnung der IHF", sagt deren Geschäftsführer Frank Birkefeld. Der Weltverband wäre im Gegenzug bereit, vom 1993 eingeführten Zwei-Jahres-Rhythmus für Weltmeisterschaften wieder auf den Vier-Jahres-Rhythmus umzuschwenken.
Allerdings ist diese Forderung daran geknüpft, dass die EHF ihre Europameisterschaften ebenfalls nur alle vier Jahre austrägt. Ob die EHF dem zustimmt, scheint mehr als fraglich. Sie hätte finanzielle Einbußen zu beklagen. Unterdessen fordern die starken europäischen Ligen von den Verbänden eine finanzielle Entschädigung dafür, dass sie die Spieler für die Nationalmannschaften zu Europa- und Weltmeisterschaften abstellen. Immerhin würde der Fußball-Weltverband FIFA auch Geld zahlen. "Die Profiligen in Spanien, Deutschland, Dänemark und Frankreich sprechen in diesem Punkt eine gemeinsame Sprache", sagte Bernd-Uwe Hildebrandt. Der Vorsitzende der Handball-Bundesliga (HBL) kündigte dafür sogar in letzter Instanz den Gang vor den Europäischen Gerichtshof an. "Dann werden wir prüfen lassen, ob es rechtens ist, dass die Spieler als unsere Arbeitnehmer mehr als 80 Tage abgestellt werden müssen mit dem Ziel, dass die internationalen Verbände mit ihren Turnieren Geld verdienen."
Einen ersten Teilerfolg hat der Protest aus der Bundesliga inzwischen bewirkt. Der umstrittene Terminkalender im internationalen Handball soll bei einem Spitzentreffen am Rande der deutschen Final-Four-Pokalendrunde am 8. und 9. April in Hamburg thematisiert werden. Wie der Geschäftsführer der Handball-Bundesliga (HBL), Frank Bohmann, mitteilte, werden zu dem Treffen die Präsidenten des Weltverbandes IHF, Dr. Hassan Moustafa, sowie des europäischen Verbandes EHF, Tor Lian, erwartet. Außerdem sollen Vertreter der Spitzenligen aus Deutschland, Spanien, Frankreich und Dänemark teilnehmen.
(Aus dem offiziellen THW-Magazin "zebra", von living sports)
(28.02.2006) | Ihre Meinung im Fan-Forum? |