28.04.2006 | Mannschaft |
Die Vorarbeit zur Filmstunde erledigt Serdarusic stets in den eigenen vier Wänden. Seine kleine "Schneidekammer" misst knapp zwölf Quadratmeter, beherbergt einen Schreibtisch, einen Drehstuhl auf Rollen und einen großen Eichenschrank, schwer beladen mit vielen gesammelten Videoschätzen. Das "Studio" besteht aus zwei Videorekordern, zwei Fernbedienungen und einem dazugehörigen TV-Gerät. Freundliches Lächeln auf den Fotos von Daleen, Serdarusic' sechsjähriger Enkeltochter, zaubert Wärme in die nüchterne Atmosphäre des Arbeitszimmers.
Normal, so erklärt der 55-Jährige, verbringe er fünf bis sechs Stunden am Tag in diesem Raum. Material sichten, schneiden, Zeitlupen erstellen, aufnehmen und sichern. Arbeitsgrundlagen dafür sind Kassetten, die ihm das Bundesliga-Video-Netzwerk liefert. Jeder Klub beschäftigt einen festen "Kameramann", der ausschließlich dafür zuständig ist, alle Heimspiele des eigenen Klubs auf CD oder Kassette zu bannen. Die fertigen Mitschnitte stehen dann auf Abruf bereit und werden per Post an die jeweiligen Klubs verschickt. Beim THW ist Helmut Petri für die Video-Aufnahmen zuständig. Meistens kämpft er in der Enge des dritten Ostseehallen-Ranges neben der Pressetribüne mit Stativ und Kamera um einen günstigen Platz.
In dieser Woche stapeln sich Kassetten von Spielen mit und gegen die SG Flensburg-Handewitt auf dem Schreibtisch von Serdarusic. Das Ergebnis der Schneidearbeit läuft heute vor den Zebra-Augen ab: SG-Angriffe, Abwehrverhalten der eigenen Mannschaft, THW-Spielzüge. Der THW-Coach hat die Vergangenheit scharf seziert und führt seinen Spielern eigene sowie Fehler des Gegners vor. Zeitlupensequenzen decken falsche Laufwege auf, lassen die SG-Angriffspieler wieder und wieder kreuzen. Auch lösen die Bilder jenes Rätsel auf, warum Flensburgs "Handballgott" Johnny Jensen in den zurückliegenden Spielen so häufig frei am Kreis auftauchte und einwerfen durfte. "Ein Riesenschlitzohr", kommentiert Serdarusic. "Der Junge schleicht unbemerkt quer durch den Kreis und steht plötzlich frei, keine Abwehr der Welt kommt dagegen an." Diesen Regelverstoß, so Serdarusic weiter, könnten nur aufmerksame Schiedsrichter verhindern.
Stefan Lövgren schwört auf "Nokas Kinostunden". Das sei ein enorm wichtiger Bestandteil der Vorbereitungen auf die jeweiligen Gegner, sagt der THW-Spielmacher. "Nokas Videos helfen uns zu siegen." Rund eineinhalb Stunden dauern die Vorführungen. Man bereite sich zwar auch im Kopf auf den Gegner vor, "aber das Visualisieren über Videos ist nicht zu ersetzen", betont Lövgren. Allerdings gelinge es nicht immer, die Erkenntnisse auch auf das eigene Spiel zu übertragen. "Der Gegner bereitet sich schließlich auch auf uns vor." Dennoch ist der Schwede überzeugt davon, dass die heutige Videostunde den Weg zum angestrebten Sieg über Flensburg mit ebnen wird. "Wir gewinnen, weil wir die bessere Mannschaft haben und gut vorbereitet sind."
(von Reimer Plöhn, aus den Kieler Nachrichten vom 28.04.2006)
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