27./29.04.2006 - Letzte Aktualisierung: 29.04.2006 | Bundesliga |
Update #1 | KN-Vorbericht und KN-Geschichte über Boldsen ergänzt |
Das Team der SG Flensburg-Handewitt.
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SG |
Großer Kampf bestimmte die bisherigen fünf Derbys dieser Saison. |
Nicht zufrieden war der Manager allerdings am vergangenen Samstag mit der Leistung seiner Spieler beim glücklichen 30:29 (12:12) - Erfolg gegen die HSG Nordhorn: "Ich hatte das Gefühl, dass einige Spieler die Partie nur über die Runden schaukeln wollten. So etwas will ich nicht sehen." So etwas muss er höchstwahrscheinlich am Samstag auch nicht sehen, zeigen sich die Flensburger in den Derbys doch meist bis an die Haarspitzen motiviert. So erklärt es sich auch, dass sie seit Dezember 2001 nach 60 Minuten nicht mehr als Verlierer vom Ostseehallen-Parkett gingen. Dennoch sieht die Gesamt-Bilanz der Derbys den THW Kiel weiter vorn: Insgesamt trafen beide Mannschaften in 49 Pflichtspielen aufeinander, die Zebras besiegten die SG bei nur drei Unentschieden in 27 dieser Begegnungen (siehe auch Gegnerdaten SG Flensburg).
Den Kader der SG stellten wir bereits ausführlich im Vorbericht zum SuperCup vor. Haupttorschütze der Flensburger ist auch in dieser Spielzeit Linksaußen Lars Christiansen mit 184/63 Toren. In der internen Torschützenliste folgt mit beachtlichem Abstand Kapitän Sören Stryger, der bisher 112/24 Mal erfolgreich war.
Wechselt zur kommenden Saison zur SG: Ljubomir Vranjes (li.) |
Auch diese drei werden mit Sicherheit das Duell am Samstag interessiert verfolgen. Beide Teams können höchstwahrscheinlich in Bestbesetzung auflaufen, lediglich hinter den Einsatz von THW-Torhüter Mattias Andersson steht ein kleines Fragezeichen (siehe Extra-Bericht). Die Buchmacher sehen übrigens den THW im Vorteil, bei einem Heimsieg gibt es für einen Euro Einsatz 1,40 Euro ausgezahlt. Siegt Flensburg, werden 2,55 Euro ausgeschüttet, trennt man sich wie in der vergangenen Spielzeit unentschieden (siehe Spielbericht), gibt es sogar 7,50 Euro.
Dass dabei alles mit rechten Dingen zugeht und die Grenzen der Fairness trotz aller Brisanz nicht überschritten werden, ist die Aufgabe des Schiedsrichtergespannes. Auserkoren für diese gewiss nicht leichte Aufgabe wurden Holger Fleisch und Jürgen Rieber (Ostfildern-Vellingen/Nürtingen). Das Duo bringt die Erfahrung aus 365 geleiteten DHB-Spielen seit 1994 mit.
(Christian Robohm)
Lesen Sie auch den living sports-Vorbericht, den living-sports-Bericht über die zum Teil kuriose Geschichte des Derbys, die living-sports-Geschichte Allein unter Dänen über Jan Holpert und die living sports-Story über die Fans und deren Sicht des Derbys.
Lesen Sie bitte auch das Sport1-Interview mit Thorsten Storm und Henning Fritz und Jan Holpert im HBL-Interview.
Lesen Sie auch den Vorbericht der Kieler Nachrichten vom 29.4. und die KN-Geschichte über Joachim Boldsen
Dieser Vorbericht wird wie gewohnt ständig aktualisiert...
Fast möchte man meinen, beim sechsten Aufeinandertreffen in der laufenden Saison könnte auch das Nordderby so langsam langweilig werden. Doch weit gefehlt! Zwar trafen der THW Kiel und die SG Flensburg-Handewitt nie zuvor so oft innerhalb von nur einer Spielzeit aufeinander wie in der noch laufenden. Aber immer wenn Deutschlands beste Handball-Klubs ihre Klingen kreuzen, dann geht es um alles oder nichts - erst der Supercup, dann ein packender DHB-Pokalkrimi, zuletzt ein Drama in der Champions League. Und Samstag nun das direkte Duell um die Deutsche Meisterschaft.
Storm: "Wir können Meister werden!" |
Doch in Flensburg wittert man die letzte Chance und stützt sich auf eine beeindruckende Serie: Seit Dezember 2001 hat man in der Ostseehalle nach 60 Minuten nicht mehr zurückgelegen. Das "Aus" im DHB-Pokal erfolgte erst in der Verlängerung. "Wenn Kiel gewinnen sollte, ist die Meisterschaft entschieden", prophezeit Flensburgs Manager Thorsten Storm. "Aber wenn wir in der Ostseehalle gewinnen - und davon gehe ich aus -, dann bleibt die Meisterschaft spannend. Und ich sage: Wir können noch Meister werden!"
Dass der THW Kiel dem selbstbewussten Nordrivalen allerdings mutig entgegen treten kann, hat er sich selbst zu verdanken. Der jüngste 32:34-Sieg in der Campushalle offenbarte nicht nur Dramatik, Leidenschaft und jede Menge Emotionen, sondern auch die schlichte Erkenntnis, "dass wir in und gegen Flensburg wieder gewinnen können", wie Noka Serdarusic trotz des damaligen bitteren Ausscheidens im Viertelfinale der Champions League positiv verbuchte. "Ich habe in viele blasse Flensburger Gesichter geblickt", erinnert sich Kiels Trainer an eine großartige Vorstellung seiner Mannen.
Neun Spieltage vor dem Saisonende folgt Samstag also zweifelsfrei einer der Höhepunkte und die Fortsetzung einer im besten Sinne beeindruckenden Rivalität der beiden momentan besten Mannschaften Deutschlands - das Nordderby hat auch in seiner rekordverdächtigen sechsten Auflage der Saison nichts an Reiz und Spannung eingebüßt. Herzlich willkommen in der Kieler Ostseehalle!
(Aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra")
1997 endete eine fünfjährige Durststrecke der Zebras bei der SG Flensburg-Handewitt. Nach dem 25:20 in der Fördehalle war der Jubel groß, Klaus-Dieter Petersen freute sich besonders: "Der Sieg heute ist für Kiels Handball das Größte!" Am Ende der Saison 1997/1998 musste "Pitti" einsehen, dass es noch Größeres gibt: Der THW Kiel wurde Deutscher Meister.
Im Jahr 1998 traf man noch einmal auf die SG. Im Finale des EHF-Pokals triumphierten die Zebras mit einem 26:21 im Rückspiel - Thomas Knorr spielte damals noch im Dress der Zebras. Zur nächsten Saison sollte "Knorre" nach Flensburg wechseln und hatte Hoffnung auf weitere Titel: "Vielleicht holen wir nächstes Jahr mit der SG ja auch einen Titel, das wäre super." Seine Hoffnung sollte sich nicht erfüllen...
Nach dem EHF-Pokal-Finale 1998 sorgten einige Antworten der Flensburger Verantwortlichen für Belustigung in der Handballwelt. SG-Manager Dierk Schmäschke machte die Kieler Medien mitverantwortlich für die Niederlage. "Die haben ganz unfair Stimmung gegen uns gemacht." Und Coach Anders Dahl-Nielsen sah gar die EHF in der Mitschuld: "Ich finde es schlecht, dass die EHF uns gezwungen hat, heute zu spielen. Wir hätten gerne drei bis vier Tage mehr Pause gehabt. Ich kann nicht verstehen, wieso der Titelverteidiger in solchen Fragen so wenig Einfluss hat." Heute wären zwei Spiele in vier Tagen kein Anlass mehr zum Klagen...
Unschön endete das Derby 1999 in der Ostseehalle für Noka Serdarusic. Angeblich soll der Kieler Trainer das Schiedsrichtergespann bedrängt haben, hierfür sah er die Rote Karte und wurde für zwei Spiele gesperrt. Seinen Mannen war dies indes egal: Magnus Wislander traf in doppelter Unterzahl zum 22:18, am Ende stand 25:19 und die Zebras feierten drei Spiele später die nächste Meisterschaft - dann wieder mit Serdarusic auf der Bank.
Ende 1999 durfte auch Stefan Lövgren erstmals Derbyluft schnuppern. Beim 26:22 in Flensburg traf er fünfmal. Nach dem Spiel zeigte sich Serdarusic ungewohnt sentimental: "Ich bin nun 50 Jahre alt und dachte, Sieg wäre Sieg. Gewinne ich in Lemgo, freue ich mich und gut ist. Der Sieg heute war aber schon etwas ganz Besonderes für mich." Faxe Jörgensen, Kultspieler der SG, stellte trocken fest: "Wir hätten noch bis Silvester spielen können und nicht gewonnen." Die Deutsche Presse-Agentur (DPA) hingegen meldete. "Der "ewige Zweite" schafft einfach nicht die "big points"."
13/6 Treffer machten aus dem Dänen Nikolaj Jacobsen nach dem dramatischen Pokalfinale 2000 (26:25 n.V.) endgültig die "Zaubermaus". Für Aufsehen sorgt sein Statement nach dem Schlusspfiff: "Bei Flensburg spielen viele Dänen, bei uns Schweden. Die Schweden verlieren nicht gern, ich habe mir viel abgeschaut!" Serdarusic zeigte sich ob der Energieleistung der Kieler, die bereits im Halbfinale eine Verlängerung überstehen mussten, hoch erfreut. "Wir wurden immer müder. Petersen hat vor dem Spiel noch eine Infusion bekommen, Wislander wusste nach einer Viertelstunde nicht mehr, wie er heißt." Erik Veije Rasmussens verschmitzter Kommentar: "Müde? Dann kauft Euch doch jüngere Spieler!"
Die "Alten Schweden sind noch nicht müde!", lautet das Fazit Anfang Mai 2000. Flensburg hatte über ein halbes Jahr lang an der Tabellenspitze gestanden, ehe sie im Schlussspurt doch noch von den Zebras eingeholt wurden. Entscheidend dabei das Duell am vorletzten Spieltag: Der THW spielte Flensburg beim 32:25 zeitweise an die Wand, Nenad Perunicic warf allein elf Tore für den späteren Meister. Die damalige Ministerpräsidentin Heide Simonis legte nach dem Spiel mit einer Aussage den Grundstein für die später zum Kult avancierten Pfiffe in der Ostseehalle: "Ich hätte Flensburg den Titel gegönnt." Und Jan Fegter war restlos bedient: "Bei einigen fallen bereits die Scheuklappen, wenn sie die Ostseehalle sehen. Ich verstehe nicht, wie man so viel Angst haben kann."
Das Husarenstück 2002 war so ganz nach dem Geschmack der THW-Fans. Ausgerechnet beim Erzrivalen holte man sich den Deutschen Meistertitel. Nach ausgeglichenem Spiel war es Julio Fis, der den THW mit drei Hammer-Toren auf die Siegerstraße brachte. Das Ende der Saison wurde bejubelt - ein weinendes Auge blieb. Das 26:24 in Flensburg war das letzte Spiel Max Wislanders im THW-Dress. Nicht einmal ein Tor war dem Schweden vergönnt, aber er sah es mit Humor: "Es ist eben nicht jedem vergönnt, kein Tor in so einem wichtigen und letztem Punktspiel zu erzielen. Das muss mir erst mal jemand nachmachen."
Nach dem Triumph 2002 begann eine schier nicht enden wollende Negativ-Serie der Zebras. Sieben Mal in Folge verloren die Kieler gegen den Erzrivalen, zweimal davon im DHB-Pokal-Final Four. Den Titel "Ewiger Zweiter" hat die SG nach dem Gewinn der Deutschen Meisterschaft und drei Pokaltriumphen in Folge längst abgelegt, als wiederum ein Derby für Gesprächsstoff sorgt: Beim 26:26 in der Saison 2004/2005 riss Kapitän Stefan Lövgren nach dem späten Ausgleich durch Marcus Ahlm Johnny Jensen im Mittelkreis um, um dessen Wurf auf das leere Kieler Tor zu verhindern. Ein Handgemenge war die direkte Folge, der Punktgewinn brachte dem THW später die zwölfte Deutsche Meisterschaft und dem Handball die "Lex Lövgren": Fortan wird ein Spieler, der um ein Tor in der Schlussminute zu verhindern einen anderen foult, für ein Spiel gesperrt. Die Spieler nahmen die Rangelei lockerer als die Fans. "Wir haben uns nachher alle in den Arm genommen und beglückwünscht", so Lars Christiansen. Im Handball dauern Fehden halt exakt 60 Minuten...
(Aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra")
Kiel gegen Flensburg - kein Spiel in der Handball-Bundesliga polarisiert mehr als das ewigjunge Nordderby, auf das ganz Deutschland schaut. Beide Vereine trennen nur 90 Kilometer, doch für die Handball-Fans in Schleswig-Holstein sind dies Welten. Bei genauerer Betrachtung aber stellt man fest, dass diese Derbys beiden Clubs mehr nutzen als schaden. Es geht nicht richtig miteinander, ohne den jeweils anderen aber auch nicht.
Händeschütteln zwischen Uwe Schwenker und Thorsten Storm |
Dass man sich dabei in dieser Saison gleich in vier Wettbewerben ins Gehege kam, passte aber niemandem. Im Supercup vor der Saison waren es die Zebras, die den längeren Atem hatten. Ebenso in der 2. Runde des DHB-Pokals. In der Champions League und im Bundesliga-Hinspiel hatten jeweils die Mannen von der nördlicheren Förde die Nase vorn.
Das Derby bringt Aufmerksamkeit in den Medien |
Das Derby lässt in der Landeshauptstadt und an der dänischen Grenze zudem regelmäßig die Kassen klingeln. Während die Bundesligaspiele in der Ostseehalle eh immer ausverkauft sind, wurden auch DHB-Pokal und Champions League mit dem Gegner SG zu Kassenschlagern. Für das Hinspiel in der europäischen Königsklasse brauchte es ganze drei Stunden, bis alle 10.250 Tickets abgesetzt waren - Rekord selbst für den zuschauerträchtigen THW Kiel. Ähnliches wusste man auch aus Flensburg zu berichten - die Campus-Halle war schnell ausverkauft.
Selbst in der inzwischen zur Handball-Diaspora gewordenen bayerischen Landeshauptstadt München sorgten die schleswig-holsteinischen Aushängeschilder für ein nie da gewesenes Interesse: 10.000 Zuschauer füllten die Olympiahalle beim Supercup vor der Saison bis auf den letzten Platz, das Fernsehen war natürlich auch dabei. Dass am Ende der THW seine schwarze Serie gegen die SG beenden konnte, war dabei fast zweitrangig. "Das Spiel machte deutlich, wie viel Potenzial in diesem Sport steckt", freut sich Frank Bohmann, Geschäftsführer der Handball-Bundesliga (HBL), über die Resonanz in einer Stadt, die seit dem Rückzug des TSV Milbertshofen im Jahre 1993 keinen eigenen Bundesligisten mehr zu bieten hat. Nicht wenige sahen die Ursache für dieses Interesse in den beiden Zugpferden aus dem Norden - die ganz nebenbei zum ersten Mal ein Wettbewerbs-Derby südlich der Elbe austrugen.
Trotz aller Rivalität kann auch gemeinsam gelacht werden |
Für die Spieler ist das Derby vor allem eines: Eine sportliche Herausforderung unter ganz besonderen Vorzeichen, an deren Ende trotz hart geführter Zweikämpfe, enger Spielstände und Vorentscheidungen um Titel immer ein sportlich faires Händeschütteln steht. Man kann eben nicht richtig mit, aber auch nicht ohne das ewige Duell zwei Nordrivalen.
(Aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra")
Der Torwart der SG Flensburg-Handewitt, Jan Holpert witzelte einst, er hätte immer schon einmal im Ausland spielen wollen. Mit einem Augenzwinkern fügt er hinzu, dass das nun sogar in seiner Heimat Flensburg möglich sei. Der 37-jährige Ausnahmetorhüter, der in seiner langen Karriere mit über 570 Bundesliga-Einsätzen zum nationalen Rekordhalter avancierte, ist im Kader der SG Flensburg-Handewitt einziger Deutscher.
Jan Holpert: Allein unter Dänen |
Der gebürtige Flensburger Holpert spielt seit 1993 in den Reihen der SG, seine Lehrjahre in der Bundesliga absolvierte er beim TSV Milbertshofen am anderen Ende der Republik - eine einzigartige Karriere. So war er großer Garant für den Gewinn der ersten deutschen Meisterschaft, die nicht allein er in Flensburg so lange herbei gesehnt hatte. Vier Mal war er Sieger im DHB-Pokal (1990 mit dem TSV Milbertshofen; 2003, 2004 und 2005 mit der SG Flensburg-Handewitt) und jubelte ebenso oft über einen Europacup.
Doch nicht nur in Vereinswettbewerben kann "Holpi", wie ihn die Flensburger Fans rufen, auf Erfolge zurückblicken. Mit der deutschen Nationalmannschaft nahm er drei Mal an Olympischen Spielen teil und landete 1998 seinen größten Triumpf: die Bronzemedaille bei der Europameisterschaft in Italien. Nach den olympischen Spielen 2000 im australischen Sydney erklärte Holpert seine Nationalmannschaftskarriere nach 245 Einsätzen für die DHB-Auswahl allerdings für beendet. Und so kam es, dass Bundestrainer Heiner Brand im Jahr 2004 nicht auf einen einzigen Akteur aus dem Team eines amtierenden deutschen Meisters zurückgreifen konnte - ein Novum.
Neben der Tatsache, dass der zweifache Familienvater einziger Deutscher im Team des diesjährigen Champions League-Halbfinalisten ist, ist er auch noch der älteste Aktive in Reihen der Flensburger. Im Mai feiert Holpert, der seine ersten Handballschritte beim TSV Glücksburg 09 tätigte, seinen 38. Geburtstag und ist damit vier Jahre älter als Kreisläufer Johnny Jensen, der Zweitälteste im Team des Vizemeisters. Doch bleibt der Oldie den Flensburgern mindestens ein weiteres Jahr erhalten, da sein Vertrag noch bis 2007 Gültigkeit besitzt. Eine zweite "Auslandssaison" wird es allerdings nicht. Mit dem Neuzugang Frank von Behren und dem Rückkehrer Torge Johansen stehen dann zwei weitere Deutsche im Kader der SG Flensburg-Handewitt.
(Aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra")
"Up ewig ungedeelt" ist bis heute der Leitspruch der Landesteile Schleswig und Holstein, die schon im 19. Jahrhundert damit ausdrückten, wie fest miteinander verbundene Staaten sie damals waren. Auf ewig ungeteilt - das gilt noch immer. Doch mindestens zweimal im Jahr wird das ansonsten so beschauliche Bundesland Schleswig-Holstein trotz aller Zusammengehörigkeitsschwüre wieder in zwei Lager geteilt.
Dieser Tage fiebern beinahe alle Einwohner des Landes zwischen den Meeren dem Handball-Klassiker THW Kiel gegen die SG Flensburg-Handewitt entgegen. "Derbyzeit" - da werden auch die als sonst als so kühl geltenden Nordlichter ungewohnt heißblütig.
Fairplay unter den Fans |
Santen ist 1. Vorsitzender der "Zebrasprotten", dem ältesten Fanclub des THW Kiel. Und in dieser Funktion hat auch er seine eigenen Derby-Erfahrungen gesammelt. "Die Spannung vor diesen wichtigen Spielen wird natürlich auch von den hiesigen Medien nach oben gepusht. Aber das gehört einfach dazu", so Santen. Respekt vor der guten Arbeit in Flensburg hat man dennoch auch als Kieler. "Die Tendenz bei uns ist mehrheitlich, dass wir uns freuen, in Schleswig-Holstein so guten Handball zu haben", sagt Santen. "Wir sind stolz darauf, dass wir mit Hamburg, Flensburg und Kiel drei so gute Vereine im Norden versammelt haben." Vielleicht verlaufen die Anfeuerungen der Zebras auch deswegen immer in einem durchaus geregelten Maße. "Im Gegensatz zum Fußball wird Handball unterm Dach gespielt, also gewissermaßen im Wohnzimmer. Und da benimmt man sich einfach."
Dass es auch miteinander geht, zeigt im Übrigen das Fanclubturnier der Zebrasprotten, das in diesem Sommer bereits zum 13. Mal gespielt wird. Dort kommen, neben vielen anderen Fanclubs der ersten und zweiten Handball-Bundesliga, auch regelmäßig die Flensburger Fanclubs "Wikinger" und "Nordlichter", um im netten Umfeld einmal selbst aktiv ins Handballgeschehen einzugreifen. Sowohl die Flensburger als auch die Kieler freuen sich immer wieder auf die Partien und auf die Stunden danach. "Wir werden wieder gemeinsam eine große Party haben und freuen uns schon jetzt auf die anstehenden Feierlichkeiten. Jeder, der sich benimmt, ist bei uns herzlich willkommen - auch jeder Flensburger", lacht Santen.
Auf dem Feld allerdings - und das sei jedem Beteiligten zugestanden - schlägt das Herz nur für die eigene Mannschaft. Egal ob blau-weiß-rot oder schwarz-weiß, eines haben beide Fanparteien ganz sicher gemeinsam: Den Willen, die eigene Mannschaft nach Leibeskräften zu unterstützen. Seien es die vielen Trommler, die in der Ostseehalle auf der Treppe stehend den Ton angeben oder die Nordtribüne der Flensburger Campushalle. Alle Fans im ganzen Land verfolgen nur ein Ziel: Die Mannschaft, die im Herzen einen festen Platz trägt, nach besten Möglichkeiten zu unterstützen und von Sieg zu Sieg zu tragen. Dafür wird in vielen Fällen buchstäblich das letzte Hemd gegeben. Und so heißen die Urlaubsziele für viele nicht Mallorca, Ibiza und Co., sondern Göppingen, Wilhelmshaven oder Pfullingen.
Die viel besagte Rivalität, die zwischen den beiden Nordclubs und deren Anhängerschaft ohne Zweifel besteht, dauert trotz aller flotten Sprüche, die im Vorfeld der Partien fallen, nur 60 Minuten und ist in den meisten Fällen nach dem Spielabpfiff bis zum nächsten Aufeinandertreffen beider Vereine in der Schublade neben Fanschal und Fahne verborgen. Doch mal ehrlich, was wäre ein Aufeinandertreffen der beiden Nordgiganten ohne die Kampfansagen heißblütiger Fans und Spieler, die erst das Salz in der Derby-Suppe ergeben? Also stimmt die Devise des für ewig zusammenhaltenden Bundeslandes beinahe immer - Ausnahmen von 60 Minuten Länge bestätigen die Regel.
(Aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra")
Aus den Kieler Nachrichten vom 29.04.2006:
Doch der Tabellenführer ist stabiler geworden und die Buchmacher sehen inzwischen die Kieler vorne. Wer zehn Euro auf sie setzt, bekommt im Erfolgsfall 16 zurück. Für Flensburg gibt es das doppelte. Gestern wussten die Zocker aber nicht, dass der Meister auf den verletzten Torhüter Mattias Andersson verzichten muss. Spritzen, Massagen, Medikamente, zwei Behandlungen pro Tag - die Medizinmänner ließen nichts unversucht. Vergeblich. Ein überdehnter Gesäßmuskel sorge nicht nur für Schmerzen, meinte Mannschaftsarzt Dr. Frank Pries. Er könne bei weiterer Belastung auch reißen. "Es macht keinen Sinn, ihn spielen zu lassen."
Der Schwede, der sich am Wochenende in der Heimat akupunktieren ließ, wird auch im Punktspiel gegen Großwallstadt (3. Mai) fehlen. Die Befürchtung, dass sich der 28-Jährige seinen dritten Bandscheibenschaden eingehandelt haben könnte, schloss Pries aus. "Es ist sicher, dass er wieder richtig fit wird. Nur nicht sofort."
Also sitzt neben Henning Fritz der junge Dennis Klockmann auf der Bank. Sein Doppelspielrecht wird der 23-Jährige im Wortsinn ausüben müssen. Am Nachmittag THW, danach mit dem TSV Altenholz gegen Hamm. "Das wird eine doppelte Freude", meint Klockmann, der sich am Tag vor dem Derby gelassen gab. "Ich habe nichts zu verlieren. Wenn ich spielen sollte, werde ich mein Bestes geben." Der BWL-Student ist optimistisch, dass Kiel gewinnen wird. "Wir spielen zu Hause, haben 10 000 Zuschauer im Rücken - warum sollte es nicht klappen?"
Angesichts des Zwei-Punkte-Rückstandes und des schlechteren Torverhältnisses (minus 36) sieht SG-Schlussmann Jan Holpert die Seinen unter einem stärkeren Druck. "Wir dürfen nicht ängstlich sein. In Kiel haben wir in dieser Saison schon einmal gewonnen. Das gibt uns Sicherheit." Ein Blick in die gemeinsame Vergangenheit zeigt, dass sich kein anderer Gast in der Ostseehalle so wohl fühlt. Den letzten Heimsieg in einem Punktspiel feierte Kiel gegen Flensburg im Dezember 2001 ( 30:29). Mit Wislander & Co.
Spannung ist also garantiert. Das weiß auch Kapitän Stefan Lövgren, für den Siege gegen die SG zu den schönsten gehören. "Niederlagen gegen Flensburg zählen allerdings auch zu den bittersten."
(Von Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 29.04.2006)
Aus den Kieler Nachrichten vom 29.04.2006:
Immer im Vorwärtsgang: SG-"Traktor" Joachim Boldsen, hier von Kiels Marcus Ahlm gestoppt. |
Der Gedanke an die 10 250 Zuschauer, die ihn auspfeifen werden, lässt den 137-fachen Nationalspieler kalt. "Ich freue mich riesig auf das Spiel", meint Boldsen, zieht an seiner Kippe und grinst. Das Heimspiel gegen Wilhelmshaven ließ er sausen, weil er mit seiner Nancy den Pfarrer traf, der sie am 24. Juni in Helsingör trauen wird. Wilhelmshaven ist langweilig, Kiel ist Adrenalin pur. Angst? Boldsen lacht. "Warum? Seit ich hier bin, haben wir meistens gegen die gewonnen." Vor dem neuen THW-Team zieht er dennoch den Hut. "Es macht Spaß, sich ihren Tempohandball anzuzusehen. Meine Spielweise ist das aber nicht."
Im Dezember 2001 unterschrieb der Junioren-Weltmeister bei der SG. Zuvor hatte er mit seinem Vater Steen auch den THW aufgesucht. "Bis heute hat er bei uns nicht abgesagt", meint Manager Uwe Schwenker. "Das finanzielle Angebot war zu schlecht", erinnert sich Boldsen. Außerdem hätte ihm keiner die gewünschten Spielanteile garantieren können. "Damals war Stefan Lövgren aber auch noch auf seinem Höhepunkt." Kiel oder Flensburg - es ginge eben nur eines von beiden, meint der bullige Rückraumspieler, der sich als Fußballer versuchte, wegen der kalten Winter aber lieber ein Handballer wurde.
Privat sei er ein ruhiger, ein häuslicher Typ. "Es gibt andere in unserer Mannschaft, die hundertmal öfter weggehen als ich." Er sei auch keiner, der nach Dienstschluss großes Interesse an den Mitspielern habe. "Das sind Kollegen, keine Freunde." Mit seiner unnachahmlichen Art, sich durch die Gegner zu wühlen, verdiente sich Boldsen nicht nur den Spitznamen "Traktor". Der 103-Kilo-Klotz gilt auch als harter, fairer Sportsmann, der kein Blatt vor den Mund nimmt.
Vor Jahren wurde er in den dänischen Medien mit dem Satz zitiert, er hasse alle Deutschen. Die Wogen schlugen hoch, Boldsen entschuldigte sich. "Ich wurde falsch zitiert", meint er heute. "Ich habe gesagt, dass ich bis zum Schlusspfiff meinen Gegenspieler hasse." Zudem hätten das dänische und das deutsche "hassen" unterschiedliche Bedeutungen. "Ich meinte, dass ich meinen Gegner nicht mag." Breites Grinsen. Nicht mag - das ist kein Boldsen-Wortschatz.
Eine Zeitungsmeldung, die ihm jüngst eine kräftige Rangelei mit Torhüter Jan Holpert im Training nachsagte, bezeichnete Boldsen schlicht als wahr. "Wir hatten ein bisschen Stress. Aber nach zwei Sekunden ist alles vergessen." Als die SG kürzlich Frank von Behren verpflichtete, meldete sich der Fan von Pizza und Bier wieder zu Wort. "Danach habe ich Ärger bekommen - wie immer." Die Personalie störte ihn nicht. "Frank ist ein guter Abwehrspieler und ein Deutscher noch dazu. Davon haben wir nicht viele." Ihn grämte, dass man die Spieler nicht darüber informierte. "So schwer kann das nicht sein, schließlich hat jeder ein Handy." Man - das ist für ihn Manager Thorsten Storm, der zwischen ihm und dem Traum steht, einmal für den FC Barcelona zu spielen. "Eigentlich bin aber selbst Schuld", räumt Boldsen ein. "Ich wurde nicht gezwungen, hier zu unterschreiben."
Fünfmal habe er vergeblich versucht, Flensburg zu verlassen. Im Sommer 2007 läuft sein Vertrag aus. Dann wird er einen letzten Anlauf nehmen. "Ich will endlich nach Spanien", meint Boldsen, der beim Blick in die Zukunft mit den breiten Schultern zuckt. Vier, fünf Jahre wolle er noch spielen. Und dann? "Ich weiß nur, dass ich nie Trainer werde", sagt Boldsen, der dreimal EM-Bronze gewann. "Die Spieler machen was sie wollen, der Trainer wird gefeuert. Das ist Scheiße." Nein, mit Handball wolle er später gar nichts mehr zu tun haben. Nein, etwas anderes habe er nicht gelernt. Klar ist nur, dass er von freien Wochenenden träumt und einen Tag nach der Hochzeit die letzte Zigarette rauchen wird. "Das habe ich Nancy versprochen."
(Von Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 29.04.2006)
Sieg THW: | 1,40 |
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Unentschieden: | 7,50 |
Sieg Flensburg: | 2,55 |
(27./29.04.2006) | Ihre Meinung im Fan-Forum? |