27./28.09.2005 - Letzte Aktualisierung: 28.09.2005 | DHB-Pokal |
Update #4 | Spielbericht der KN, Spielbericht, Stimmen und Statistik ergänzt... |
Die beiden Spielmacher im Zweikampf: Stefan Lövgren gegen Glenn Solberg. |
Sören Stryger fiel früh mit einer Risswunde am Finger aus. |
So hektisch wie die erste begann auch die zweite Hälfte. Der THW wollte mit schnellen Angriffen die Flensburger-Führung eliminieren, was zunächst auch zu gelingen schien. Kavticnik und Hagen verkürzten auf 12:14 (32.). Dann jedoch schlich sich wieder der Schlendrian bei den Zebras ein, was Flensburg eiskalt mit der 21:16 - Führung bestrafte (39.). Trainerfuchs Serdarusic anwortete mit dem wohl spielentscheidenden Schachzug: Er schickte Nikola Karabatic in die Rückraum-Mitte, beorderte Hagen auf seine angestammte halblinke Position und ließ die Abwehr nun deutlich heraus rücken. Zudem sollte Kavticnik die Kreise von Lackovic einengen, was dieser fortan auch eindrucksvoll tat. Binnen sechs Minuten griffen sich die Zebras zahlreiche Bälle in der Abwehr und überrannten die SG nun im Angriff. Karabatic bediente den immer stärker werdenden Ahlm zum 18:21, besorgte das 19:21 per Siebenmeter selbst, ehe der nun wie entfesselt spielende Frode Hagen den
Bis zur 40. Minute hatte Flensburg (hier Jonny Jensen) Oberwasser in der Ostseehalle. |
Nun kam die große Kieler Derby-Zeit: Wie in längst vergessen geglaubten Tagen spielten sich die Zebras in einen Rausch. Mattias Andersson konnte nun einige schwere Bälle entschärfen, Flensburg machte zudem Fehler. Lundström traf per Tempogegenstoß zum 29:28, im Gegenzug musste der inzwischen zurück gekehrte Lövgren für zwei Minuten auf die Bank. Boldsens anschließender Siebenmeter ging zwei Meter über das Tor, im Angriff konnte Kavticnik seine Gegenspieler narren, lief ein und erzielte in Unterzahl die erste Kieler Zwei-Tore-Führung zum 30:28 (62.). Kurz darauf verwandelte Lundström erneut einen Tempogegenstoß sicher, ehe nach Lackovics Anschlusstor von der Strafwurflinie (29:31, 64.) Lövgren und Kavticnik zum wunderschönen finalen Akt der ersten Verlängerungs-Halbzeit ansetzten: Per Kempatrick erzielte Kiels Rechtsaußen das 32:29, die Ostseehalle stand nun wirklich vollends Kopf.
Nach Lundströms 33:29 und Karabatics sicher verwandelten Strafwurf zum 34:29 begannen die Feierlichkeiten im weiten Rund. Doch zu früh darf man die SG nicht abschreiben: Diese spielte nun mit offener Manndeckung, dem THW schien dies zunächst nicht zu schmecken. Zweimal Kos machte es noch einmal spannend (32:34, 69.), ehe Keeper Andersson dem freien Boldsen den Ball abknöpfte. Jensens Rote Karte nach grobem Foulspiel durch das insgesamt konsequent durchgreifende Schiedsrichtergespann Prang/Reichl dürfte allenfalls Statistiker noch interessieren, wohingegen Lundströms finales 35:32 in den Schlusssekunden die Begeisterung der Kieler Anhänger noch einmal überschwappen ließ.
Durch die Kieler Energieleistung, die ab Mitte der zweiten Hälfte ihren Initialzünder in Frode Hagen hatte, behielten die Zebras ihre nunmehr 679 Tage ohne Pflichtspielniederlage andauernde Serie in der Ostseehalle. Zudem durchbrachen sie eindrucksvoll kämpfend den Bann, der zuletzt Flensburg in den Derbys vorne gesehen hatte. Als nicht zu verachtendes Ergebnis der Bemühungen stand letztlich der verdiente Einzug in die dritte Runde des DHB-Pokals (2. November), den Flensburg in diesem Jahr nun nicht mehr verteidigen kann. Den nächsten THW-Gegner wird am 1. Oktober Dr. Hassan Mustafa, Präsident der Internationalen Handball Federation, am Rande des des 28. Bundestages des Deutschen Handballbundes aus dem Lostopf ziehen. Gegen 12 Uhr wird Mustafa vor den Augen der rund 200 Delegierten im Maritim-Hotel Würzburg die 16 Pokalpartien der dritten Runde auslosen.
(Christian Robohm)
Lesen Sie auch den ausführlichen Spielbericht der Kieler Nachrichten.
Aus kiel4kiel.de:
THW schmeißt Flensburg nach Derby-Krimi aus dem Pokal
Was für ein Pokalfight! Der THW Kiel stand in der zweiten Runde des DHB-Pokals im Nordderby gegen den Erzrivalen SG Flensburg-Handewitt lange Zeit mit dem Rücken zur Wand, um in einem wahren Pokalkrimi letztlich doch noch mit 35:32 Revanche für die Finalniederlage der Vorsaison und die Bundesliga-Demontage von vergangenem Samstag zu nehmen. Nachdem es nach 60 Minuten 28:28 unentschieden stand, sorgten ein starker Mattias Andersson zwischen den Pfosten und die agileren Außenspieler letztlich für den Triumph des deutschen Meisters, nachdem der Ex-Flensburger Frode Hagen eine furiose Aufholjagd inszenierte.
Flensburg ist besser ins Spiel gekommen, wir hatten vor allem Probleme in der Abwehr. In den ersten 30 Minuten war die SG die bessere Mannschaft, auch weil wir vorne zu wenig Druck gemacht haben - 10 Tore sind eindeutig zu wenig. Die Umstellung von 3:2:1 auf 5:1 in der Abwehr hat den Druck auf der linken Seite rausgenommen, Nikola Karabatic im Rückraum Mitte war ebenfalls ein wichtiger Faktor. Nach der zweiten Halbzeit war ich zuversichtlich, das Spiel zu gewinnen. Die Verlängerung verlief dann auch wie ab der 46. Minute.[Zur Situation mit Zeitz und Jensen:]
Wenn man taktisch richtig spielt, sucht man am Ende 1:1-Situation mit Spielern, die kurz vor der Roten Karte stehen. Aber dies war keine spielentscheidende Situation.
Glückwunsch an Kiel, sie waren der verdiente Sieger zum Schluss, weil sie in der Verlängerung stark waren. Ich bin aber stolz auf meine Mannschaft, dass sie hier 60 Minuten mitgehalten hat. Unser größtes Problem waren unsere Linkshänder: Nachdem sich Sören Stryger verletzt hatte, musste Marcin Lijewski durchspielen, deshalb war er am Ende zu müde. Zudem hatten wir große Schwierigkeiten mit Frode Hagen, er hat das Spiel letztlich für Kiel entschieden.[Zu den Zeitstrafen:]
Die vielen Hinausstellungen in der ersten Halbzeit störten unser System natürlich, mit einigen Zeitstrafen war ich nicht einverstanden.[Gegenüber den KN:]
Kiel war in der Verlängerung die körperlich stärkere Mannschaft, meine Mannschaft hat da aufgehört zu kämpfen. Trotzdem bin ich zufrieden, weil wir eine gute erste Halbzeit gespielt haben.
Wir haben über weite Strecken richtig guten Handball gespielt, hatten aber etwas Pech mit den Hinausstellungen. Aber wir gratulieren dem THW zum Weiterkommen und spielen nun halt Bundesliga und Champions League.
Flensburg war über 40 Minuten die bessere Mannschaft. Wir können aufgrund der vielen Neuzugänge spielerisch noch nicht mithalten, aber das Publikum hat uns heute richtig unterstützt. Frode Hagen war spielentscheidend.
Das war ein unglaubliches Spiel, das alles hatte. Das war Handball vom feinsten, hochspannend. In der ersten Halbzeit hatte ich ja nicht gespielt, da musste ich dann noch ein bisschen arbeiten... Der Trainer hat uns in der Halbzeit gesagt, wir können verlieren, aber wir müssen 100 Prozent geben.
Kiel hat das Spiel fünf Minuten vor und zehn Minuten nach der Halbzeit bestimmt. Wir haben zu viele Zeitstrafen kassiert.
Eine Leistungssteigerung im spielerischen Bereich war es nicht, aber wir haben großen Willen gezeigt.
In Flensburg haben wir aufgegeben, heute haben wir weiter gemacht. Das war körperlich eine brutale Belastung.
Aus den Kieler Nachrichten vom 28.09.2005:
In den letzten drei Jahren warfen die Flensburger den THW Kiel aus dem Pokal. Mal früher, mal später. Der Sieger hieß immer Flensburg. Auch gestern hätten die meisten der 10 250 Zuschauer in der brodelnden Ostseehalle in der 40. Minute keinen Euro mehr auf die Kieler verwettet. Zu selbstbewusst spielte das Team von Kent-Harry Andersson auf. Der denkwürdige 39:33-Erfolg am vergangenen Sonnabend wirkte wie Doping auf die Gäste, die zu diesem Zeitpunkt mit 21:16 führten.
Blazenko Lackovic entnervte Henning Fritz im Alleingang. Frustriert räumte der Welthandballer, der bis dato kaum einen Ball zu fassen bekam, das Feld. Die Kieler Abwehr, die zuletzt in der Flensburger Campushalle in ihrer Aggressivität an eine Ehrenformation der Bundeswehr erinnerte, wehrte sich zwar leidenschaftlich. Doch im Angriff wollte dem THW nichts gelingen. Einzig der bärenstarke Nikola Karabatic hielt den Hoffungsfunken am Leben. Eingespielt und hünenhaft - die sechs Riesen in der SG-Abwehr wirkten wie aus der gleichen Form gegossen. Nur die Haare, die saßen anders.
In Beton gemeißelt standen sie am Kreis, dahinter ein starker Jan Holpert. Kein noch so winziger Spalt für die Kieler. Sie waren engagiert, sie wollten, aber sie wirkten ratlos. Kleine Risse meißelten die Unparteiischen schließlich in den Flensburger Block. Nach und nach ging mit Joachim Boldsen, Jonny Jensen und Glenn Solberg das Herzstück der Abwehr von der Platte. Alle drei gleich doppelt. Alle spielten weiter, doch eine Rote Karte gab es für einen - Jensen - erst, als die Kieler schon die Feierlichkeiten begannen.
Für Stefan Lövgren, dem nichts gelingen wollte, stellte Noka Serdarusic nach der Halbzeit Karabatic in die Mitte und brachte Frode Hagen. Der Norweger, im bisherigen Saisonverlauf zumeist Zuschauer, sollte das Spiel seines Lebens machen. Der 21-jährige Karabatic und der "alte Norweger", wie sich Hagen (31) gerne selbst nennt, rissen den THW-Schal noch aus dem Feuer. Mattias Andersson kam für Fritz, vernagelte sein Tor und endlich fanden die Kieler auch den Mut, den schnellen Pass mit einem Schuss Risiko zu spielen. Sie trugen die Köpfe oben, sie waren endlich wieder die Heimmannschaft. 40 Minuten lang spukte das jüngste Desaster in ihren Köpfen herum, diese endlose Niederlagenserie gegen den Erzrivalen, die nun schon seit dreieinhalb Jahren kein Ende finden will. Kein Wunder, schließlich fließt auch durch ihre Adern kein Maschinenöl. Zehn Minuten vor dem Ende hämmerte Mattias Andersson den Ball über das ganze Feld, fand Henrik Lundström und der eiskalte Schwede traf mit einem seiner sieben Tore zum 24:23 für Kiel. Die Halle stand auf dem Kopf, die Spieler rissen die Arme hoch - nun schien alles möglich.
Jede andere Mannschaft wäre nun eingeknickt, nicht die Flensburger. Sie hatten früh den Ausfall ihres Kapitäns Sören Stryger (Risswunde im Mittelfinger) verkraftet und auch in dieser unglaublichen Schlussphase bewiesen sie Moral. Michael Knudsen traf zum 28:28 - Verlängerung. Kiel zog in einem furiosen Endspurt auf 34:29 davon, doch die müden Flensburg robbten sich im Nahkampf noch einmal heran - 34:32. Dann hielt Andersson gegen Boldsen, Lundström, dem nun alles gelang, schloss einen Tempogegenstoß erfolgreich ab und der Rest war ein einziger schwarz-weißer Freudentaumel. "Schade Flensburg, alles ist vorbei", skandierten die Kieler, die es nun schon minutenlang nicht mehr auf den Sitzen hielt. Und sie hatten Recht. Aber auch die famose Mannschaft aus Flensburg hätte es verdient gehabt, weiter um den Pokal mitspielen zu dürfen.
(Von Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 27.09.2005)
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