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Uwe Schwenker: "Von meiner Mannschaft erwarte ich mehr Leidenschaft."
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Aus den Kieler Nachrichten vom 27.09.2005:
Die jüngste
Niederlage (33:39) in Flensburg
hat bei THW-Manager
Uwe Schwenker Zweifel geweckt,
ob seine Mannschaft überhaupt in der Lage ist, den Erzrivalen zu besiegen.
Die nächste Gelegenheit, Derby-Geschichten endlich einmal wieder mit einem
neuen Ende zu versehen, bietet sich heute Abend: In der zweiten DHB-Pokal-Runde
erwartet Kiel die SG Flensburg (siehe
Vorbericht, 20 Uhr, live im DSF).
- Kieler Nachrichten:
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Der THW Kiel stand bei der 33:39-Niederlage in Flensburg von Beginn an auf
verlorenem Posten. Wie können Sie sich das erklären?
- Uwe Schwenker:
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Es stimmt, wir waren wirklich chancenlos. Anfang der zweiten Halbzeit
habe ich noch einmal kurz an eine Wende geglaubt. Doch dann haben
wir schnell einige "big points" vergeben. Danach habe ich nur noch
auf die Uhr geblickt und gehofft, dass dieses Spiel ganz schnell
vorbei ist.
- Kieler Nachrichten:
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Der THW war zuvor in der Bundesliga ein Jahr lang ungeschlagen und hatte die letzten 17
Spiele gewonnen. Am fehlenden Selbstbewusstsein kann es
nicht gelegen haben.
- Uwe Schwenker:
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Hat es auch nicht. Wir sind mit breiter Brust nach Flensburg gefahren.
Uns fehlte von Beginn an einfach die nötige Leidenschaft, dieses Spiel
auch unbedingt gewinnen zu wollen. Alle Flensburger - Spieler, Zuschauer
und auch das ganze Umfeld - waren bis in die Haarspitzen motiviert. Die
waren so heiß, dass man auf ihnen ein Spiegelei hätte braten können.
Uns allen fehlte diese Extraportion Adrenalin.
- Kieler Nachrichten:
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Warum können die Kieler in diesem Derby diese Emotionen
nicht entwickeln?
- Uwe Schwenker:
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Auch ich habe keinen Schaum vor dem Mund, wenn wir gegen Flensburg
spielen. Das ist bei denen anders. Für uns ist ein Derby nur ein
wichtiges Spiel von vielen, für die SG ist es immer das Spiel des
Jahres. Die Situation ist doch die, dass wir klar die Nummer
eins sind und Flensburg die Underdogs. Daran wird sich auch nichts
ändern, egal wie viele Meisterschaften die SG noch gewinnt. Aus
dieser Rollenverteilung lassen sich wunderbar Emotionen schüren.
Und, das muss man den Flensburgern lassen, das Feindbild "THW Kiel" inszenieren
sie perfekt. Der Hass auf den Klassenfeind wird von Generation
zu Generation weitergegeben. Ich habe neulich im Urlaub eine
Familie aus Flensburg getroffen. Alles SG-Fans. Die Mutter hat
mir ganz stolz erzählt, dass die letzten Worte ihres Sohnes
vor dem Einschlafen "Scheiß THW" waren.
- Kieler Nachrichten:
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In dem Spiel wurde aber auch deutlich, dass dieser THW-Mannschaft
die Typen fehlen, um den Flensburgern auch ohne
Ball die Stirn zu bieten.
- Uwe Schwenker:
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..es sind zumindest nicht viele. Henning Fritz
kann eine Mannschaft mitreißen, Nikola Karabatic
wird es einmal können. Noch ist er aber zu jung dafür.
Viktor Szilagyi ist auch so ein Typ,
aber der ist noch zu neu im Team, um eine solche Rolle jetzt
schon zu übernehmen. Wir haben viele gute Handballer, aber
in den speziellen Spielen gegen Flensburg fehlen uns Figuren,
wie die SG sie mit Jonny Jensen und Joachim Boldsen hat.
Ein Demetrio Lozano hätte Jensen
gestoppt, als der sich vor unserer Bank mit geballten Fäusten
aufgebaut hat. Das war im letzten Jahr in Flensburg aber nicht
anders. Da hat mich Staffan Olsson
aus Schweden angerufen und gemeint, er wäre am Bildschirm heißer
gewesen als unsere Jungs.
- Kieler Nachrichten:
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Bräuchte der THW also einen "bad boy" für die grobe Arbeit?
- Uwe Schwenker:
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Gegen Flensburg könnte das helfen. Wir haben durch die Bank
zu brave Jungs. Aber uns geht es nicht in erster Linie um
Flensburg. In der letzten Saison haben wir sie auch nicht
besiegt und sind trotzdem Meister geworden. Wir wollen Titel
gewinnen - und dafür haben wir genau die richtigen Leute geholt.
- Kieler Nachrichten:
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Am Sonnabend kochte die Campushalle schon, bevor die ersten
Bälle geworfen wurden. Was erwarten Sie vom Kieler Publikum?
- Uwe Schwenker:
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Wir alle müssen heute Abend zeigen, dass wir uns nicht die Butter
vom Brot nehmen lassen. Es kann nicht sein, dass die SG mit
1000 Fans anrückt und die Ostseehalle trotzdem fest in ihrer Hand
ist. Von meiner Mannschaft erwarte ich mehr Leidenschaft.
Wenn der Wille nicht da ist, dann hilft auch die beste
Taktik der Welt nichts.
(Aus den Kieler Nachrichten vom 27.09.2005, das Interview führte Wolf Paarmann)