Aus den Kieler Nachrichten vom 30.06.2006:
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Thierry Omeyer: "Ich bin total glücklich,
dass ich hier spielen durfte."
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Montpellier - Ursprünglich war Frankreichs Handball-Torhüter Nummer eins,
Thierry Omeyer, bis 2009 vertraglich an seinen
Klub Montpellier HB gebunden. Eine Option, die ein vorzeitiges Aussteigen
bei Zahlung einer gewissen Ablösesumme ermöglichte, rief Begehrlichkeiten
beim THW Kiel hervor.
Omeyer entschied sich nach
der Anfrage spontan und unterschrieb einen Vier-Jahres-Vertrag ab Juli 2006
bei den Zebras. Der amtierende Europameister stellte sich in Montpellier
den Fragen der Kieler Nachrichten.
- Kieler Nachrichten:
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Herr Omeyer, nach sechs Jahren Montpellier nehmen
Sie eine neue Herausforderung beim deutschen Meister THW Kiel an. Alles ging
sehr schnell. Sind Sie und Ihre Familie darauf eingerichtet?
- Thierry Omeyer:
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Es stürzt wirklich viel auf mich, meine Frau Laurence und unsere Tochter Manon
ein. Im Dezember hatten wir uns gerade erst ein Haus in Montpellier gekauft.
Es gibt viel zu tun, Wohnungssuche in Kiel, Umzug, eine Regelung finden für
unser Haus in Frankreich. Allerdings steht schon fest, dass wir es nicht
verkaufen, sondern vermieten wollen. Keiner weiß, was die Zukunft bringt,
aber es ist schön zu wissen, dass man an diesen schönen Ort zurückkehren
kann.
- Kieler Nachrichten:
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Omeyer ist kein typischer französischer Name,
und bei Ihrem Spitznamen "Titi" senden deutsche
Ohren Signale ans Hirn, die eher auf weibliche Geschlechtsmerkmale hinweisen.
Klären Sie uns über Aussprache und Bedeutung auf?
- Thierry Omeyer:
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Kein Problem. Tatsächlich ist Omeyer untypisch
für Frankreich, aber ich bin in Mühlhausen im Elsass geboren, das hat auch
deutsche Wurzeln. Der Name dürfte aus dieser Ecke kommen. Lautsprachlich hört
er sich an wie "Ööhmeejeehr". In Kiel dürfen die Leute aber auch gerne Oh,
Meyer sagen. Und "Titi" ist schlicht der gängige
Kosename für Thierry. So nennen mich fast alle in Frankreich.
- Kieler Nachrichten:
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Beim THW ist die Amtssprache Deutsch, darauf legt Trainer
Noka Serdarusic großen Wert. Zurzeit kommt Ihr
Deutsch ziemlich holprig daher. Laufen Sie ab sofort mit dem Übersetzungswerk
Französisch/Deutsch unter dem Arm herum?
- Thierry Omeyer:
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Natürlich gilt mein Augenmerk primär dem Erlernen der neuen Sprache. In der
Schule habe ich sieben Jahre lang Deutsch gehabt. Aber das liegt so lange
zurück, das meiste habe ich vergessen. Verstehen kann ich allerdings fast
alles, es wird keine Probleme geben. In der Halle komme ich mit der
Handballsprache gut weiter. Also mit Händen, Füßen und Andeutungen. Das
verstehen alle. Stützen werde ich mich aber auf die Sprachschule, die der
THW anbietet. Da zudem Laurence sehr gut Deutsch spricht, intensivieren wir
das auch zu Hause. Nikola Karabatic hat schon nach
einem halben Jahr sehr ordentlich Deutsch gesprochen, da möchte ich auch
hinkommen.
- Kieler Nachrichten:
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Barcelona liegt knapp zweieinhalb Autostunden von Montpellier entfernt. Ihnen
lag auch ein Angebot vom FC vor, diesem sehr renommierten Klub. Warum haben
Sie sich gegen Barca und für den THW entschieden?
- Thierry Omeyer:
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Kiel und die Handball-Bundesliga gelten in Handballerkreisen als größte
Herausforderung schlechthin. Jedes Heimspiel vor der Kulisse von 10 000
begeisterten Zuschauern zu spielen, das ist ein echter Traum. Hinzu kommen
die Auswärtsspiele, die fast alle ausverkauft sind, und das bei
Hallenkapazitäten wie Köln mit fast 20 000, oder Kronau mit 14 000 und
Hamburg mit 12 000 Plätzen. In Montpellier hatten wir zwar auch oft 3000
Fans und eine volle Halle, aber auswärts gab es meistens Trauerspiele. Es
kamen nur 600 oder weniger Zuschauer. Abgesehen von den Fans ist die
Bundesliga vor allem sportlich höchst reizvoll, die beste Liga der Welt.
- Kieler Nachrichten:
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Sie waren 2001 Weltmeister, sind aktueller Europameister und haben mit
Montpellier die Champions League gewonnen. Welcher Titel ist Ihnen am
wichtigsten?
- Thierry Omeyer:
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Alle haben für mich einen besonderen Stellenwert. Dennoch ist der
EM-Gewinn aus diesem Jahr mein schönster Erfolg.
Ich war die klare Nummer eins und wurde außerdem zum besten Torhüter
des Turniers gewählt.
- Kieler Nachrichten:
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In Kiel gibt es mit Henning Fritz und
Mattias Andersson bereits zwei überragende
Torhüter. Was erwarten Sie von dem Zusammenspiel mit den beiden?
- Thierry Omeyer:
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Ich habe Henning und Mattias
aus der Ferne beobachtet und weiß, dass beide vorzüglich sind. Vor allem ist
Henning seit der WM in Portugal 2003 jedem französischem Handball-Fan ein
Begriff. Unvergessen sind seine emotionsgeladenen Duelle mit Bertrand Gille.
Diese Aggressivität, das macht Henning stark, davon kann jeder Torhüter nur
lernen. Aber ich nehme die Herausforderung an und freue mich auf das
Zusammenspiel.
- Kieler Nachrichten:
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Aggressivität ist neben Reaktionsschnelligkeit auch Ihre große Stärke. Ihr
ehemaliger Mitspieler, Bruno Martini, soll Sie in Ihrer Spielweise sehr
beeinflusst habe?
- Thierry Omeyer:
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Das stimmt. Bruno kam eines Tages zu mir und sagte: "Thierry, wenn du ein
Tor kassiert, steckst du es einfach weg und nimmst die Schuld auf dich. Ein
Fehler! Nicht du bist Schuld, sondern deine Abwehr. Schreie sie an, bekomm
deinen Laden in den Griff und zeig dich." Diese Ratschläge habe ich verinnerlicht
und im Spiel umgesetzt. Ich bin mir sicher, dass es mich weitergebracht hat.
- Kieler Nachrichten:
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Sie sollen ein Handball-Besessener sein und sich alles ansehen, was es über
Ihren Sport zu sehen gibt.
- Thierry Omeyer:
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Das ist richtig. Ich lasse keine Sendung aus. Der Dienstag mit dem Spiel der
Woche beim DSF war immer ein Pflichttermin. Dabei habe ich auch die Bundesliga
und ihre Spieler kennen gelernt. Die einzelnen Wurfbilder sind bereits in
meinem Kopf gespeichert.
- Kieler Nachrichten:
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Sind Sie auch sonst ein Sportfreak?
- Thierry Omeyer:
-
Ja. Dabei haben wir in Frankreich das Glück, mit der L'Equipe eine tägliche
Sportzeitung lesen zu können. Die fresse ich auf, und die werde ich auch
täglich nach Kiel geliefert bekommen.
- Kieler Nachrichten:
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Wann kommen Sie nach Kiel?
- Thierry Omeyer:
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Nächste Woche mit Laurence. Dann schauen wir nach einer Wohnung oder einem Haus.
Anschließend geht's zurück nach Montpellier, um dort den Abgang zu organisieren.
Danach fahre ich gemeinsam mit Nikola per Auto nach Kiel.
Am 16. Juli ist erster THW-Treff. Ich habe gehört, dass wir die Saison mit Golfen
in Hohwacht beginnen. Ich treffe vermutlich keinen Ball, aber ich freue mich drauf.
(Das Interview führte Reimer Plöhn, aus den Kieler Nachrichten vom 30.06.2006)