Aus den Kieler Nachrichten vom 05.02.2007:
Mit dem fassungslosen Handball-Bundestrainer sprach Reimer Plöhn.
- Kieler Nachrichten:
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Herr Brand, wie oft haben Sie während der abgelaufenen WM-Tage
an den WM-Triumph von 1978 gedacht?
- Heiner Brand:
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Eigentlich nur dann, wenn ihr Journalisten mich daran erinnert habt.
- Kieler Nachrichten:
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Nun sind sie als Spieler und Trainer Weltmeister...
- Heiner Brand:
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... und kann es noch gar nicht richtig fassen. Ich habe vor drei
Wochen nicht für möglich gehalten, dass so etwas passieren kann.
- Kieler Nachrichten:
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Rekordquoten im Fernsehen, Menschenspaliere vor Ihrem
Mannschafts-Hotel, Partys in der Halle...
- Heiner Brand:
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... und das ist ein Traum. Was sich hier abgespielt hat, hat meine
Erwartungen weit übertroffen. Es war außergewöhnlich. Deutschland
hat erlebt, was für eine faszinierende Sportart der Handball ist.
Die Atmosphäre in den Hallen hat dazu beigetragen, dass wir Weltmeister
geworden sind. Und unsere Fans sind ebenfalls Weltmeister.
- Kieler Nachrichten:
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Nach dem verlorenen Spiel gegen Polen in der
Vorrunde meinten sie, dass Ihr Team zu brav sei. Was hat sich anschließend
geändert?
- Heiner Brand:
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Die Mannschaft hat an Selbstvertrauen gewonnen, ist in der
Außendarstellung eine andere als zu Beginn der WM.
- Kieler Nachrichten:
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Ein Verdienst auch von Christian Schwarzer?
- Heiner Brand:
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Seine Nachnominierung war ein Glücksfall. Sein bloßes Erscheinen,
seine Leistung, sein Engagement auf und neben dem Spielfeld - all
das hat geholfen. Wie es ohne Blacky gelaufen wäre, vermag ich
nicht zu sagen.
- Kieler Nachrichten:
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Sagen Sie bitte etwas zu den einzelnen Positionen im Team. Wie
wichtig waren die Torhüter, was haben die Spielmacher, was der
Rückraum bewirkt?
- Heiner Brand:
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Ich habe immer gesagt, dass die Torhüter den Unterschied zwischen
den nahezu gleichwertigen Mannschaften in der Weltspitze ausmachen.
Henning Fritz hat hier Tolles geleistet.
Was mich noch mehr freut, ist, dass er mit Johannes Bitter ein
großartiges Gespann bildet. "Jogi" hat Henning geholfen, wo er nur
konnte, so haben wir wieder den alten Fritz
erlebt. Bei den Kreisläufern gab es eine große Ausgeglichenheit.
Sebastian Preiß war in wichtigen Situationen
da, Klimowets hat sich eingebracht, außerdem war Schwarzer mit seiner
Erfahrung wichtig. Auf der Spielmacherposition war Markus Baur der
Leitwolf, der Etablierte. Michael Kraus ist nicht so klar in der
Spielführung, aber dynamischer und für den Gegner unberechenbarer.
Im Rückraum waren viele Dinge auf Pascal Hens zugeschnitten, Lars
Kaufmann erfüllte in vielen wichtigen Momenten seine Rolle als Joker
und Holger Glandorf bildete zusammen mit
Christian Zeitz ein kongeniales Duo auf
Halbrechts. Einer von beiden trifft immer. Dann die Außen: Alle drei,
Torsten Jansen, Florian Kehrmann und
Dominik Klein, gaben dem Team wichtige Impulse.
Jansen war zudem ein ganz starker Eckpfeiler in unserem Abwehrgebilde.
- Kieler Nachrichten:
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Sie haben die Mannschaft 1997 nach der verpassten WM-Qualifikation
übernommen. Was ist seitdem Ihr Leitfaden?
- Heiner Brand:
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Der Mannschaftsgeist, der Teamgeist ist das Wichtigste. Ein wenig
Egoismus muss sein, den braucht jeder, um da zu sein, wo er jetzt
ist. Grundsätzlich gilt aber: Für Egoisten habe ich in meinem Team
keinen Platz.
- Kieler Nachrichten:
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Der einstige Disziplin-Fanatiker Brand erlaubt seinen Spielern seit
2002 nach dem Erreichen des Halbfinales einen Besuch bei McDonalds,
außerdem haben Sie mit der Mannschaft getanzt. Was hat sich verändert?
- Heiner Brand:
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Aus sportwissenschaftlichen Gesichtspunkten ist der Besuch eines
Fast-Food-Restaurants sicher nicht sinnvoll, aber er ist wichtig für
den Teamgeist. Und getanzt habe ich schon lange nicht mehr. Deswegen
kam es dazu.
- Kieler Nachrichten:
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Ihr Vertrag als Bundestrainer läuft 2008 aus. Wäre jetzt nicht
ein guter Zeitpunkt, um vorzeitig zu verlängern?
- Heiner Brand:
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Wir werden im Frühjahr über die Möglichkeiten sprechen.
- Kieler Nachrichten:
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Was erhoffen Sie sich an Nachhaltigkeit von diesem Triumph?
- Heiner Brand:
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Sie ist automatisch da, auch wenn die Begeisterung abflachen wird.
Ich glaube aber an eine sehr positive Entwicklung unseres Sports. Wir
haben ein Riesenpotenzial. Viele haben gesehen, wie faszinierend der
Handball ist. Über 60 Minuten hast du Action und Dynamik. Jetzt werden
viele Beteiligte gefordert sein.
- Kieler Nachrichten:
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Sie waren seit vier Monaten unterwegs, erst als Botschafter bei der
WM-Roadshow, jetzt als Bundestrainer. Geht es nächste Woche
in den Urlaub?
- Heiner Brand:
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Die nächsten Tage werde ich sicher noch einige Termine haben.
Dann muss ich aber abschalten. Wohin es geht? Keine Ahnung,
mal schauen, ob meine Frau irgendwo etwas gebucht hat.
(Mit Heiner Brand sprach Reimer Plöhn, aus den Kieler Nachrichten vom 05.02.2007)