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10.11.2007 Mannschaft

Kieler Nachrichten-Abpfiff: Von gehetzten Profis und entspannten Funktionären

Aus den Kieler Nachrichten vom 10.11.2007:

Sonnabend Auswärtsspiel in Lübbecke, Dienstag das intensive Heimspiel gegen Hamburg und 48 Stunden danach Champions League in Stockholm - spätestens nach dem 40:36-Sieg gegen die wackeren Schweden spürten die Profis des THW Kiel am ganzen Körper, wie sie ihre Brötchen verdienen. Als Handballer.
"Wir betreiben einen harten Kontaktsport, kein Ballett", sagt Kiels Rückraumspieler Nikola Karabatic. Die Sportler wissen, welche Begleiterscheinungen ihr Beruf mit sich bringt. Die Funktionäre, die den Terminkalender immer weiter aufblähen, aber offensichtlich nicht. Die Athleten gehen am Stock, die Verletztenlisten werden immer länger. Nicht, weil das Spiel zu hart geworden ist, sondern weil den Handballern zwischen den Spielen keine Zeit mehr für Regeneration und Aufbautraining bleibt. Wer in diesen Tagen Nationalspieler ist und rund 100 Pflichtspiele pro Jahr bestreitet, müsste sich aus gesundheitlichen Gründen eigentlich entscheiden, nur für seinen Verein zu spielen. Aber wer lehnt die Ehre ab, für sein Land zu spielen?

Also wird der Spagat gelebt. Die Folge: Wie ein Automotor ohne Öl quälen sich die Handballer durch einen Alltag, der ihnen eine Europa- und Weltmeisterschaft im jährlichen Wechsel und im olympischen Rhythmus sogar zwei Turniere innerhalb von sieben Monaten beschert. Kleinere Blessuren werden verschleppt. Leuchtet die Warnlampe auf, hilft kurzfristig der Griff zu Schmerzmitteln, der mehr und mehr zur Gewohnheit geworden ist.

Die EM im Januar 2008 in Norwegen beschert den Sportlern sieben Spiele in zehn Tagen. Eine Woche nach dem Finale wird der THW Kiel in der Liga beim SC Magdeburg erwartet. Ein lockeres Auslaufen sieht anders aus. Auf den letzten Spieltag am 17. Mai folgt ein Qualifikationsturnier für die Olympischen Spiele, deren Vorbereitung im Juli beginnen wird. Eine Woche nach dem Finale in Peking startet die neue Saison - und im Januar 2009 steht in Kroatien wieder eine Weltmeisterschaft an. Von den Funktionären ist wenig Hilfe zu erwarten. Die Europäische Handball-Föderation hat die Einrichtung eines Spielerforums gerade abgelehnt. Es fehlte die Zweidrittel-Mehrheit für eine Satzungsänderung.

Ein jahrelanges Betteln beim Weltverband brachte den Athleten lediglich einen freien Tag bei der WM ein. Auch die Vereine sehen die Welt durch ihre Brille. Die "Group Club Handball", der internationale Zusammenschuss 14 namhafter Klubs, wurde vor einem Jahr mit hohen Erwartungen gegründet. Erreicht hat die "G 14" noch nichts. Im Gegenteil: Die Champions League wurde um eine zweite Gruppenphase erweitert, in der nächsten Saison wird die Königsklasse mit einem Viertelfinale erneut um zwei Spiele aufgepustet. "Wir werden verheizt", schimpfte jüngst Pascal Hens, Weltmeister in Diensten des HSV Hamburg. Sein Trainer Martin Schwalb riet, endlich eine Spielergewerkschaft zu gründen.

Gäbe es eine, hätte sie folgende Wunschliste: 1. Ein Zurück zur "alten" Champions League. 2. Abschaffung der Vereins-EM. 3. Große Turniere nicht mehr als Kompaktkurs und nach dem Vorbild der Fußballer nur noch alle zwei Jahre. Auch um angesichts der Titelinflation eine Goldmedaille nicht zu verwässern. Wer weiß denn noch, wer 2006 Europameister wurde?

"Im Kollegenkreis wird darüber gesprochen, eine Gewerkschaft zu gründen", sagt Karabatic. "Das kann aber nur einer übernehmen, der nicht mehr aktiv ist." Denn merke: Auch für die Gründung einer Vereinigung fehlt die Zeit ...

(von Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 11.10.2007)


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