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Stimmung wie im Fußballstadion: grün-weiße Wand im Hovet.
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kuestentanne |
Der THW Kiel hat durch eine engagierte zweite Hälfte den schwedischen Meister Hammarby IF nach einem
Halbzeitrückstand letztlich verdient noch mit 40:36 (21:22) schlagen und damit den
vierten Sieg im vierten Spiel der
Champions-League-Gruppe B feiern können. Ein wiedererstarkter
Thierry Omeyer (18 Paraden), ein nach der Pause aufdrehender
Nikola Karabatic (9 Tore) und ein
Marcus Ahlm
in Weltklasse-Manier (13 Tore) waren die Garanten des Kieler Erfolges, der sich erst in
der Schlussviertelstunde abzeichnete.
Allerdings könnte der Sieg teuer erkauft gewesen sein. In der 56. Minute prallten
Christian Zeitz und
Nikola Karabatic auf der Jagd nach dem
Ball derart unglücklich zusammen, dass beide zunächst benommen liegen blieben. Totenstille in der
ansonsten stimmungsvollen und ausverkauften Hovet-Halle, Betreuer und
Mannschaftskollegen eilten hinzu,
Karabatics Schmerz verzerrtes Gesicht ließ ebenso wenig
Gutes erahnen wie das Heraushumpeln von
Zeitz. Beide wurden auf
der Bank an der Schulter behandelt, während die Team-Kameraden im Schockzustand die letzten
Minuten über die Zeit brachten. Wie ernsthaft die Verletzungen sind, wird sich erst am Freitag bei
einer Untersuchung in Kiel endgültig klären.
56 Minuten zuvor hatte alles noch auf ein Handballfest hingedeutet - 7800 Zuschauer in der bis auf den
letzten Platz besetzten Hovet-Halle entfachten eine Stimmung, wie man sie sonst nur aus Fußballstadien
her kennt. Gesänge, geschwenkte Schals, stehende Unterstützung auf den steilen Rängen - die
"Bajen"-Fans machten ihrem Ruf als beste - und faire - Fans Europas mal wieder alle Ehre.
Angetrieben von dieser tollen Stimmung zogen beide Teams von Beginn an ein atemberaubendes
Tempo auf. Keine Spur von Müdikeit bei den Zebras, die nach der
Niederlage gegen Hamburg ganze 45 Stunden Zeit für die Anreise und Vorbereitung
auf dieses wichtige Champions-League-Spiel hatten. Trotzdem wirkten die Gastgeber im Angriff
zunächst variabler, immer wieder taten sich in der Kieler Abwehr Lücken auf, in die
abwechselnd Kreisläufer Grundsten - der vom HSV Hamburg umworben sein soll - und
der rechte Rückraumspieler Johanson oder der überragende Mittelmann
Fredrik Larsson
stießen. Doch der THW hielt dagegen, ließ Hammarby nie mit mehr als einem Tor enteilen. Bis zur
10. Minute, in der
Karabatic das 8:7 für die Kieler erzielte...
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Vid Kavticnik kurz vor dem Verwandeln des einzigen THW-Siebenmeters.
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Katja Boll |
Tobias Karlsson, Johanson, Henricsson,
Larsson und Grundsten in Personalunion mit
tollen Paraden von Keeper Aström nutzten
eine vierminütige Auszeit des THW-Angriffs und der Zebra-Deckung und brachten den schwedischen Meister
mit 12:8 in Führung - Hovet stand Kopf, die Fans glaubten zu diesem Zeitpunkt erstmals an
eine Sensation. Gut nur, dass die inzwischen auf eine 5-1-Deckung umgestellte Kieler Abwehr fortan
besser mit den Angriffsbemühungen der Gastgeber zurecht kam,
Omeyer sein
Tief aus dem
Hamburg-Spiel endgültig überwunden hatte und im Angriff
die Anspiele auf den überragenden
Ahlm nicht zu verhindern waren: Er war es
auch, der die Kieler Torflaute beim 9:12 beendete und zur Aufholjagd blies.
Klein
mit einem tollen Tempogegenstoß brachte kurz darauf den THW beim 13:14 (18.) wieder in Schlagdistanz,
Kim Andersson erzielte beim 14:15 sein erstes Tor nach der
Verletzungspause. Als
Klein einen Tempogegenstoß per Heber abschloss,
war beim 16:16 die Partie wieder vollkommen offen (22.). Die Löcher in beiden Abwehrreihen blieben
allerdings - und so konnte sich keines der Teams absetzen.
Ahlm erzielte beim
20:20 bereits sein achtes Tor, aber Grundstens fünfter Treffer ließ "Bajen" mit einer Führung in die
Pause gehen: 22:21, 43 Tore. In dreißig Minuten...
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Auszeit: Anweisungen für den Endspurt.
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Katja Boll |
Aufregung dann vor dem Wiederanpfiff. Auf Seiten der Kieler Abwehr hatte sich etwa einen Meter
vom Siebenmeterstrich entfernt eine Welle im Hallenboden gebildet, doch die Schiedsrichter setzten
die Partie trotz der Stolperfalle fort - was in der Folge weniger die Kieler Abwehr, denn
den schwedischen Angriff zu irritieren schien. Der THW kam wesentlich aggressiver aus der Pause
zurück, hatte vor allem Grundsten nun besser im Griff. Dafür traf
Larsson aus allen Lagen - mit ein
Grund, warum sich keines der beiden Teams absetzen konnte, denn im Kieler Angriff
setzte nun einmal mehr
Nikola Karabatic die Ausrufezeichen.
Eine tolle Einzelaktion
Stefan Lövgrens brachte den 28:28-Ausgleich,
ein Steal mit anschließendem Tempogegenstoß von
Kavticnik die
erneute Führung, ein Billard-Tor von
Karabatic mithilfe des Pfostens und
der Rückenpartie von Aström gar das 30:28 (42.) - und das alles in weniger als 90 Sekunden.
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Marcus Ahlm nimmt die Ehrung zum besten Spieler der Partie entgegen.
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Katja Boll |
Omeyer nagelte nun seinen Kasten zu, hatte beim 30:31-Hüft-Kracher
von
Larsson aber auch keine Abwehrchance. Die 43. Minute war da angebrochen, vier Minuten
später erzielte
Karabatic die erste Drei-Tore-Führung des THW in
diesem Spiel. Hammarby-Coach
Olsson nahm eine Auszeit, doch stoppen
konnte er dadurch den Kräfteverschleiß seines Teams nicht mehr. Das hohe Tempo, mit dem
Hammarby die von der Terminhatz geplagte Kieler überlaufen wollte, forderte nun von
den Schweden ihren Tribut. In dieser Phase kam den Kielern zugute, dass sie bereits nach
zwanzig Minuten begonnen hatten, fast den gesamten Kader rotieren zu lassen, um dringend notwendige
Verschnaufpausen zu bekommen. Kurzum: Bei Hammarby schlichen sich mehr Flüchtigkeitsfehler ein,
die die Zebras letztlich konsequent ausnutzen konnten. Als
Kavticnik
nach 52 Minuten zum ersten und einzigen Mal zur Siebenmeterlinie schritt und souverän verwandelte,
freuten sich die Kieler über eine Fünf-Tore-Führung. Der Widerstand Hammarbys war aber erst
endgültig gebrochen, als
Karabatic in Unterzahl und trotz Manndeckung
das 37:33 erzielte (54.) - ehe
Zeitz und er mit den Augen nur
den Ball fixierten und es zum fürchterlich aussehenden Zusammenprall kam...
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Dank an die THW- und die fairen Hammarby-Fans.
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Katja Boll |
Dieser ließ beim THW Kiel überhaupt keine Freude über die vorzeitige Qualifikation für die
Hauptrunde aufkommen. Und auch die einwöchige Pause, die nach drei Spielen in sechs Tagen auch
dringend zur Regeneration benötigt wird, konnte die Mienen der Zebras kaum aufhellen, ist es
doch ungewiss, ob am kommenden Donnerstag gegen Montpellier HB
wieder alle gerade zurück gekehrten Rekonvaleszenten mit von der Partie sein können...
Im zweiten Spiel der Gruppe B gewann Montpellier HB (FRA) am
Samstag gegen die weiterhin sieglosen Rumänen von HCM Constanta mit 34:23 (17:10, siehe Extra-Bericht).
(Christian Robohm)
Ein besonderer Dank geht an den Forumsuser kuestentanne und Katja Boll für die Bereitstellung der Fotos!
Lesen Sie auch den Spielbericht der Kieler Nachrichten.
Es war ein schönes Handballspiel mit
zwei Mannschaften, die sich nicht versteckt
haben. Mit der ersten Halbzeit war
ich unzufrieden, weil meine Spieler ihren
Körper nicht eingesetzt haben.
Hammarby-Trainer Staffan Olsson gegenüber den KN:
In der zweiten Halbzeit wurden wir müde und
hatten Probleme mit Marcus Ahlm.
THW-Haupttorschütze Marcus Ahlm gegenüber den KN:
Gegen eine schwedische Mannschaft zu
spielen, war für mich besonders. Wir wollten
die Aufgabe gut lösen, was uns eigentlich nicht gelungen ist.
Die Stimmung hier war super.
Von 100 Spielen würden wir gegen den THW nur
ein oder zwei gewinnen. Die Kieler sind cool geblieben.
Zu den Kontakten mit der HSG Nordhorn::
Ja, es hat Gespräche
mit Nordhorn gegeben, und ich würde gern in der Bundesliga
spielen.
Hammarby-Spielmacher Fredrik Larsson gegenüber den KN:
Die kleinen Fehler haben heute das
Spiel ausgemacht.
- Hammarby IF (SWE ):
-
Aström (1.-48., 15 Paraden),
Olaussen (48.-60., 4 Paraden);
Karlsson (5),
Johansson (4),
Henriksson (3),
Apelgren,
Grundsten (6),
D. Baverud (4/2),
J. Baverud,
Larsson (8),
Tingsvall,
Eriksson,
Johannesson,
Höglund (6);
Trainer: Olsson
- THW Kiel:
-
Omeyer (1.-60., 18 Paraden),
M. Andersson (n.e.);
Lund,
Kim Andersson (2),
Lundström (2),
Kavticnik (5/1),
Anic (n.e.),
Lövgren (2),
Ahlm (13),
Szilagyi,
Zeitz (3),
Karabatic (9),
Klein (4);
Trainer: Serdarusic
- Schiedsrichter:
-
Kenneth Abrahamsen / Arne M. Kristiansen (NOR)
- Zeitstrafen:
-
Hammarby: 1 (Karlsson (33.)) ;
THW: 2 (Lund (29.), Zeitz (53.))
- Siebenmeter:
-
Hammarby: 2/2;
THW: 1/1
- Spielfilm:
-
1. Hz.: 1:0, 1:1, 4:4 (5.), 7:7 (9.), 7:8 (10.), 12:8 (14.), 12:10, 13:11 (17.), 15:13 (19.), 16:14, 16:16 (22.),
18:18, 20:20 (27.), 20:21, 22:21;
2. Hz.: 23:21, 23:23 (32.), 26:26 (38.), 28:27 (38.), 28:30 (42.), 30:31, 30:33 (47.), 31:34,
31:36 (52.), 33:36 (53.), 33:38 (57.), 34:39 (58.), 36:40.
- Zuschauer:
-
7800 (ausverkauft) (Hovet, Stockholm (SWE))
Die Umfragen sind nicht mehr verfügbar.
Die fünf deutschen Teams im
EHF-Pokal und
Pokalsieger-Cup haben noch immer spielfrei und
werden erst am 17./18. November auf europäischer Eben aktiv.
In der
Gruppe E hat der HSV Hamburg am Samstag den Einzug
in die nächste Runde fast klar gemacht. Vor 3200 Zuschauern in der Alsterdorfer Sporthalle reichte
es für den HSV gegen den zweitplazierten russischen Meister Chehovski Medvedi Moskau
allerdings nur zu einem 32:32 (16:16)-Unentschieden. Mit nunmehr 7:1 Punkten führt Hamburg
die Tabelle an.
In der Gruppe G hatte die SG Flensburg-Handewitt große
Probleme mit Drammen HK aus Norwegen - am Ende reichte es jedoch noch zu einem
knappen Erfolg. Zur Pause lagen die Flensburger mit 14:16 zurück - das Aus in der Vorrunde
drohte, die Fans pfiffen gnadenlos. Nach sechzig Minuten hatte Flensburg den Kopf aber noch
einmal aus der Schlinge genommen und mit 30:28 (14:16) gesiegt.
Eine Parade von Nandor Fazekas in der letzten Sekunde dürfte für den VfL Gummersbach Gold wert sein,
denn so reichte es beim ungarischen Meister MKB Veszprem trotz eines zwischenzeitlichen Acht-Tore-Rückstandes
immerhin noch zu einem 35:35 (16:20). Der VfL führt damit weiterhin die
Gruppe F ungeschlagen mit 7:1 Punkten an.
Alle Ergebnisse des CL-Spieltages finden Sie hier.
Aus den Kieler Nachrichten vom 09.11.2007:
Kraftakt: "Zebras" drehten am Ende den Spieß noch um
Champions League: Hammarby IF beim 40:36-Erfolg des THW Kiel ein starker Gegner
Stockholm - Wie ein Raumschiff glüht der Stockholmer
Globen weiß und rund in der frostigen Stockholmer
Nacht. In einem Seitenarm spielte sich gestern Abend
Tempohandball der Extraklasse ab, der Kondenswasser
perlen ließ. Nach 60 illustren Minuten hatte der
THW Kiel in der Champions League durch ein 40:36 (21:22) beim schwedischen
Meister Hammarby IF die zweite Gruppenphase der
Champions League erreicht.
"Just idag är jag stark, just idag mar jag bra" - "Heute fühlen
wir uns stark, heute fühlen wir uns gut", skandierten die grünweißen 7800 vor dem Anpfiff,
zauberten Gänsehaut-Flimmern in die geladene Atmosphäre.
Sie sollten nicht zu viel versprechen. THW-Trainer
Noka Serdarusic sprach später von
"Power im Angriff", mit dem das Team des Ex-"Zebras" Staffan Olsson
die Kieler Abwehr zusehends vor Probleme stellte.
Nicht immer stimmte die Zuordnung in der Deckung, die
zwischenzeitlich mit einer 5:1-Formation mit Dominik Klein
an der Spitze operierte.
Und selbst wenn, waren die Stockholmer kaum zu bändigen,
stürmten besonders auf der rechten Seite immer wieder in
die gegnerischen Reihen, pressten, strahlten Entschlossenheit
aus. 30 Minuten lang entwickelte sich ein Kampf mit offenem
Visier, der in ein 22:21 zur Pause mündete. Und das, obwohl sowohl
Thierry Omeyer im Kieler Tor als auch Michael Aström
zwischen den schwedischen Pfosten jeweils elfmal parierten.
"Das war ein viel härteres Tempo als in der schwedischen
Liga", musste auch Hammarbys Fredrik Larsson eingestehen. Ein Tempo, dem sein Team im
zweiten Abschnitt mit zunehmender Dauer Tribut zollen
musste.
Im Angriff glänzte an diesem Tag besonders ein Schwede -
THW-Kreisläufer Marcus Ahlm. Von seinen Mitspielern
gut in Szene gesetzt, traf er 13-mal, hielt seine Mannschaft mit
acht Treffern vor der Pause im Spiel, als Viktor Szilagyi früh
Stefan Lövgren ablöste und
nicht nur das formidable Kreisläufer-Spiel ein Indiz dafür war,
dass an diesem Tag im Gegensatz zum HSV-Spiel am Dienstag
nicht die Brechstange, sondern taktische Mittel zum Erfolg
führen sollten. Und doch blieb die Partie bis zum 30:31
(43.) offen.
Dann stellte Serdarusic die Abwehr noch einmal um,
Ahlm und Börge Lund tauschten Positionen.
Im Zusammenspiel mit Nikola Karabatic, der heute
konsequent und doch besonnener als zuletzt auftrat, packte
Lund, auf dessen linker Abwehrseite
zuvor Lücken geklafft hatten, in der Mitte beherzt zu,
verriegelte den Weg der Schweden. Der THW zog auf 36:31(52.)
davon und hatte durch diesen doppelten Punktgewinn die
zweite Gruppenphase erreicht. Ein Erfolg, den auch die leidenschaftlichen
Schweden und ihre am Ende trotzdem feiernden Fans allemal verdient hätten.
"Ja, wir haben jetzt gegen Montpellier eine realistische
Chance", glaubt Fredrik Larsson.
Einzig der Preis, den der THW für diesen nächsten Schritt in
der "Königsklasse" zu bezahlen hatte, stand nach einer Schrecksekunde
in der 56. Spielminute, noch nicht fest. Beim Zurücklaufen
waren Christian Zeitz
und Karabatic in hohem Tempo
zusammengestoßen, blieben verletzt liegen, hielten sich
Schulter und Arm. Die beiden griffen nicht mehr ins Geschehen
ein. Draußen dampfte frostig der Atem im kalten Stockholm.
Plötzlich wirkte die Kulisse des Globen mit ihren starrenden
Bullaugen bedrohlich an einem Abend, an dem 7800 ein
Fest gefeiert hatten, dessen Konsequenzen für den THW
noch nicht absehbar sind.
(von Tamo Schwarz, aus den Kieler Nachrichten vom 09.11.2007)