THW-Logo
21.11.2007 Bundesliga

Kieler Nachrichten: Die veränderte Handball-Welt

THW stößt an seine Grenzen - andere Clubs nicht

Aus den Kieler Nachrichten vom 21.11.2007:

Kiel - Früher, das ist in der Handball-Bundesliga noch nicht lange her. Im Mai 2002 feierte der THW Kiel seine zehnte Meisterschaft, der TBV Lemgo spielte brav in der Lipperlandhalle, die Rhein-Neckar-Löwen dümpelten als SG Kronau zahnlos in der Zweiten Liga und den HSV Hamburg gab es noch gar nicht. Fünf Jahre später hat sich die Welt verändert.
Der THW, inzwischen Rekordmeister, ist zwar noch immer das Aushängeschild einer boomenden Sportart. Doch die Konkurrenz ist stärker denn je. "Sportlich können wir noch mithalten", sagt THW-Manager Uwe Schwenker, "wirtschaftlich haben uns einige Vereine überholt." So wie der TBV Lemgo, der seine Zukunft Ende August in die Hände der heristo AG gab, einem der größten Produzenten für Heimtiernahrung in Europa (1,6 Milliarden Euro Jahresumsatz). ProVital, eine der zahlreichen Marken des Sponsors, der einen Vier-Jahres-Vertrag unterschrieb und kurzfristig 1,6 Millionen Euro zur Verfügung stellt, sollte sogar Bestandteil des Vereinsnamens werden. Doch die Handball-Bundesliga (HBL) lehnte "TBV ProVital Lemgo" ab. Eine derartige Umbenennung, so HBL-Geschäftsführer Frank Bohmann, gäben die Statuten nicht her. Noch nicht.

Der Traditionsverein zahlte dennoch einen Preis: So sitzen im siebenköpfigen Aufsichtsrat nun vier heristo-Vertreter und Ralf Weber, der Sohn des Textilunternehmers Gerry Weber, der in Halle das gleichnamige Stadion bauen ließ, in dem der TBV am Sonntag Kiel (28:35) unterlag. Weber Senior war es auch, der Michael Kraus von Göppingen nach Ostwestfalen lockte. Der Shooting-Star der WM und ehemalige "Bravo Boy des Jahres" darf als Model die neue Herrenmode der Firma Gerry Weber präsentieren, deren Börsenwert auf 528 Millionen Euro taxiert wird.

Geld spielt auch in Mannheim keine Rolle. Dietmar Hopp, einer der fünf SAP-Gründerväter und mit einem Privatvermögen von 1,2 Milliarden Euro einer der reichsten Männer der Welt, unterstützt neben Eishockey-Meister Adler Mannheim und dem Fußball-Zweitligisten TSG Hoffenheim auch die "Rhein-Neckar Löwen". Sohn Daniel sitzt im Wirtschaftsbeirat des Handball-Bundesligisten, der in der hochmodernen SAP-Arena spielt. "Die Halle hat Dietmar Hopp bar bezahlt", weiß Geschäftsführer Thorsten Storm, "hier sind ein paar Mark und viel Sachverstand zu Hause." Für die finanzstarken "Löwen" ist es auch keine Hürde, mit Grzegorz Tkaczyk und Karol Bielecki zwei polnische Vizeweltmeister kurzfristig beim SC Magdeburg auszulösen und die Gehälter (jeweils rund 300 000 Euro brutto) zu übernehmen. Auch beim HSV Hamburg, der von seinem Präsidenten, dem Ahrensburger Geschäftsmann Andreas Rudolph ("Ich bin ein Handball-Verrückter"), jährlich mit zwei Millionen Euro gespeist wird, ist nach turbulenten Jahren und der Verpflichtung von Manager Peter Krebs, dessen Vertrag gestern vorzeitig um zwei Jahre bis 2010 verlängert wurde, Ruhe eingekehrt. Zudem sind die Rahmenbedingungen erstklassig. So entsteht neben der Color Line Arena eine weitere Halle (Baukosten zwölf Millionen Euro), die der Vizemeister ab Herbst 2008 als Trainingsstätte nutzen kann.

Im Bezahlen von Ablösesummen zählt der THW, der in den letzten zwei Jahren rund 1,5 Millionen Euro an andere Klubs überwies, zwar zu den Hechten im Karpfenteich. Doch während Lemgo, Mannheim und Hamburg immer größere Schecks ausstellen, scheint der THW (Etat 6,6 Millionen Euro) an seine Grenzen zu stoßen. Mit einer stets ausverkauften Halle und Ticketpreisen, die jüngst um satte elf Prozent erhöht wurden, hat der Meister sein Zuschauerpotenzial ausgeschöpft. Und von den Fernsehanstalten (pro Jahr rund 70 000 Euro) ist kein Geldsegen zu erwarten. "Für uns ist es deshalb lebensnotwendig, dass wir uns für die Champions League qualifizieren", weiß Schwenker, der hier in der vergangenen Saison allein an Prämien 515 000 Euro verdiente. "Wenn wir an der Spitze bleiben wollen, müssen wir uns bald etwas einfallen lassen. Sonst spielen wir in ein paar Jahren nur noch um Platz vier."

Hoffnungen, Hauptsponsor Provinzial (Vertrag bis 2010/angeblich 350 000 Euro plus Prämien im Jahr) würde sich vorzeitig beim Ligakonkurrenten SG Flensburg-Handewitt (2009/angeblich 300 000 Euro plus Prämien) verabschieden, um den THW stärker zu unterstützen, entbehren jeder Grundlage. Die Provinzial ist zwar gewillt, ihr Engagement bei der SG deutlich zu reduzieren. Doch das eingesparte Geld, so war aus Unternehmenskreisen zu hören, würde auf keinen Fall in die Kasse des Triple-Gewinners fließen.

(von Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 21.11.2007)


(21.11.2007) Ihre Meinung im Fan-Forum? Zur Newsübersicht Zur Hauptseite