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22.04.2008

Kieler Nachrichten: Viktor Szilagyi erinnert sich an das "TUSEM-Wunder von Oberhausen"

Viktor Szilagyi erinnert sich an den EHF-Cup-Triumph des TuSEM Essen, der morgen in Kiel zu Gast ist

Aus den Kieler Nachrichten vom 22.04.2008:

Essen - Mai 2005. TuSEM Essen verliert das Final-Hinspiel im EHF-Cup in Magdeburg mit 23:31 und dreht im Rückspiel (31:22) den Spieß noch um. Viktor Szilagyi, heute THW Kiel, war dabei und erinnert sich vor dem morgigen Heimspiel des Handballmeisters gegen Essen (20.15 Uhr, siehe Vorbericht) an das "Wunder von Oberhausen".
Den Grundstein für diesen Erfolg haben wir schon bei der Rückfahrt aus Magdeburg gelegt. Wir waren riesig enttäuscht, aber irgendwann saßen alle hinten im Bus zusammen, tranken Bier und "Pino" (Dimitri Torgowanow, Anm. der Red.) hat uns heiß gemacht. Er war unser Kapitän, konnte wegen einer schweren Schulterverletzung aber kaum mitspielen. Ich erinnere mich noch, dass im Bus irgendwann Trainer Juri Schewzow zu uns kam. Er hatte überhaupt kein Verständnis dafür, dass wir nach einer so klaren Niederlage so guter Stimmung sein konnten. Er hat nicht verstanden, dass sich bei uns in diesen Minuten eine Aufbruchstimmung breitgemacht hatte.

Zurück in Essen sind wir direkt in unsere Stammdisco gezogen. Da wir in Trainingsklamotten unterwegs waren, nahmen uns auch noch die Medien in die Mangel. Motto: Was für eine komische Truppe. Der Verein geht am Stock und die Spieler feiern. Aber wir waren ein verschworener Haufen. Ähnlich wie die heutige THW-Truppe. Juri hatte die Mannschaft mit Auge zusammengestellt, der Kern spielte schon drei, vier Jahre miteinander. Einen Titel hatten wir bis dahin nicht gewonnen, obwohl wir immer als Geheimfavorit gehandelt wurden. Wir alle wollten deshalb diesen Cup. Es wäre für jeden von uns der bis dato größte Erfolg als Vereinshandballer gewesen. Die Gerüchte, dass der TuSEM in Schwierigkeiten steckte, hatte uns nur noch enger zusammenrücken lassen. Ich hatte meinen Vertrag im Januar gerade um zwei Jahre verlängert und in diesem Monat blieb erstmals das Gehalt aus. Aber alle glaubten, dass es irgendwie weitergehen würde. Auch deshalb wollten wir den Titel. Vielleicht, so dachten wir, ließe sich so ein Sponsor gewinnen. In der Woche vor dem Rückspiel haben wir trainiert wie die Verrückten, uns nur auf dieses Spiel konzentriert. Es hat kaum einer für möglich gehalten, dass wir es schaffen können. Die Arena in Oberhausen war nicht ausverkauft, die Stimmung zunächst mau. Aber von Minute zu Minute wuchs die Gewissheit, dass es klappen könnte. Bei uns und bei den Fans.

Wir hatten auch gehört, dass die Magdeburger bei ihrer Rückkehr im Rahmen eines Stadtfestes gefeiert werden sollten. Als Cup-Sieger, von mehr als 20 000 Leuten. Das hat uns zusätzlich motiviert, schließlich war bei uns gar nichts organisiert. Es gab zwar Sieger-Shirts, aber da standen beide Namen drauf. Die hätten auch die Magdeburger anziehen können. In der letzten Minute führten wir 30:22, als Stefan Kretzschmar viel zu früh abschloss und das Tor verfehlte. Oleg Velyky warf den Ball durch Freund und Feind quer über das Feld zum eingewechselten Torgowanow, der mit seiner kaputten Schulter gar nicht springen und auch nicht werfen konnte. Der fiel einfach um und rollte den Ball irgendwie ins Tor - wir hatten gewonnen!

Anschließend haben wir uns ins Stahlbuch der Stadt Essen eingetragen, der Oberbürgermeister hat uns Mut gemacht, schließlich wurden die Gerüchte immer lauter, dass der Verein keine Lizenz bekommen würde. Ende Mai haben wir uns in den Urlaub verabschiedet und noch geglaubt, dass uns irgendwann schon der neue Trainer anrufen würde. Schewzow hatte im Januar bei den Rhein-Neckar Löwen unterschrieben. Aber Ende Juni rief mich der Manager an und sagte, dass Essen in der nächsten Saison in der Regionalliga spielen würde. Direkt nach dem Gespräch habe ich das Angebot des THW unterschrieben und nach Kiel gefaxt.

(Von Viktor Szilaygi, aus den Kieler Nachrichten vom 21.04.2008)


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