Der Termin-Wahnsinn geht am Mittwoch in die nächste Runde: Nur vier Tage nach
dem
32:27-Arbeitssieg gegen den TBV Lemgo müssen die
Zebras erneut auf die Platte. Zu Gast ist mit TUSEM Essen ein Traditionsverein, der nach
dem Zwangsabstieg in die dritte Liga den Durchmarsch in die Bundesliga startete und
in seiner ersten Saison in der Beletage des deutschen Handballs wieder mit dem
Rücken zur Wand steht. Anpfiff in der ausverkauften Sparkassen-Arena-Kiel ist um 20.15 Uhr,
für das Spiel gelten die Karten mit der Aufschrift
"Düsseldorf oder Aufsteiger". Die Kieler Nachrichten bieten unter
www.kn-online.de einen Live-Ticker an.
Keine Frage: TUSEM steckt in seiner ersten Saison im Bundesliga-Oberhaus wieder
mitten im Abstiegskampf, konnte sich jedoch am vergangenen Sonntag ein wenig Luft verschaffen.
In einer dramatischen Partie schlug der kommende THW-Gegner die Füchse Berlin
mit 31:30 - die Punkte 14 und 15 auf der Habenseite der Essener könnten sich in den kommenden
harten Wochen noch als ganz wichtig heraus stellen, verließen die Nordrhein-Westfalen
doch dadurch zunächst einmal wieder die direkten Abstiegsplätze. Schaut man auf die
Tabelle der TOYOTA HBL, dann erkennt man aber auch, dass
es für TUSEM trotz der Siege über Minden, Wilhelmshaven und Berlin, der Unentschieden
gegen Lübbecke und vor allem in der Köln-Arena beim VfL Gummersbach
noch ein weiter Weg bis zum Klassenerhalt sein wird.
|
Blieb trotz Zwangsabstieg seinem TUSEM treu: Spielmacher Sergio Ruiz Casanova.
|
Dabei setzte die Mannschaft anfangs noch zwei sportliche Ausrufezeichen
in der kleinen, engen Sporthalle "Am Hallo", wo der TUSEM seit zwei Jahren
seine Heimspiele austrägt: Beim 35:30-Sieg über die Rhein-Neckar Löwen
und dem in letzter Sekunde errungenen Unentschieden gegen die SG Flensburg-Handewitt
wuchs das Team jeweils über sich hinaus, doch mit elf Niederlagen in Folge kehrte
man schnell auf den harten Boden der Handball-Realität zurück. Nur sieben
Punkte bis zur
EM-Pause, aber immerhin aufsteigende
Tendenz mit abschließenden Siegen in Melsungen und gegen Magdeburg - die
Hoffnung auf den Klassenerhalt blieb (siehe auch
Gegnerkurve Essen), obwohl sich die Tabellennachbarn
noch einmal massiv verstärkten, während der TUSEM auf seinen
Kader der
Hinrunde baut, den wir ihnen bereits im
Vorbericht zum Hinspiel
ausführlich vorstellten. Bester Torschütze ist Urgestein Mark Schmetz mit 168/73 Treffern, was ihn
auf Platz acht der Bundesliga-Torschützenliste hievte. Ihm folgt mit 118 Feldtoren
Evars Klesniks und damit ein weiterer Akteur, der schon 2005 mit
Viktor Szilagyi zusammen den EHF-Pokal ins Ruhrgebiet holte
(siehe auch
Gegnerkader TUSEM Essen).
Die finanziellen Möglichkeiten für Neuzugänge in der
EM-Pause waren in Essen aber schlichtweg nicht vorhanden. Während die
Konkurrenz aufrüstete, bedeuteten Abfindungen für die abgewanderten Spieler
Eryk Kaluzinski (Eintracht Hildesheim)
und Halldor Sigfusson (zurück nach Island) sowie ein etwas unter der
Kalkulation liegender Zuschauerschnitt gar eine leichte
finanzielle Schieflage, die die Alarmglocken in der durch den Zwangsabstieg gebrannten
Stadt laut schlagen ließen.
|
Essens Neu-Trainer Krzysztof Szargiej lässt TUSEM vom Klassenerhalt träumen.
|
Die Unruhe im Verein vergrößerte sich weiter, als Trainer Jens Pfänder am 22. Januar
beurlaubt wurde, doch die Neubesetzung des Postens durch das Essener Urgestein
Krzysztof Szargiej, der zehn Jahre lang als Abwehrchef und bis 2005 als
Co-Trainer von Iouri Chevtsov beim TUSEM fungierte, setzte beim Kellerkind
neue Kräfte frei. So dürfen die Ruhrpott-Handballer, die bisher zwölf Spieltage lang
die Rote Laterne des Tabellenletzten innehatten,
nach dem Sieg über die Füchse wieder verstärkt auf den Klassenerhalt hoffen.
Dieser wäre eine Genugtuung für die Verantwortlichen in Essen -
hatte doch ein zahlungsunwilliger Großsponsor im Jahr des größten Erfolges, dem EHF-Pokalgewinn 2005,
den Traditionsklub in die Niederungen der dritten Liga verbannt. Stars wie Oleg Velyky,
Viktor Szilagyi, Chrischa Hannawald, Oliver Roggisch
oder Gudjon Valur Sigurdsson konnten selbstverständlich nicht gehalten
werden, doch einige Akteure wie Spielmacher Sergio Ruiz Casanova, Linkshänder
Evars Klesniks und Rechtsaußen Mark Schmetz blieben ihrem Verein
auch in dieser schweren Zeit treu. Zudem kehrte Ex-Nationalspieler
und 2,14m-Koloss Mark Dragunski an seine alte Wirkungsstätte zurück,
um den TUSEM wieder in den Profihandball zurück zu werfen.
|
Riese am Kreis: 2,14-Meter-Mann Mark Dragunski
|
Der Kader wurde mit vielen Jugendspielern und Akteuren aus
der bisherigen zweiten Mannschaft aufgestockt, und das
Team marschierte erwartungsgemäß und ohne Niederlage
durch die Regionalliga. Überraschender war aber der direkte
Durchmarsch: Die Aufstiegseuphorie und das mittlerweile
unbekannte Gefühl, Spiele zu verlieren, brachten die punktuell
verstärkte Mannschaft zunächst souverän an die Spitze der
Zweiten Bundesliga Süd. Eine Schwächephase in der Rückrunde
kostete zwar den Vorsprung und den Trainerjob von Coach Ion
Bondar, doch ein Unentschieden im "Aufstiegs-Endspiel" gegen
Bayer Dormagen machte die schnelle Rückkehr in die Beletage des
deutschen Handballs perfekt.
Deshalb kann es am Mittwoch zum bereits 54. Duell der beiden Traditionsvereine in der
TOYOTA Handball-Bundesliga kommen. 30 Mal gewannen die Kieler den Vergleich, jedoch mussten
sie auch auf heimischem Terrain bereits zwei Niederlagen gegen TUSEM verkraften. Die letzte
Heimniederlage ist auf den 5. Dezember 2001 datiert - mit 32:33 unterlagen
die Zebras damals den Gästen, die knapp anderthalb Jahre später dieses Kunststück
in eigener Halle wiederholen konnten: Am 9. April 2003 schlug TUSEM den THW Kiel mit
27:25 - damals waren Stefan Lövgren und
Viktor Szilagyi noch Gegner ... (siehe auch Gegnerdaten TUSEM Essen).
Doch zu solchen Überraschungen soll es am Mittwoch gar nicht erst kommen. Bereits im
Hinspiel gewannen die Zebras mit souverän mit 33:27 (18:12, siehe Spielbericht) -
ähnlich souverän wollen die Kieler natürlich auch in eigener Halle agieren.
"Die Meisterschaft wird nicht
über das Torverhältnis entschieden. Wir müssen mindestens einen Punkt besser
sein als Flensburg", sagte THW-Geschäftsführer Uwe Schwenker nach
den Kräfte zehrenden letzten Wochen. Das bedeutet aber auch, dass der THW Kiel sich bis zum
Saisonende keine Blöße mehr geben darf - auch nicht gegen TUSEM Essen.
Die Schiedsrichter am Mittwoch sind
Colin Hartmann (Magdeburg) und Stefan Schneider (Barleben).
(Sascha Krokowski/Christian Robohm)
Dieser Vorbericht wird wie gewohnt ständig aktualisiert...
Bitte lesen Sie auch:
Aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra" von living sports:
"Wir wollen, dass der Erfolg nach Essen zurück kommt!"
Interview mit Mark Dragunski
Mark Dragunski, Kreisläufer des TUSEM Essen, ist ein Mann
der Superlative. Er hält nicht nur den Rekord als derzeit längster
Spieler der Bundesliga, sondern war mit seinen 2,14 m Körpergröße
bei den olympischen Spielen 2004 in Athen auch der Längste aller Athleten.
Der heute 37-Jährige, der 117 Mal für die deutsche Nationalmannschaft
auflief, wurde im Finale der EM 2002 zum "Spieler des Finales" gewählt,
nachdem er gegen die Schweden aufgrund seiner, die Skandinavier
überragende, Statur eingewechselt worden war.
Nach Stationen
in Flensburg und Gummersbach wechselte Dragunski vor drei
Jahren wieder zum TUSEM Essen, wo er nach dem Lizenzentzug
des Vereins und dem daraus resultierenden Zwangsabstieg in
die Regionalliga seit der laufenden Saison endlich wieder im
Handballoberhaus spielt.
- Zebra:
-
Sie kehrten zum TUSEM Essen zurück, obwohl er zu dem Zeitpunkt
in der Regionalliga spielte. Warum?
- Mark Dragunski:
-
In dem Jahr habe ich mich bereits im Herbst meiner Karriere befunden
und wollte eine Basis für die Zeit nach dem Handball schaffen.
Außerdem wollte ich dem Verein natürlich helfen, so schnell
wie möglich in die Bundesliga zurückzukehren.
- Zebra:
-
Als Bundesligaspieler und ehemaliges Mitglied der Nationalmannschaft
steht man sicher im Fokus, wenn man in der Regionalliga spielt ...
- Mark Dragunski:
-
Von Gummersbach nach Essen war es natürlich ein großer Schritt. Wir haben
uns anfangs wie im falschen Film oder wie am falschen Platz gefühlt.
Es war aber trotzdem eine schöne Zeit, auch wenn es für einen
Bundesligaspieler nicht so üblich ist, in der Regionalliga
zu spielen. Eine Sache, die mir in sehr guter Erinnerung
geblieben ist, war das große Finale um den Bundesliga-Aufstieg,
als wir mit Essen bei Bayer Dormagen unentschieden gespielt
haben und so noch aufsteigen konnten.
- Zebra:
-
Sie haben eine Menge Erfahrungen sammeln können. In welchen Bereichen
gibt es die stärksten Unterschiede zwischen ihren ehemaligen
und dem aktuellen Verein?
- Mark Dragunski:
-
Die gravierendsten Unterschiede gibt es beim Geld. In Flensburg und
Gummersbach sind die finanziellen Möglichkeiten natürlich
ganz andere als hier in Essen. Aber ansonsten sind die Vereine
der Bundesliga was das Training und das Umfeld angeht gleich - das
Trainingsniveau der Bundesligisten ist überall gleich hoch.
- Zebra:
-
Sie sprachen gerade vom finanziellen Aspekt. In der Bundesliga
gibt es mehrere Mäzene, die einzelnen Mannschaften unterstützen.
Wie gefährlich ist es für einen Verein, sich finanziell so
abhängig zu machen?
- Mark Dragunski:
-
Ich sehe es als schwierig, von einem Sponsor abhängig zu sein. Aber manchmal
hat man ja keine andere Wahl. Natürlich ist es schöner, wenn man
auf einen breit gefächerten Sponsorenpool zurückgreifen kann,
aber man muss mit dem Vorlieb nehmen, was man hat. Ich weiß
nicht, wie die Unterstützung durch Herrn Rudolph in Hamburg
genau aussieht, aber er macht seine Sache anscheinend gut, denn
der HSV stand ja in diesem Jahr im Halbfinale der Champions
League. Die Mannschaft zahlt das also mit Erfolgen zurück.
- Zebra:
-
In Essen haben zahlreiche Spieler, wie beispielsweise Chrischa Hannawald,
Oleg Velykky und Piotr Przybecki, den Sprung
in die erste Liga geschafft. Wie kommt es, dass die kleinen
Vereine von Spielern oft nur als Durchgangsstation genutzt werden?
- Mark Dragunski:
-
So ist das Geschäft. Bei Vereinen, die keine so dichte Bandbreite an Spielern haben,
sind die Einsatzzeiten natürlich länger als bei Mannschaften wie
dem THW Kiel, die auf allen Positionen doppelt gut besetzt sind.
In vierzig oder fünfzig Einsatzminuten kann man sich natürlich
besser präsentieren. Daher ist es unser Konzept in Essen,
junge Spieler zu verpflichten, die nicht so viel kosten wie
die großen Stars.
- Zebra:
-
Warum schafft Essen den Klassenerhalt?
- Mark Dragunski:
-
Weil wir als Mannschaft zusammenhalten und alle bis zum letzten Spieltag
dafür kämpfen, in der Liga zu bleiben.
- Zebra:
-
Wie sieht die Planung für die Zeit nach dem Handball aus?
- Mark Dragunski:
-
Ich werde wohl beim TUSEM bleiben und mich dort um die Öffentlichkeitsarbeit
kümmern und als Jugendtrainer arbeiten. Und wir wollen versuchen,
dass der Erfolg nach Essen zurückkommt.
(Das Interview führte Rika Finck, aus dem offiziellen THW-Bundesliga-Magazin "zebra" von living sports)
Aus den Kieler Nachrichten vom 23.04.2008:
Essen will sein Gesicht wahren
Ruhrpott-Klub heute beim THW krasser Außenseiter
Kiel - Heute Abend
erwartet Handballmeister THW Kiel den TuSEM Essen (20.15
Uhr). Ein klangvoller Name, die Nummer vier in der "Ewigen
Tabelle" der 1977 gegründeten eingleisigen
Bundesliga. Der Ruhrpott-Klub blickt auf eine ruhmreiche Vergangenheit
zurück, die Gegenwart sieht dagegen
weniger rosig aus.
Nach dem Lizenzentzug im Juni 2005 stürzte der
dreifache Deutsche Meister in die Regionalliga
ab. Spieler wie der Holländer Mark Schmetz, mit 168 Saisontoren
derzeit bester Werfer, oder der Lette Evars Klesniks hielten dem
Klub dennoch die Treue. Dazu gesellte sich unter anderem der 2,14-Meter-Hüne Mark Dragunski.
Eine Mannschaft, die sich nach zwei Aufstiegen
in Folge wieder im Oberhaus zurückmeldete. Hier kämpft der Traditionsklub
seit dem ersten Spieltag um das Überleben. Sportlich wie
wirtschaftlich. Im 2,5-Millionen-Euro-Etat fehlten jüngst angeblich
250 000 Euro. "Wir hatten einige Probleme",
räumt der Sportliche Leiter Stephan Krebietke ein. "Aber die haben
wir gelöst."
Abfindungen für entlassene Spieler und die
Gehälter der vorzeitig von ihren Ämtern entbundenen
Trainer Jens Pfänder und Ion Bondar rissen ein Loch in die Kasse. "Uns fehlt noch
die personelle Kontinuität", meint der studierte
Sportwissenschaftler Krebietke, der selbst für den TuSEM spielte und
sich derzeit um professionelle
Strukturen bei jenem Klub bemüht, der zuvor jahrzehntelang
von Klaus Schorn in Gutsherren-Manier geführt worden war. "Wir
sind auf einem guten Weg", sagt der 36-Jährige.
"Zur Zeit kommen doppelt so viele Zuschauer zu unseren
Heimspielen wie am Ende unserer letzten Bundesligasaison."
Ein weiterer Eckpfeiler ist Trainer Kristof
Schargy. Der 44-jährige Pole ("der TuSEM ist eine
Herzensangelegenheit für mich") erlebte als Co-Trainer die guten Zeiten
der Essener mit, die im Mai 2005 sogar den EHF-Pokal
gewannen. Schargy, der zuletzt den Regionalligisten VfL Hagen
betreute, ließ sich im März in die Pflicht nehmen, als Essen es sich bereits
im Tabellenkeller eingerichtet hatte. Achtungserfolge
gegen die Rhein-Neckar Löwen (35:30) und die SG Flensburg-Handewitt (29:29)
waren zu diesem Zeitpunkt schon Geschichte.
Auswärts ist der TuSEM dennoch ein beliebter Gast geblieben. Ein Sieg
in Melsungen, ein Punkt in Gummersbach, mehr
hatte der dreifache Pokalsieger,
dem voraussichtlich Spielmacher Andrej Siniak (Muskelfaserriss
in der Wade) fehlen wird, auf Rückfahrten bislang nicht zu
feiern. Zuletzt setzte es gar eine bittere 23:37-
Niederlage in Lemgo.
"Unser Angriff verbreitet wenig Gefahr",
weiß Krebietke, der für den Auftritt in Kiel nur
einen Wunsch hat: "Ich möchte, dass die Spieler
nach dem Abpfiff noch in den Spiegel schauen können."
Mit Punkten rechnet er nicht. Auch nicht
damit, dass sich der THW ("eine perfekte Mannschaft")
so konzentriert wie üblich vorbereiten
wird. "Warum sollten sie sich Videos von unseren
Spielen ansehen? Das haben sie nicht nötig."
(von Wolf Paarmann, aus den Kieler Nachrichten vom 23.04.2008)
THW Kiel - TUSEM Essen:
Das Tippspiel ist nicht mehr verfügbar.
Mittippen!
Radio- und Internet-Tipps: